Umzug ohne Unterlass
Marie von Ebner-Eschenbach an Josephine von Knorr, 19. April 1856
Es ist ein großer Tag, der von welchem ich spreche – ein Tag an dem die verborgensten Schätze aus Kisten und Kasten, die jahrelang in ehrwürdigem Staube und tiefster Verborgenheit ruhten, hervorgenommen werden, um abermals nach kurzem Dérangement, in ihre frühere Einsamkeit zurückzukehren. Die Philosophie eines jeden Einpackens ist bei mir: Wie viele unnütze Sachen schleppt man mit sich die neben einem absterben, die man nie brauchte u. nie brauchen wird, und sich doch nicht entschließen kann wegzuschenken. Noch bin ich nicht dahinter gekommen dieses psychologische Rätzel zu lösen – warum beladen wir uns mit so viel Kraffel? Wenn Du mir Antwort darauf geben kannst so lasse es nicht unter – Wenn Goethe sagt „Sie saßen gegen einander über“ warum sollte Marie Ebner nicht sagen: „laße es nicht unter“? – Es wäre wirklich kein Grund dafür – wenn die Großen der Litteratur sich was erlauben dürfen, so thu ich es auch – denn was nicht ist kann werden und wenn ich auch nicht dieselben Sachen sage wie Goethe, so kann man das auf Rechnung meiner Verschloßenheit setzen – daß ich nicht eben so vortrefflich denke kann mir Niemand beweisen.