Donnerstag, 28. April 2022 von Karin S. Wozonig
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Höchste Zeit für ein Frühlingsgedicht

Frühlings Kommen

Der Wächter auf den Zinnen
Treibt gar gewaltgen Spuk.
Sieht er wohl Gäste kommen?
Er schreit: »Guck, guck! Guckguck!«

Ein Diener auf sein Rufen
Herum im Hause geht,
Der nimmt die weißen Hüllen
Vom schimmernden Gerät.

Ein andrer breitet Teppich,
Milchfarb und rosenrot;
Baumwollen das Gewebe:
Der Baum die Wolle bot.

Drauf kommen Musikanten,
Sie stimmen, proben nie,
Und doch, kommts nun zum Spielen,
Wie herrlich stimmen sie.

Ein Vorhang, rot von Seide,
Fliegt weichend von der Tür,
Der Pförtner, golden schimmernd,
Kommt öffnend draus herfür.

Halb zieht er nur den Vorhang,
Daß Tag und Dunkel gleich,
Da tritt herein der Fremdling,
Ein König in sein Reich.

Was Augen hat, schließt auf sie,
Im Garten Haupt an Haupt,
Am Raine schiebt und drängt sichs,
Die Gänge stehn umlaubt.

Am Tor auch pochts des Herzens.
Willst hier auch freien Lauf?
Nun, bringst du schöne Lieder,
So mach ich dir wohl auf.

Franz Grillparzer

Donnerstag, 28. April 2022 von Karin S. Wozonig
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Muster deutscher Redekünste – Vorwort

Seit den letzten Dezennien erfreut sich die deutsche Literatur einer besonderen Würdigung und Gunst in allen Ständen. Lesebücher, Sammlungen, Anthologien u. dgl. werden an allen öffentlichen und Privatschulen in Deutschland eingeführt und mit der Jugend gelesen. Dies und insbesondere der Mangel einer den ganzen Umfang der Redekünste umfassenden Sammlung hat mich bestimmt, eine Ausgabe von Mustern deutscher Redekünste mit besonderer Rücksicht auf neuere Literatur zu veranstalten, die zugleich den Verhältnissen unserer vaterländischen Jugend angemessen wäre; wobei ich zuvörderst die Bildung des jugendlichen Gefühls für alles Wahre, Schöne und Gute, zunächst aber die Kenntniß der Redekünste nach ihren mannigfaltigen Formen bei der Jugend zu befördern beabsichtige, um dieselbe durch Ausbildung des Geschmacks zu überzeugen, daß Versemachen nicht schon Poesie sei, und daß ein gewöhnlicher prosaischer Aufsatz, korrekt geschrieben, oft mehr Bildung benöthige, als es die Jugend zu denken gewohnt ist.

Möge der Jüngling immerhin seinen Geschmack an Dichtern bilden, nur soll sich keiner, dem einige Verse gelingen, für berufen halten, dieselben sogleich der Nachwelt übermachen zu müssen.

Die Menge der Dichterlinge und ihrer Produkte war es eben, welche die Poesie so in Miskredit gebracht hat, daß die jüngere Schwester mit ihrem hellstralenden Haupte nur mit Mühe aus diesem Schwalle emportauchen konnte. […]

Muster deutscher Redekünste mit besonderer Rücksicht auf neuere Literatur zur Bildung des Geschmacks und des Stils. Herausgegeben von Wilhelm Podlaha, Wien 1842.
Freitag, 1. April 2022 von Karin S. Wozonig
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Thomas Stangl. Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber es gibt einen aktuellen Anlass:

Österreichischer Kunstpreis für Literatur
Preisträger: Thomas Stangl
Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.
Jury: Dr. Bernhard Fetz, Mag.a Sabine Gruber und Dr.in Brigitte Schwens-Harrant

Jurybegründung:
„In eine Zeit, in der selbstgewiss verlautbarte Standpunkte aufeinanderprallen, stellt Thomas Stangl seit seinem Debüt Der einzige Ort (2004) seine Literatur, in der die Möglichkeiten der Sprache ausgelotet werden, mit der sich „Wirklichkeit“ erst erkunden lässt. Mit seinen Romanen, Erzählungen und Essays legt Stangl ein poetisches Netz über die Wirklichkeit und bereist und befragt diese damit. Er steht in der Tradition eines Prosaschreibens, das nicht zuerst auf die erzählte Geschichte baut, sondern auf die Wahrnehmung von Welt, die beeinflusst ist von Sprache, Denken und Erinnerung. Thomas Stangl eröffnet einen Raum der Verwandlung, der zugleich den Blick auf die Verhältnisse schärft.“