Mittwoch, 25. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Reiseprojekte

Vor einigen Tagen berichtete ich über die 1837 von dem eloquenten Spötter M. G. Saphir gegründete Zeitschrift „Der Humorist“. Am 20. Oktober 1837 erschien in diesem Blatt das Gedicht „Reiseprojekte“ von Betty Paoli, das, da zur Saison passend, in seiner vollen Länge zitiert sei:

Reiseprojekte

Ihr hohen Kathedralen
Am alten, heil’gen Rhein,
Umspielt von tausend Strahlen,
Im hellen Sonnenschein;
Ihr stolzgethürmten Zinnen,
Auf Bergen rebumblüht,
O wie es mich von hinnen
In eure Nähe zieht!

Und wie’s mich sehnend ziehet
In’s schöne Frankenland,
Wo frei der Ölbaum blühet,
An blum’ger Bergeswand;
Wo aus dem Blättergrunde
Hell die Orange blinkt,
Und wo voll süßer Kunde
Vaucluse hernieder winkt!

Mein Rom, mein ewig hehres
Sorrent‚, Neapolis,
Du schöne Braut des Meeres,
Du irdisch Paradies,
Alhambra, edle Trümmer,
Und du, Escurial,
Erscheint ein Rosenschimmer
Dem Sehnen allzumal! –

So streifet mein Begehren,
Hin durch die weite Welt,
Und wer will mir verwehren
Zu zieh’n, wenn mir’s gefällt?
Das Leben steht mir offen,
Mich hält nicht Amt noch Pflicht
Hier fest, und auch kein Hoffen
Und Glück auch wahrlich nicht!

Von einem Jahr zum andern
Schob ich die Reise auf,
Begonnen sei das Wandern,
Der lebensrasche Lauf!
Will in die Weite streben,
Will morgen sein bereit!
„Gewiß?“ – O du mein Leben,
Stets morgen, niemals heut!

Mittwoch, 4. November 2009 von Karin S. Wozonig
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Unterwegs mit Kyselak und Duna

Kleinstätten (oder St. Michael). Bei diesem Dorfe hielt ich das neue Schloß mit seinen vier Türmen nicht der Besichtigung wert; ebenso wenig Reiz hatten die Gemeinden Groschach, eine halbe Stunde davon Katzelsdorf, dann über einer Berghöhe Wies; schlechter Feldbau, Waldverwüstung und unbeträchtliche Viehzucht geben kein gutes Vorurteil von den Besitzern. Die Gemeinden Pölfing, Brunn, Jagernigg, im Marburger-Kreise liegend, gehören zur Herrschaft Purgstall, und sind etwas mehr gepflegt.

Für den Steiermark-Urlaub empfehle ich die Lektüre von Kyselak. Skizzen einer Fussreise durch Österreich, gedruckt 1829 in Wien und neu herausgegeben und kommentiert von Gabriele Goffriller (Jung und Jung 2009).

Montag, 6. Juli 2009 von Karin S. Wozonig
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Reisezeit: Betty Paoli über die Steiermark

… das schöne Steiermark that sich vor uns auf. Ich möchte dies Land den Smaragd in Oesterreichs Krone nennen, so licht, so frisch und grün breitet sich’s vor dem Blicke aus … Der Charakter des Landes ist von einer unbeschreiblich heitern Lieblichkeit, an der man sich erfreut, ohne weiter nach Seen, Alpenfirnen und Wasserfällen zu fragen.

Betty Paoli: „Reise-Memoiretten“, Lloyd, 6. 11. 1852

Freitag, 1. Mai 2009 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und der italienische Freiheitskampf

Eine besondere Stellung in ihrer lyrischen Produktion nimmt Paolis Gedichtband Romancero ein. […] Der Romancero erschien 1845 und ist Bettina von Arnim gewidmet, was schon bei Erscheinen des Buchs als Reverenz an Arnims Werk Das Buch gehört dem König (1843) und der darin enthaltenen Kritik am Feudalismus bzw. dem Plädoyer für die Demokratie gewertet wurde. […]

Eine weitere Ballade aus dem Gedichtband Romancero ist „Maria Pellico“, in deren Mittelpunkt der innere Kampf der Schwester des Freiheitskämpfers Silvio Pellico steht, der für seine Beteiligung am italienischen Freiheitskampf zu fünfzehn Jahren Kerker verurteilt wurde. Die zu Beginn der Ballade ausgedrückte Zuversicht, dass der Freiheitskampf erfolgreich sein würde („Du lebst! Nicht ehern sind des Kerkers Wände,/ Der Menschheit Geist nicht ewig eingezwängt,/Ein Tag kommt, der die Fesseln deiner Hände/ Und alle Burgen der Despoten sprengt!“) wird zur Vorlage für den inneren Konflikt Maria Pellicos, für die Schilderung ihrer Jugend, in der sie unter Anleitung ihres großen Bruders Natur-, Menschen- und Freiheitsliebe lernte, für ihren Konflikt mit ihrer Familie, als sie beschließt, aus Gram über Silvio Pellicos Schicksal ins Kloster zu gehen.

