Freitag, 23. Juni 2023 von Karin S. Wozonig
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Samstag, 3. Juni 2023 von Karin S. Wozonig
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Schreiben über das Schreiben von Betty Paoli

Und zwar schreiben über das journalistische Schreiben Betty Paolis. Die altehrwürdige Wiener Zeitung hat einen betrüblichen Grund, sich mit ihrer Geschichte – einem wichtigen Teil der österreichischen Presse- und Kulturgeschichte – zu befassen und tut das unter anderem, indem sie auf den Platz hinweist, den sie früh den Journalistinnen eingeräumt hat. Ja, Betty Paoli war die erste Journalistin Österreichs und hat auch für die Wiener Zeitung geschrieben.

Die interessante Folge der Serie von Andrea Reisner und Paul Vécsei sei ergänzt um die Information, dass in der Wiener Zeitung nicht nur Paolis interessante Rezensionen über C. F. Meyer erschienen sind, die ersten Besprechungen von Meyers Büchern in Österreich – Paoli war aber nicht immer glücklich über die Aufgabe.

In der Wiener Zeitung ist auch eine Übersetzung Paolis erschienen. Nachdem die Revolution 1848 ihr das Leben schwer gemacht hat, hat sich Paoli nach neuen Einnahmequellen umgesehen und Russisch gelernt. Die russische Literatur sei so reich und sie sei im deutschen Sprachraum zu unbekannt, das müsse man ändern, meint Paoli und setzt sich hin und lernt. Nach drei Monaten berichtet sie: „Meine Fortschritte sind ganz anständig und wären noch größer, wenn ich nicht eine Art Faulthier zum Lehrer hätte.“ Nach einem Jahr übersetzt sie für die Wiener Zeitung Michail Lermontow.

Und noch ein fun fact: Paolis erster Feuilletonbeitrag für die Wiener Zeitung handelt von ihrem Besuch bei Jules Janin in Paris, einem Romanautor und Kritiker, an dem wohl niemand vorbei kam, der selbst für die Zeitung schrieb. Er war eine Edelfeder, einflussreich und umstritten. Paoli mochte seine konservative Art und seinen

rücksichtslosen Freimuth, womit er das Schlechte schlecht, das Gemeine gemein zu nennen wagt, gleichviel unter welcher Firma es den Beifall der gedankenlosen Menge zu gewinnen strebt.

Mittwoch, 31. Mai 2023 von Karin S. Wozonig
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Reden über Paoli

Und zwar über ihr Leben und ihr Netzwerk, abgebildet im umfangreichen Nachlass, der in der Wienbibliothek liegt. Dort findet denn am 22. Juni auch das Gespräch über sie statt, und zwar in der Reihe „Klassikaner!“, in der Schätze der Sammlung im Rathaus präsentiert werden. Es wird auch Paoli-O-Ton zu hören geben, der zum Titel der Veranstaltung passt: Imposant gescheit und hinreißend.

Montag, 22. Mai 2023 von Karin S. Wozonig
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Keine Gelegenheit auslassen

O ja, auch bei dem Thema Freundschaft kann man ausgiebig über das neunzehnte Jahrhundert sprechen, ja, gerade bei dem. Und über Betty Paoli, (die aber gelegentlich den Überblick über ihren geselligen Kreis verloren hat). Also: Science-Talk > Wozu sind Freunde/Freundinnen da?

Sonntag, 30. April 2023 von Karin S. Wozonig
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Die überreizte Salonnase in Leipzig

1870 reiste Betty Paoli von Dresden nach Leipzig und hielt in einem Reisefeuilleton für die Neue Freie Presse fest:

Mir war zu Muthe, als wäre ich aus einer von Blüthen umrankten Säulenhalle voll edlen Schmuckes plötzlich in das Gedränge eines Marktplatzes versetzt worden.

Empört schreibt ein Redakteur der Gartenlaube, die ihren Redaktionssitz in Leipzig hat:

Wir haben schon hie und da einen recht verständigen und wohlgeschriebenen Aufsatz von Betty Paoli gelesen. Um so mehr hat uns die anstandswidrige Dreistigkeit überrascht, mit der sie hier ganz in der unmotivirten Manier einer scharfzüngigen Theeschwester über eine deutsche Stadt abspricht, die schon durch die frische und geschmackvolle Lieblichkeit ihrer kranzartigen Stadtpromenade die Augen der Fremden erfreut […]. Wenn Fr. Paoli von Leipzig nichts anderes zu sagen weiß, als daß sie daselbst ihre Geschäfte abgemacht, so läßt sich dagegen nichts einwenden, denn die einfache und gesunde, aber gründlich gebildete Bürgerstadt hat in der That nichts von dem zweifelhaften belletristischen Parfüm, dessen gewisse überreizte Salonnasen zu ihrem persönlichen Wohlsein bedürfen mögen.

Donnerstag, 13. April 2023 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli in der prosaischen Ecke

In der Zeitschrift Schweizer Frauenheim wurden immer wieder Gedichte von Betty Paoli abgedruckt. Die werfen aber gelegentlich Fragen auf, die sich nur im „Sprechsaal“, der Ratgeberecke der Zeitschrift, beantworten lassen, wie Sie hier nachlesen können.

