Freitag, 24. März 2023 von Karin S. Wozonig
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Emilie Zanini

Um nicht für ihr unweibliches öffentliches Auftreten kritisiert zu werden, publizierten viele Frauen im neunzehnten Jahrhundert anonym, unter (männlichem) Pseudonym, zeichneten ihre Texte nur mit Chiffren oder Initialen. Für die Literaturgeschichtsschreibung sind sie deshalb fast verloren. Lexikonprojekte wie das zitierte von Carl von Schindel oder das Lexikon deutscher Frauen der Feder von Sophie Pataky (1898) versuchen, Abhilfe zu schaffen, die Frauengeschichtsforschung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts hat viel Material gesammelt. Aber die Lücken bleiben trotzdem groß.

Emmy., Emmy… oder Emmy*** ist das Pseudonym, unter dem Emilie Zanini Charaden, also gereimte Silbenrätsel, in Zeitschriften und literarischen Taschenbüchern veröffentlichte, unter anderem in einer Rubrik mit dem Titel „Nüsse zum Aufknacken für schöne Zähne“. Eine Sammlung ihrer Novellen und Verserzählungen wurde 1834 unter dem Titel Märzveilchen bei Tendler in Wien herausgegeben.

Donnerstag, 23. März 2023 von Karin S. Wozonig
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Emmy… ?

Der Sammler der Namen, Daten und Biographien der Schriftstellerinnen seiner Zeit (ab 1800), Carl von Schindel, beklagt sich also, wie im vorigen Blogeintrag berichtet, über die mangelnde Unterstützung für sein Projekt. Männer seien vorurteilsbehaftet oder gleichgültig und Frauen wollten ihre Anonymität oder ihr Pseudonym nicht preisgeben, um nicht dafür kritisiert zu werden, dass sie sich durch Veröffentlichung unziemlich, nämlich unweiblich, verhalten. Keine Gefahr, meint Schindel noch in seinem Vorwort 1822. Drei Jahre später weiß er es dann schon besser:

Wahr dürfte es also wohl seyn, die Pflichten des häuslichen Kreises fordern das Weib in jenen Verhältnissen zu so vielen Beschäftigungen auf, daß es wohl zu besorgen ist, es werde, wenn dasselbe als Schriftstellerin auftritt, leicht in Gefahr kommen, jenen heiligen Beruf nicht in vollem Maße zu erfüllen, und im Allgemeinen beides schwer mit einander vereinigen können.

Das weiß auch Emmy…, eine vielgelesene Dichterin, seinerzeit bekannt vor allem für ihre „Charaden“, gereimte Silbenrätsel, die in Zeitschriften veröffentlicht wurden, aber auch Verfasserin von Novellen, Verserzählungen und Parabeln.

Feder und Nadel.

Ich saß in meines Stübchens trauten Räumen,
Beim letzten späten Abendlicht allein,
Wohl blickten hell die wundergoldnen Strahlen,
Durch’s Fenster friedlich mild zu mir herein.

Ich sah verloren in ein fröhlich Sinnen,
Der Rosenwolken leuchtende Magie,
Da weckte plötzlich leises, leises Flüstern
Mich aus dem heitern Spiel der Phantasie.

Und ich vernahm mit nie gefühltem Staunen
Gar einen seltnen, wunderbaren Streit,
Es hatten meine Feder, meine Nadel,
Gleich einem Liebespärchen sich entzweit.

Und wißt ihr wohl warum sie sich befehdet,
Mit bitterm Groll gerüstet, und bewehrt,
Sie zankten sich den Lauf der Zeit zu füllen,
Die hingeschwunden, nimmer wieder kehrt.

Die Nadel.

Ich komme dich Verwegne anzuklagen,
Die mir das Recht, das mein ist, schnöd entzieht,
Du drängst dich frevelnd in des Reiches Grenzen,
Wo nur des Fleißes Blume freundlich blüht.

Ich bin die Zierde in des Mädchens Händen,
Du stachelst nur des Spottes bittres Wort,
Mir sey geweiht der Frauen stilles Walten,
Geräuschlos in des Friedens sicherm Port.

Die Feder.

Du hältst den Geist am trüben Erdenlande,
Ich rufe Träume leise aus der Brust,
Und webe freundlich in das ird’sche Leben
Der dornenlosen Blüthen heitre Lust.

Die Nadel.

