Mensch und Natur
In der Literaturwissenschaft zeigt sich, dass eine „biocultural perspective on literature“ (Nordlund 2002: 317) große Faszination auf professionelle Leser(innen) ausübt. In den letzten Jahren ist eine zunehmende Bereitschaft von Geisteswissenschaftler(innen) zu beobachten, „die Naturwissenschaften als ebenbürtige wissenschaftliche Disziplinen zuzulassen, deren Erkenntnisse man tatsächlich benutzen kann.“ (Mellmann 2009) Ich möchte die Voraussetzung dieser Bereitschaft mit Edward O. Wilson als „Biophilie“ bezeichnen, als „angeborene Freude an der Fülle und Vielfalt des Lebens“ (Wilson 1998: 382). Damit fasse ich die Motivation unterschiedlicher Ansätze zusammen, die den Natur-Kultur-Zusammenhang am Objekt Literatur erforschen. Ich gehe dabei von einem persönlichen und intersubjektiv kommunizierbaren Interesse aus, das Literaturwissenschaftler(innen) bei ihrer Tätigkeit anleitet, und ich gehe davon aus, dass die Berücksichtigung von Natur gleichermaßen Bestandteil einer Theorie des Verstehens wie der Praxis der Interpretation ist…
Karin S. Wozonig: Von der Biophilie professioneller Leser(innen) oder: Die Naturwissenschaften in der Literaturwissenschaft und die Bedeutung kulturwissenschaftlicher Chaosforschung. In: Roman Mikúlaš und Karin S. Wozonig (Hg.): Chaosforschung in der Literaturwissenschaft. Wien, Münster: LIT 2009. S. 113-124