Mittwoch, 16. Februar 2022 von Karin S. Wozonig
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Paraphrase

Ein Menschenleben ach, es ist so wenig!
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!
Franz Grillparzer

Der Welle gleich, die, fortgespült vom Strande,
Spurlos im weiten Ocean verschwimmt;
Der Flamme ähnlich, die nach kurzem Brande
Zu einem todten Aschenrest verglimmt;
Ein Schatten nur, in täuschendem Gewande,
Der, kaum erschienen, auch schon Abschied nimmt:
Blindwaltenden Gesetzen unterthänig,
Ein Menschenleben, ach, es ist so wenig!

Allein in dieser winz’gen Spanne Zeit,
die uns, den Bildern eines Traums, gelassen,
Welch ein Gewog‘ von Lust und Kampf und Leid,
Von tiefstem Lieben und von tiefstem Hassen!
Ist auch das Leben kurz, das Herz ist weit
Und stark genug, die Ewigkeit zu fassen
Im Loos, das ihm für flücht’ge Tage fiel.
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!

Wien 16. Februar 1872

Betty Paoli

Freitag, 21. Januar 2022 von Karin S. Wozonig
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Kein Freund der Kleindichter

Betty Paoli schreibt über Franz Grillparzer, mit dem sie jahrelang freundschaftlich verbunden war:

Viele hielten ihn für einen Egoisten, weil er sich nicht von jeder Lappalie, wegen der man sich an ihn wendete, aus seiner stillen Gedankenwelt reißen ließ und überhaupt den Verkehr mit Anderen eher mied als suchte. Daran, meine ich, hat er sehr wohl getan; ein Mensch wie er hat einen anderen Beruf, als ein angenehmer Gesellschafter zu sein oder eine Kleindichterbewahranstalt zu gründen.

Donnerstag, 11. November 2021 von Karin S. Wozonig
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Einzüge

Um jetzt von mir einen Blick, ein Wort, ein Lächeln zu erhaschen, muß man Tischler, Tapezierer, Besenbinder oder dergleichen sein…

Betty Paoli am Tag vor ihrem Einzug in die Obere Bäckerstraße (Oktober 1855).
Montag, 19. Juli 2021 von Karin S. Wozonig
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Vormärz in Luxemburg

Dieser Blog war längere Zeit konferenzfrei, was daran liegt, dass die Rahmenprogramme von Zoom-Konferenzen nicht der Rede wert sind. Heute habe ich wieder etwas zu berichten: Luxemburg (Stadt) hat eine Gratisstraßenbahn und schicke Stadträder, gutes Essen und einen gastfreundlichen Nationalbibliotheksdirektor, der in einer interessanten, neuen Nationalbibliothek wirkt.

Das Thema der besagten Konferenz war der Adel im Vormärz. Und wer denkt da nicht an die geistreiche Fürstin Schwarzenberg und ihren schriftstellernden Sohn Fritz? – die für mich, ich gebe es unumwunden zu, ohne Betty Paoli (bürgerlich Betty Glück) nur halb so lustig wären.

Wenngleich ein Teil des geplanten Rahmenprogramms der Konferenz buchstäblich ins Wasser gefallen ist, so bestand doch genug Gelegenheit, die Distanz zwischen den Ständen, Zeiten und Disziplinen auch außerhalb der Vorträge und Diskussionen zu überwinden (innerhalb sowieso). Merci beaucoup.

Donnerstag, 8. Juli 2021 von Karin S. Wozonig
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Ein Fürst in der Steiermark

Grätz, den 7. Juni

Diesen Morgen passirte ich den Semmering, das Gebirg, welches die Steiermark vom Land Oesterreich trennt. Es war ein herrlicher Anblick. … Fröhliche Landleute mit ihren grünen Hüten, geputzte schäkernde Bauerndirnen wandelten auf der Straße der Frühmesse zu, zu welcher aus den benachbarten Dörfern die Glocke rief. …

Grätz ist ein freundlicher, lieber Ort. Hübsche Frauengesichter und stattliche Männer. –

Erzherzog Johann, einer der seltensten Männer seiner Zeit, ist der Abgott des ganzen Gebirgslandes. … Als Historiker, Botaniker, Geologe, würde er in jeder gelehrten Gesellschaft gewiß als eine der ausgezeichnetsten Erscheinungen glänzen, – im Volke aber ist er als kühner Gemsenjäger und trefflicher Landwirth gepriesen. … Ich kenne viele radicale Lord’s und liberale Professoren, welche sonderbare Gesichter dazu machen würden, müßten sie den Grundsatz der Gleichheit dahin ausdehnen, mit und unter dem Volke zu leben, mit ihm zu entbehren und auf seine Weise sich zu freuen, – wie der Erzherzog es thut. …

Nichts geht über das Wirthshausleben in der Steiermark! – Die kräftigen Männergestalten, mit ihren grünen Hüten und grauen Jagdröcken, mit dem treuherzigen, biedern Ausdruck in Gesicht und Wort, – Frohsinn und Gutmüthigkeit im Blick, aber doch zum Nothfall den silbernen Schlagring an der kräftigen Hand! … Spottet nur, ihr überklugen, intelligenten Nordteutschen, – naserümpfend und diese Länder das teutsche Böotien schimpfend, – spottet der breiten Mundart, des einfachen Köhlerglaubens! Aber glaubt mir, – so hoch ihr verdient geschätzt zu werden, als Männer des Wortes und der That, – so rüstig ihr im Augenblicke der Gefahr Degen und Feder zu führen versteht, – etwas Lebensfrische und Gemüthsoxygenstoff könnt ihr, ohne daß es euch schadet hier einsaugen; – und es wird euch nicht gereuen, legt ihr den gelehrten Philistermantel und die Brillen, die auf eurer Nase sitzen, ab, und böotisirt ein klein Weniges mit, unter den rüstigen, kräftigen, heiteren Böotiern…