Was ich gebildet mit bescheidnem Sinne,
Bleibt sittig in dem wohlbewahrten Haus,
Was du geschaffen hast mit buntem Streben,
Das flattert eitel in die Welt hinaus.

Wo sich des Mannes kühner Geist entfaltet,
Dort bannt dich hin mein richterliches Wort,
Dort ernte Ruhm, hier wuchert nur der Tadel,
Die Nadel ist der Frauen Schmuck und Hort.

Die Feder.

Bezähme doch des Hasses düstres Schmollen,
Fern blieb mir stets des Dünkels frevle Spur,
In Gartenräumen blüht die hohe Malve,
Doch blüht ja auch das Veilchen auf der Flur.

Wohl gleichet mancher Sang aus goldnen Saiten,
Dem Phönix, der zum Sternenkranze dringt,
Indeß mein Lied nur wie ein weißer Falter
Sich um das niedre Wiesenblümchen schwingt.

Die Nadel.

Schon in des Gynecäums ernsten Hallen
War ich geliebt, und freundlich wohl bekannt,
Zu jeder Zeit blieb ich den Frauen eigen,
Dem ernsten Treiben bist du anverwandt.

Die Feder.

Ich führe in der Vorwelt Duftgefilde
Des jungen Daseyns Pilgerinn zurück,
Und in das lichte Jugendland der Träume,
Erhebt sich fröhlich der umhüllte Blick.

Und hast du je noch reichen Lohn gespendet,
Wenn dich des Fleißes Hand regieret, sprich?
Oft hast du tiefe Wunden schon gegeben,
Heiß, schmerzlich blutend wie der Viper Stich.

Die Nadel.

O schweige doch Verblendete, Bethörte,
Kein glühend Gift mein Bienenstachel trägt,
Und tiefer brennt die Wunde oft im Herzen,
Die manche deiner Schwestern zürnend schlägt.

Stets werd‘ ich siegen soll die Wahl entscheiden,
Mein blanker Zauber Frühlingsblumen haucht.
Du wirst in schwarzer Fluten trauernd Dunkel,
Wie in Kozytus Wellen eingetaucht.

Die Feder.

Du schmähest mich mit deines Grimmes Toben,
Vom ungerechten blinden Zorn entbrannt,
Ich trat dir nimmer feindlich doch entgegen,
Stets wurdest du als Herrinn anerkannt.

Die Nadel.

Umsonst, dein Flehn, es ist und bleibt vergebens,
Du raubst die Stunden, welche mir geweiht,
Und keine Macht der Erde bringt sie wieder,
Die hingeschwundne, die verlorne Zeit.

Da eilt ich schnell den Hader auszugleichen,
Der kleinen zürnend aufgeregten Macht,
Dem Kampf des Friedens Öhlzweig zu entlocken,
Wie aus dem Schnee der junge Lenz erwacht.

Und meine Nadel hat das Wort vernommen:
Dein soll der Kreis der lichten Horen seyn,
Kein Pendelschlag sey frevelnd dir entzogen,
Vom goldnen Morgen bis zum Abendschein.

Doch sinkt das Dunkel feierlich hernieder,
Verbleicht des Tages letzter Rosenglanz,
Dann mag die Feder meine Stunden flügeln,
In anspruchsloser Lieder heiterm Kranz.

Da sühnten fröhlich ihrem Zwist die Beiden,
Und mancher strengen Weisung sey es kund,
Es einten meine Feder, meine Nadel,
Sich eng in einem treuen Schwesterbund.

Emmy.

In: Huldigung den Frauen. Ein Taschenbuch für das Jahr 1831. Wien bey Fr. Tendler. S. 149ff.

Samstag, 25. Februar 2023 von Karin S. Wozonig
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Altes

„Die Blätter sind überhaupt voll prächtiger Nachrichten. – Vor Allem die Berichte vom glorreichen Custozza-Tage – Du solltest Dir diese Zeitungen aufheben, Martha.“
Und ich habe sie aufgehoben. Das sollte man immer thun; und wenn ein neuer Völkerzwist heranzieht, dann lese man nicht die neuesten Zeitungen, sondern die, welche von vorigem Kriege datieren, und man wird sehen, was all den Prophezeiungen und Prahlereien und auch den Berichten und Nachrichten für Wahrheitswert beizumessen ist. Das ist lehrreich.

