Die Hitze vor 155 Jahren
Der „Wiener Spaziergänger“ Daniel Spitzer verabsäumte es im Juli 1867, rechtzeitig in die Sommerfrische zu fahren, was zu folgendem, hier in Auszügen zitiertem Feuilleton führte:
Ich war müde, abgespannt und schlecht gelaunt, kurz alle Symptome kamen bei mir zum Vorscheine, welche den kosmischen Aufgang des Hundssternes Sirius begleiten; ich war das, was das neue Vereinsgesetz in den Paragraphen 1 und 6 „staatsgefährlich“ nennt; wenn ich mich jetzt mit einem gleichgesinnten Berufsgenossen versammelt hätte, wir würden vielleicht um Abschaffung des Feuilletons petitionirt haben.
Alle projektirten siebzig Honved-Bataillone! fluchte ich, wer kann diese tropische Hitze aushalten, die zum „Durchbrennen“ ist. …
Ich war der einzige Spaziergänger auf dem Graben, doch nein, da kam ein zweiter; es war einer meiner Bekannten, ein Arzt ohne Patienten, der offenbar nur Jemand suchte, den ein vom Himmel gesendeter Sonnenstich getroffen haben könnte.
„Was gibt es Neues,“ fragte er mich. – „Es kommen jetzt sehr häufig Schlagflüsse vor,“ antwortete ich, um ihm eine Freundlichkeit zu erweisen. – „Ich fürchte,“ bemerkte er, „die Cholera wird wieder unser Gast.“ Diese Heuchelei des Undankbaren verdroß mich, ich winkte ihm einen Abschiedsgruß. „Warten Sie doch noch einen Augenblick,“ rief er. – „Ich habe große Eile,“ erwiderte ich, und kroch weiter.
Ich ging auf den Stephansplatz, und erquickte mich mit der Erinnerung an einen Windstoß, der mir im Frühling einen Ziegel auf den Kopf geworfen hatte. …
Mißmuthig ging ich zum Mittagessen. Der Tisch, an dem ich sonst in heiterer Gesellschaft gespeist hatte, war verwaist, denn die ehemals um ihn herumsaßen, hatten Wien den Rücken gekehrt. Der Tisch war zwar noch, wie in seiner Glanzperiode, „besteckt“, aber die Gabeln und Messer in den Gläsern erinnerten mich fast an Grabsteine, die zu sagen schienen: „Wanderer, setze dich nur nieder, die früher hier ruhten, sind jetzt in ein besseres Salzkammergut hinüber.“ …