Frühlings-Bimbam à la Nachahmer von Heine
Im Frühling wächst die Blume,
Es geht der Kelch schön auf.
Im Frühling kommt die Muhme,
Da geht das Herz mir auf.
Im Frühling kommen Blätter,
Sie säuseln auf und zu,
Im Frühling kommt der Vetter,
Wir spielen blinde Kuh!
Im Frühling liebt der Schäfer
Die Schäferin, auch zwei!
Ich liebe wie ein Käfer,
Das macht die Poesei!
(Moritz Saphir, 1837)
Von Zeit zu Zeit berichte ich in diesem Blog über die schöne literaturwissenschaftliche Tradition des Ecocriticism, der sich mit dem Zusammenhang von Literatur und Natur befasst. Heute nütze ich die Gunst des Datums, um einen Text von Jean Paul zu zitieren, der sich durch allerbeste „literarische Biologie“ (auch wenn der Leiter der „Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition“, Helmut Pfotenhauer, das vielleicht anders gemeint hat) und mehrdeutigen Humor auszeichnet.
Geneigteste Freunde und Freundinnen!
Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; – und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 21ten März; – und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 11/2 Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.
Jean Paul: Selberlebensbeschreibung (1818/1819, Druck 1826)
Ein Thema des Salongesprächs über die Natur im Buch, das mitzugestalten ich vorige Woche das Vergnügen hatte, war die Frage danach, wieviel an unseren Naturvorstellungen kulturell gemacht ist. In der FR von gestern findet sich ein Interview mit dem Historiker Joachim Radkau, in dem er dieser Frage nachgeht. Unter anderem meint er:
Ich denke, es müssen mehr Human- und Kulturwissenschaftler an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, die sich über den Konstruktionscharakter von Natur bewusster sind. Natur gibt es ja wirklich, aber wenn wir von Natur reden, dann meinen wir zumeist ein Konstrukt, das wir im Kopf haben – was durchaus auch seinen praktischen Wert hat: Man geht sensibler mit ihr um.
Das finde ich auch. Und ein beträchtlicher Teil dieses Konstrukts basiert auf literarisierter Natur – oder ist literarisierte Natur.
Die literaturwissenschaftliche Perspektive des ecocriticism stellt einen Zusammenhang zwischen Literatur und Natur her. In meiner Einleitung zu einer Lesung von Christine Büchner und Andreas Maier, die gemeinsam das Buch „Bullau. Versuch über Natur“ geschrieben haben, stelle ich einige Positionen des ecocriticism anhand dieses literarischen Texts vor. Zu der Einleitung wurde ich von Karin Heuer von umdenken e.V. eingeladen. Den Text der Einleitung können Sie hier herunterladen.