Im Rahmen: Marie von Ebner-Eschenbach
Falls Sie Literaturwissenschaftler(in) in Ausbildung sind und nicht wissen, auf welche Epoche Sie sich spezialisieren sollen, hier ein Tipp: Wählen Sie das neunzehnte Jahrhundert. Ihre Karrierechancen sind damit unwesentlich geringer als die Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die sich für z. B. die Postmoderne entschieden haben und Sie können die originelleren Konferenzen besuchen. Oder haben Sie schon einmal von einem Derrida-Symposium gehört, bei dem eine Kastellanin einen Vortrag gehalten hätte? Eben.
Die Konferenz „Marie von Ebner-Eschenbach. Dichterin dreier Jahrhunderte (1830-1916-2016)“ in Brno (Brünn) war ein glänzendes Beispiel für die Besonderheit einer Forschercommunity, die sich mit ganzer Energie einem Thema widmet, sich seiner annimmt, es hegt und pflegt und über die Fächer-, Sprach- und Landesgrenzen hinweg entfaltet. Vom großen sozialhistorischen Bogen über den pädagogischen Eros des Rittmeisters Brand bis hin zu Fotos und Originalhandschriften als Anschauungsobjekten war alles vertreten, was Erkenntniszuwachs verheißt. Wenn Sie erwarten, dass jetzt ein wissenschaftlicher Konferenzbericht folgt, muss ich Sie enttäuschen. Die Vorträge waren interessant, aber ich erzähle Ihnen hier lieber etwas über das Rahmenprogramm, das das Leben und das Werk der großen Schriftstellerin in die (mobile und immobile) Gegenwart holte.
Bei Ausflügen, die durch die Landschaft führten, die laut Programm „im Werk von Marie von Ebner-Eschenbach ihre Spur hinterlassen hat“ – übrigens eine Landschaft, die jetzt gerade (Ende April) in beinahe einschüchternder Pracht frühlingshaft blüht – konnten die Tagungsteilnehmer Schlösser der Familie Dubsky und anderer besichtigen. Die Immobilien befinden sich in unterschiedlich gutem baulichem Zustand, von vorbildlich restauriert (Lysice) bis zu erbärmlich vernachlässigt (Zdislavice). Während in Lysice das Rahmenprogramm nicht nur aus einer Führung durch die Ebner-Eschenbach-Ausstellung, sondern auch aus einem Konzert mit Werken von Moriz Ebner von Eschenbach bestand, läuft man bei einer Besichtigung des Schlosses Zdislavice Gefahr, buchstäblich aus dem Rahmen (Tür- bzw. Fenster-) zu fallen und denselben dabei mit sich in die Tiefe zu reißen. Nur die Gedenkstätte (Gruft) auf dem Gelände wird gerade mit Hilfe von tschechischen und ausländischen Freiwilligen restauriert. Auf der Website des Czech National Trust kann man das Projekt unterstützen.
In Hoštice befindet sich eine der Büsten Ebner-Eschenbachs, deren Zuschreibung, Provenienz, Aufstellung etc. so geheimnisumwoben sind (zumindest erschien es mir so – ich bin an der Stelle ausgestiegen, an der Marie von Ebner-Eschenbach in Rom Modell gesessen hat, als sie gar nicht in Rom war), dass der Genius loci (näher lässt sich die Quelle nicht bestimmen) von einer dubskyosen Angelegenheit spricht.
In Litenčice und Uhřice hatten die sachkundigen und großzügigen Schlossbesitzer kleine Ausstellungen und eine Bewirtung vorbereitet. Die beiden Immobilien befinden sich in der Makler-Kategorie „Sie-haben-Mut-und-handwerkliches-Geschick“. Die Familien Podstatzky bzw. Jarka, die den Fortbestand dieser Schlösser sichern, haben die ewige Dankbarkeit bau- und kulturhistorisch Interessierter verdient.
Ein solches Rahmenprogramm plus: großzügige Bewirtung, schöne Unterkunft und ein reibungsloser Ablauf sind natürlich nicht umsonst zu haben. Die Koordinatoren Mojmír Jeřábek und Eleonora Jeřábková mussten da schon eine ganze Reihe an Sponsoren finden, damit das funktioniert – Hut ab und vielen Dank.
Wenn ich das richtig sehe, sind in Brünn und Umgebung dieser Tage einige Prozesse angestoßen worden, deren weitere Entwicklung interessant wird. Deshalb wünsche ich mir eine Wiederholung der Veranstaltung in nicht allzu ferner Zukunft – schon allein, damit wir einen Blick auf die Baufortschritte werfen können.