[Friedrich Schwarzenberg]: Fragmente aus dem Tagebuche während einer Reise in die Levante, 1837

Montag, 31. Mai 2021 von Karin S. Wozonig
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Liebesnovelle mit Pianofortebegleitung

Zur kürzlich erwähnten Vertonung des Gedichts Kurz war die Zeit der Wonne von Betty Paoli sei ergänzt, dass die Aufnahme, die im Radiokolleg zu hören war, 1995 entstand. Es singt Yvi Jänicke, am Klavier begleitet von Nicole Winter. Auf der CD sind außer diesem einen noch fünf weitere Paoli-Gedichte zu hören. Denn der Komponist Robert Volkmann erzählte anno 1864 die ganze Geschichte. Er schreibt in einem Brief:

In meinem oben erwähnten Liederhefte nun, welches ich Liederkreis (Op. 46) betitelte … stellte ich aus den Gedichten von Betty Paoli sechs Lieder zusammen, die eine kleine Liebesnovelle bilden und dazu bestimmt sind, hintereinander vorgetragen zu werden…

Samstag, 29. Mai 2021 von Karin S. Wozonig
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Wonne

Diese Woche bescherte uns das Ö1-Radiokolleg einen Paoli-Auftritt. Die Sendung von Uli Jürgens war dem „Liebeslied im Wandel der Zeit“ gewidmet. Alle drei Teile waren erhellend, Paoli und ihr literarisches Alleinstellungsmerkmal – ein leidenschaftlich liebendes weibliches Ich, gestaltet von einer Frau zu einer Zeit, in der die Liebeslyrik weitgehend ohne Frauen auskam – in einer Vertonung von Robert Volkmann war im dritten Teil zu hören (Radiokolleg – Wonnemonat Mai, 27.05.)

Dienstag, 4. Mai 2021 von Karin S. Wozonig
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Actionszene mit Tochter

Zu Betty Paolis Freunden gehörte der Journalist Friedrich Uhl. Er erinnert sich in den 1880er Jahren an die Dichterin im Salon der Iduna Laube:

Betty Paoli, voll Gluth und Leben, die Freundin ihrer Freunde, die glühende Feindin der Feinde Oesterreichs und alles Unedlen in der Literatur, war anregend wie frischer Ost.

Uhl hatte eine Tochter namens Frida, die nach Überwindung einiger Hindernisse August Strindberg heiratete. Das ist in einer Reihe der Zeitung Welt nachzulesen, deren Titel hoffentlich einen falschen Eindruck vom Erlebnisfaktor des Gegenstands und damit des Berufs Literaturwissenschaftler vermittelt.

Dienstag, 6. April 2021 von Karin S. Wozonig
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Falscher Frühling gereimt

Ich habe in diesem Blog gelegentlich etwas über Biedermeieralmanache geschrieben, diese interessanten Verlagsprodukte, bebildert, mit Musikbeilagen versehen, im dekorativen Samteinband oder – wohlfeil – mit geprägter Vignette, die sich unter den Auspizien der vormärzlichen Zensur und rigider Moralvorstellungen an oberflächlich gebildete, tugendhafte Mädchen und Frauen von bürgerlichem Stand wandten.

Ja, es lässt sich in solchen literarischen Taschenbüchern so mancher Fund machen, es gibt darin manchmal Texte, die nicht ins Klischee passen. Häufiger aber ist das Reimgeklingel.

Bei aller meteorologischen und botanischen Korrektheit: Vom prosodischen Standpunkt aus betrachtet ist die Kombination von Almanach und Frühling echt die Härte. Beispiel gefällig? Franz Fitzinger, 1842:

Falscher Frühling

Schneebedeckt noch war die Flur,
Blätterlos die Bäume,
Noch im Schooße der Natur
Schlummerten die Keime.

Doch im eisig kalten März
Weht es warm ein Weilchen;
Sieh, da hebt sich himmelwärts
Aus der Erd‘ ein Veilchen.

Und beklommen sieht es da
Weite Schneegefilde;
Doch, es weh’n die Lüfte ja
Schmeichelnd, sanft und milde!

Mit dem Hauche neigt‘ es sich
Kosend auf und nieder,
Bis – gar bald – die Wärme wich;
Winter ward es wieder!

Jenes Weiß, kein Blütenschnee,
Lenzhauch ohne Dauer;
Ach! dem Veilchen wird so weh,
Senkt das Haupt in Trauer.

Und so welkt‘ es schnell dahin,
Sterbend, kaum geboren;
„Warmer Hauch mit kaltem Sinn,
Bin durch dich verloren!“

„Unbeständige Natur,
Schnellverglühte Triebe!
Ach, es hat der Frühling nur
Warmen Hauch der Liebe!“

Mittwoch, 24. März 2021 von Karin S. Wozonig
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