Bertha von Suttner: „Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte“ (1889)

Freitag, 3. Februar 2023 von Karin S. Wozonig
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Nichts Neues

Franz Grillparzer
Mittwoch, 11. Januar 2023 von Karin S. Wozonig
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Wie man es lieber nicht machen sollte

Ich schreibe gern Rezensionen. Jetzt kann man in einer davon nachlesen, wie man es lieber nicht machen sollte: Besprechungen con amore. Der Briefwechsel von C. F. Meyer mit Hermann Lingg und Paul Heyse gibt einen Einblick in literarische Koterie

Sonntag, 18. Dezember 2022 von Karin S. Wozonig
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Zur Winterunterhaltung in den Süden

Ich habe mir von Halle zur Winterunterhaltung die Geschichte Roms im Mittelalter von Gregorovius, einem meiner Lieblingsschriftsteller, mitgebracht. Denn in Ihren Willkommensruf an den schönen, weißen Winter stimme ich nicht ein; so lange ich von meinem Leben weiß, ist er mein Todfeind gewesen, habe ich mich bei seinem Nahen leidenschaftlich unter einen milderen Himmel gesehnt und da mir niemals Flügel wachsen wollten, hätte ich mich gern unter die Erde gekrabbelt, um wie ein Murmeltier das unholde Walten zu verschlafen. Da bin ich denn schließlich auf das Hülfsmittel verfallen, mich durch die Phantasie – die schwächste Partie meines Ingeniums – in glücklichere Zeiten und Zonen zu versetzen. Vorig Jahr war Griechenland dran; heuer Rom. Die 8-10 dicken Bände füllen wohl – täglich ein paar Stündchen – die langen, kümmerlichen Monde aus.

Louise von François an C. F. Meyer, Oktober 1881

Mittwoch, 19. Oktober 2022 von Karin S. Wozonig
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Literarische Nachleucht-Farbe

Thomas Stangl hat einen Glow-in-the-dark-Roman geschrieben. Ja, das Cover leuchtet in der Dunkelheit – Matthes & Seitz macht’s möglich. Außerdem bleibt aber auch vieles des Inhalts dunkel und aus diesem Dunkel leuchten einzelne Erzählstränge hervor, die den Großmüttern des Autors, der Familie Brontë und dem Kaiser von China, dem sprichwörtlichen, folgen.

Keine Zeile lang vertraut Thomas Stangl dem „So tun als ob“, das die Grundvoraussetzung der Romanlektüre ist. Oder war. Seit einiger Zeit sickern und bröseln in die Literatur die Konzepte Identitätserschütterung und kulturelle Aneignung hinein, beides nur mit nichtfiktionaler Authentizität zu haben. Für manche gilt: Da kann man gleich Autofiktion schreiben. Thomas Stangl macht es anders und mischt sich als Autor mit Skrupeln ein: Der Kaiser von China kann ich sein, auch Branwell und Emily Brontë, bei meinen Großmüttern und einem 1938 in den Selbstmord getriebenen Juden muss ich passen, lässt er uns durch Zwischentöne (nicht -rufe) wissen.

Ich würde keine stringent erzählte Geschichte über den total durchgeknallten Kaiser von China lesen wollen. Aber bei den Brontës bedauere ich es doch ein bisschen, dass Thomas Stangl sich nicht mit einem historischen Roman zufriedengeben würde. Denn schon in den kurzen Erzählpassagen über den Trinker Branwell und die solipsistische (und dann auch wieder ganz nicht-solipsistische) Emily Brontë stecken Einsichten in Leben, die wirken wie die Irrlichter über dem Moor, oder Nachleucht-Farben auf Papier. Mehr davon würde mir gefallen (19. Jahrhundert auch nicht ganz unwichtig).

Stangls Großmütter reihen sich ein in die Riege der literarischen Großmütter, die an den Formwandler Odo aus Deep Space Nine gemahnen. Was dieser Autor anders macht als die anderen, ist der Versuch der Überwindung der Todesangst und des Todes durch das Erzählen, fast ohne zu erzählen. Wieder einmal keine leichte, aber eine lohnende Lektüre. Thomas Stangl: Quecksilberlicht. Roman. Matthes & Seitz 2022. 267 Seiten.

