Mittwoch, 16. Februar 2022 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literatur,Welt

Paraphrase

Ein Menschenleben ach, es ist so wenig!
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!
Franz Grillparzer

Der Welle gleich, die, fortgespült vom Strande,
Spurlos im weiten Ocean verschwimmt;
Der Flamme ähnlich, die nach kurzem Brande
Zu einem todten Aschenrest verglimmt;
Ein Schatten nur, in täuschendem Gewande,
Der, kaum erschienen, auch schon Abschied nimmt:
Blindwaltenden Gesetzen unterthänig,
Ein Menschenleben, ach, es ist so wenig!

Allein in dieser winz’gen Spanne Zeit,
die uns, den Bildern eines Traums, gelassen,
Welch ein Gewog‘ von Lust und Kampf und Leid,
Von tiefstem Lieben und von tiefstem Hassen!
Ist auch das Leben kurz, das Herz ist weit
Und stark genug, die Ewigkeit zu fassen
Im Loos, das ihm für flücht’ge Tage fiel.
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!

Wien 16. Februar 1872

Betty Paoli

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