„Der über allen Parteien schwebende Geist der Poesie“

Was es mit diesem Geist auf sich hat? Es ist der Geist von Betty Paoli. Die Parteien sind Maria Anna Schwarzenberg, ihr Sohn Friedrich (der „Landsknecht“), Hieronymus Lorm, Adalbert Stifter und andere. Nachzulesen hier: Urte Stobbe und Claude D. Conter (Hg.). Adel im Vormärz.

Donnerstag, 8. September 2022 von Karin S. Wozonig
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War er’s? Oder war er’s nicht?

Ich hatte das große Vergnügen, bei der Summer School der „Kommission für Interdisziplinäre Schubert Forschung“, kurz Schubert Research Center, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mitzuwirken. Das Überthema war gut gewählt: „Sexuality and Gender in Schubert’s Time“. Da lässt sich allerhand darüber sagen. Anke Charton hat den Teilnehmenden „Historicizing Gender“ nähergebracht, Mark Seow „Performing Queerness“ und Waltraud Schütz „Gender Norms“.

Ich habe mich auf die Liebeslyrik verlegt und über die Hintergründe der Ambivalenz gesprochen, die in jedem guten Biedermeiergedicht zu finden ist, und über die Geschlechterrollen, die hier abgebildet, eingeübt oder unterlaufen werden. Sex kam auch vor.

Es ist ja nicht so, dass ich über die Liebeslyrik von, sagen wir, Betty Paoli nicht schon einiges wüsste – Eduard Mörike war auch Thema (das war der mit dem Sex), Heinrich Heine natürlich, und Wilhelm Müller, selbstverständlich auch die geniale Annette von Droste-Hülshoff und außerdem Gabriele Baumberg -, aber: Wenn man einer Gruppe von fünfzehn Menschen, die unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen betreiben, unterschiedlich viel Lebenserfahrung haben und aus unterschiedlichen Ländern kommen, ein Gedicht in die Hand gibt, tun sich ganz neue Bedeutungen auf, zumal bei einer Gruppe wie jener der Summer School, in der auf hohem Niveau über die sprachlichen Mittel für den Gefühlsausdruck diskutiert wurde.

Auch eine Summer School braucht ein Rahmenprogramm, und so kam ich in den Genuss einer kleinen, beeindruckenden Schubertiade mit Irma Niskanen und Joonas Ahonen – wie passend für diese wissenschaftlich-künstlerische Zusammenkunft im Herzen von Wien, angeregt und mit Hingabe organisiert von Andrea Lindmayr-Brandl.

Den ersten Input dieser Sommerakademie lieferte Hans-Joachim Hinrichsen mit seiner Session über „Schubert’s Sexuality“. Und wenn ich das richtig sehe, waren sich am Ende alle einig, dass es nicht wichtig ist, ob Schubert schwul war oder nicht, dass es aber sehr wichtig ist, ob wir diese Frage stellen und wie wir sie stellen. Der Ton macht die Musik.

Mittwoch, 15. Juni 2022 von Karin S. Wozonig
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Mit Varnhagen in die Sommerfrische

Der Juni ist die Zeit, in der es in Wien heiß wird. Und deshalb begibt man sich aufs Land, in die Sommerfrische, zum Beispiel nach Baden bei Wien. Betty Paoli macht es jahrelang so, auch im Jahr 1858. Die Vorbereitungen dazu machen ihr offensichtlich keinen Spaß.

Ich ziehe morgen hinaus, bin heute mit Packen beschäftigt und deßhalb, wie unter solchen Umständen natürlich, in einer Menschenfresserlaune.

Natürlich werden für den Aufenthalt im Grünen auch Bücher eingepackt. Ida Fleischl zum Beispiel wünscht sich in diesem Jahr Karl August Varnhagens Denkwürdigkeiten, immerhin sieben Bände.

Jüngst hat Peter Sprengel ein detailreiches Buch über Varnhagens erotisch affizierten Briefwechsel mit der Engländerin Charlotte Williams Wynn geschrieben, und ich eine Rezension darüber.

Mittwoch, 16. Februar 2022 von Karin S. Wozonig
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Paraphrase

Ein Menschenleben ach, es ist so wenig!
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!
Franz Grillparzer

Der Welle gleich, die, fortgespült vom Strande,
Spurlos im weiten Ocean verschwimmt;
Der Flamme ähnlich, die nach kurzem Brande
Zu einem todten Aschenrest verglimmt;
Ein Schatten nur, in täuschendem Gewande,
Der, kaum erschienen, auch schon Abschied nimmt:
Blindwaltenden Gesetzen unterthänig,
Ein Menschenleben, ach, es ist so wenig!

Allein in dieser winz’gen Spanne Zeit,
die uns, den Bildern eines Traums, gelassen,
Welch ein Gewog‘ von Lust und Kampf und Leid,
Von tiefstem Lieben und von tiefstem Hassen!
Ist auch das Leben kurz, das Herz ist weit
Und stark genug, die Ewigkeit zu fassen
Im Loos, das ihm für flücht’ge Tage fiel.
Ein Menschenschicksal, ach, es ist so viel!

Wien 16. Februar 1872

Betty Paoli