Dienstag, 18. Oktober 2022 von Karin S. Wozonig
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„Im Tempel hier hat auch die Frau ein Recht“

Selbst- und Fremdermächtigungsakte in der Literatur und im Literaturbetrieb feiern gerade ein Comeback. Falls Sie einen Blick auf die Anfänge werfen wollen, haben Sie heute dazu Gelegenheit: Veranstaltung in der Wienbibliothek („vor Ort“ und nachzuschauen im „Stream“).

Franz Grillparzer: „Im Tempel hier hat auch die Frau ein Recht“ – Frauen, Dramen, Liebe, Kunst.
Dienstag, 18. Oktober 2022, 18.30 Uhr Lesesaal der Wienbibliothek im Rathaus (Rathaus, Eingang Lichtenfelsgasse, Stiege 6 (Glaslift), 1. Stock, 1010 Wien)

Donnerstag, 8. September 2022 von Karin S. Wozonig
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War er’s? Oder war er’s nicht?

Ich hatte das große Vergnügen, bei der Summer School der „Kommission für Interdisziplinäre Schubert Forschung“, kurz Schubert Research Center, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mitzuwirken. Das Überthema war gut gewählt: „Sexuality and Gender in Schubert’s Time“. Da lässt sich allerhand darüber sagen. Anke Charton hat den Teilnehmenden „Historicizing Gender“ nähergebracht, Mark Seow „Performing Queerness“ und Waltraud Schütz „Gender Norms“.

Ich habe mich auf die Liebeslyrik verlegt und über die Hintergründe der Ambivalenz gesprochen, die in jedem guten Biedermeiergedicht zu finden ist, und über die Geschlechterrollen, die hier abgebildet, eingeübt oder unterlaufen werden. Sex kam auch vor.

Es ist ja nicht so, dass ich über die Liebeslyrik von, sagen wir, Betty Paoli nicht schon einiges wüsste – Eduard Mörike war auch Thema (das war der mit dem Sex), Heinrich Heine natürlich, und Wilhelm Müller, selbstverständlich auch die geniale Annette von Droste-Hülshoff und außerdem Gabriele Baumberg -, aber: Wenn man einer Gruppe von fünfzehn Menschen, die unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen betreiben, unterschiedlich viel Lebenserfahrung haben und aus unterschiedlichen Ländern kommen, ein Gedicht in die Hand gibt, tun sich ganz neue Bedeutungen auf, zumal bei einer Gruppe wie jener der Summer School, in der auf hohem Niveau über die sprachlichen Mittel für den Gefühlsausdruck diskutiert wurde.

Auch eine Summer School braucht ein Rahmenprogramm, und so kam ich in den Genuss einer kleinen, beeindruckenden Schubertiade mit Irma Niskanen und Joonas Ahonen – wie passend für diese wissenschaftlich-künstlerische Zusammenkunft im Herzen von Wien, angeregt und mit Hingabe organisiert von Andrea Lindmayr-Brandl.

Den ersten Input dieser Sommerakademie lieferte Hans-Joachim Hinrichsen mit seiner Session über „Schubert’s Sexuality“. Und wenn ich das richtig sehe, waren sich am Ende alle einig, dass es nicht wichtig ist, ob Schubert schwul war oder nicht, dass es aber sehr wichtig ist, ob wir diese Frage stellen und wie wir sie stellen. Der Ton macht die Musik.

Dienstag, 10. Mai 2022 von Karin S. Wozonig
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Lied an das Beerchen

Nun ist es Zeit

Nun ist es Zeit!
Die Schwalbe pickt ans Fensterglas,
Es sprießt empor das junge Gras,
Vom Eise ist der Fluß befreit,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit!

Nun ist es Zeit!
Hervor ihr Blümlein roth und blau,
Hervor ihr Veilchen auf der Au,
Hervor in eurem schönsten Kleid,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Nun ist es Zeit!
Ihr Vöglein über’m blauen Meer,
Du Nachtigall, nur rasch hieher,
Schon schwillt das Beerchen auf der Haid,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Nun ist es Zeit!
Nun Frühling auf! mit aller Macht,
Mit Sang und Klang und Blüthenpracht,
Mit deiner höchsten Seligkeit,
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit.

Aus „Frühlingsblätter“. Liederkranz von Johann N. Vogl, erschienen in Vesta. Taschenbuch für das Jahr 1835, dem Almanach, in dem auch das vorstehende Frühlingsgedicht Grillparzers abgedruckt wurde.