[…] Es ist auf die politischen Implikationen des Romancero zurückzuführen, dass Betty Paoli im 1846 anonym erschienenen, fiktiven Actenmässigen Bericht über die erste Versammlung deutscher Schriftstellerinnen… zu jenen gehört, die nach einer flammenden Rede von Ida Frick, die mit den Worten endet: „Freiheit, Gleichheit! Gleichheit, Freiheit walte unter uns. Wer meine Ansicht theilt, gebe es durch Aufheben der rechten Hand zu erkennen.“ die Hand hebt. So wie „die hochachtbare Bettina“, Helmina von Chezy, Louise Otto und Kathinka Zitz-Halein wird vom anonymen Verfasser des Berichts auch Paoli als revolutionär gesinnt eingestuft.

Auszug aus: Karin S. Wozonig: Betty Paolis Reise nach Venedig im Jahr 1846. In: ForumVormärzForschung, Jahrbuch 2008, 14. Jahrgang, Wege in die Moderne. Reiseliteratur von Schriftstellerinnen und Schriftstellern des Vormärz. Hg. von Christina Ujma. Bielefeld 2009. S. 193-204.

Dienstag, 20. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Lust und Leid des Reisens

„Als die Fürstin Schwarzenberg im Revolutionsjahr 1848 starb, zog Betty Paoli nach Dessau, um dort als Gesellschafterin der Gräfin Bünau zu arbeiten. Bei Besuchen in Berlin aktivierte sie den Kontakt zu Karl August Varnhagen von Ense: „Sonnabend, den 3. Nov 1849 […] Unerwarteter Besuch von Fräulein Betty Paoli, die vor vier Jahren mit der Fürstin von Schwarzenberg hier war. Sie ist sehr angenehm, voll Verstand und Sinn.“  Einer Modeerscheinung folgend fuhr Paoli im Jahr 1850 für drei Monate nach Paris, ausgestattet mit zwei Briefen an Heinrich Heine. […] Über ihren Aufenthalt in Paris schrieb Paoli nach ihrer Rückkehr mehrere Feuilletons für den Lloyd. […] Zwei Jahre später erscheinen im Lloyd Feuilletonbeiträge von Betty Paoli, die der Gattung des Reiseberichts näher kommen als die „Pariser Eindrücke“.  In diesen Texten beschreibt Paoli eine Reise nach Italien […]

Wenn Jemand das Reisen aufrichtig aus tiefster Seele verabscheut, bin ich’s; wenn Jemand den zauberischen Reiz des Lebens in Schlafrock und Pantoffeln gerührt zu würdigen weiß, bin wieder ich es. Und gerade mich muß es treffen, rastlos umherzuwandern, mich, die ich so gern in meiner Klause bleiben und Tag für Tag zur selben Stunde dasselbe thun möchte, eine lebendige Uhr für die ganze Nachbarschaft. […] An einem schönen Junitag verließ ich Wien, wehmüthig den Genüssen entsagend, die man niergends anders als in seinen vier Pfählen zu finden hoffen darf. Zur beliebigen Stunde aufzustehen, beim Frühstück zwischen jedem Nippen an der Tasse eine Schaar doppelt lieblicher, weil wacher Träume vorbeidefilieren zu lassen […] – das waren die Freuden, die ich für eine Weile aufgab, und welcher Ersatz harrte meiner dafür? Bei Tagesanbruch mit dem Schreckensruf geweckt zu werden: „Es ist keine Zeit mehr zu verlieren!“ schlaftrunken in die Kleider zu fahren, in der Hast der Abreise die Hälfte meiner Toilette-Requisiten im Gasthof zu vergessen, endlich in einem mit Menschen angefüllten Waggon geschoben zu werden, dessen Wärmegrad mit dem eines Orchideenhauses auf gleicher Höhe […]“

Ähnlich umfangreich wie die „Reise-Memoiretten“ von 1852 sind die in der Neuen Freien Presse in den Jahren 1870 und 1871 erschienen „Reisestationen“. Hier berichtet Paoli über die Meinung ihres Arztes, der sie zur Reise gedrängt habe und erinnert sich dabei an ihre frühere Italien-Reise, die sie aus Gesundheitsgründen angetreten hatte:

Rasch war mein Entschluß gefaßt, so schwer es mir auch fiel, noch weitere Länderstrecken zwischen mich und die Heimat zu legen. Es mußte sein. Mein Arzt hatte erklärt, das Reisen sei eine absolute Nothwendigkeit für mich; alle meine Freunde hatten sich dieser Meinung angeschlossen und noch den Rath hinzugefügt: „Je weiter, desto besser.“ Nach dieser schönen Einstimmigkeit zu schließen, muß ich nicht nur krank, sondern auch unausstehlich sein. […]

Aus: Karin S. Wozonig: „So streifet mein Begehren, hin durch die weite Welt…“ Betty Paoli auf Reisen. In: Austriaca 62 (2006) S. 113-123.