Samstag, 14. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literatur

Betty Paoli und die Biographie

Franzensbad, 31. Juli 1856

Theuerster Freund!

Wahrscheinlich haben Sie schon durch Ida die Angelegenheit erfahren, in welcher ich Ihnen heute schreibe. Herr Pfautsch will mein Portrait in dem Taschenbuch „Gedenke mein“ erscheinen lassen und besagtem Conterfei auch meine Biographie beigeben. Gegen eine solche habe ich mich nun entschieden erklärt. Bin ich einmal todt und es will sich Jemand die Mühe nehmen, meine Biographie zu schreiben, so kann ich es, leider! nicht hindern, aber so lange ich noch auf Erden wandle, fühle ich nicht den mindesten Beruf, vor dem Publikum eine Art Generalbeichte abzulegen. Biographien noch lebender Personen müssen entweder lügen- oder lückenhaft sein; wenn dieß nicht, sind sie noch Schlimmeres: eine Entweihung, die man seinem eigensten Wesen zufügt, um die Neugier und Klatschsucht der plumpen Masse zu befriedigen. … Ich habe mich also nur dazu verstanden, einige biographische Notizen zu liefern. Diesen flüchtigen Umrissen meines äußeren Lebens wäre es aber passend, ein Bild meines geistigen Seins beizufügen … Mein guter, treuer Freund! Sie erzeigen mir einen großen Liebesdienst und ersparen mir wahrscheinlich bedeutende Unannehmlichkeiten, wenn Sie die Arbeit, um die es sich hier handelt, übernehmen.  …
Leben Sie wohl, erfüllen Sie meine Bitte und gedenken Sie meiner in Freundschaft. Ihre Betty Paoli

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