Die Literaturbeilage der Washington Post wird nicht mehr gedruckt. Literaturkritik wird es trotzdem geben, vielleicht sogar mehr als früher, denn die online-Version hat theoretisch unendlich viel Platz. Also: Es ist nicht der Untergang des Abendlandes. Aber es wird sich etwas ändern. Denn das Schreiben über das Lesen im Netz ist anders, als das Schreiben über das Lesen für ein (abgeschlossenes) Printmedium. Oder wie es Wieland Freund in der „Welt“ sagt:
Wer allerdings meinte, die Kritik würde von ihrer Verpflanzung vom Analoge ins Digitale darüber hinaus nicht berührt, hat seine „Aufschreibesysteme“ nicht gelesen: Wie und wo und womit man schreibt, schreibt sich ins Schreiben nämlich ein
„In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts kann der kluge Beobachter Hieronymus Lorm die schöne Literatur als mickriges Kraut auf humusreichem, sicherem Felde betrachten, denn:
Der Schriftsteller ist demnach in Oestreich nur eine Ausnahme und kann den Prinzipien des Staates gegenüber nicht zur Anerkennung seiner unhemmbaren Nothwendigkeit gelangen, gleich dem Bürger, Handwerker oder Beamten; er ist ein exotisches Gewächs, das unter den nützlichen Kohlrüben als eine zwecklose und höchstens nicht unschöne Zierde des Staatsfeldes dasteht und kümmerlich und verkrüppelt fortvegetiert.
Randständig, aber das auf halbwegs festem Grunde ist sie zu diesem Zeitpunkt, die Literatur. Doch das währt nicht lange, denn die Flut bricht ein und statt des einförmigen Strangs würdiger Werke, an den man sich seit der Goethezeit gewöhnt hat, kommt: Massenware. Sogar Frauen beginnen zu publizieren!“ (aus: Karin S. Wozonig: Über die Drainagekritik. In: sinn-haft (12/2002) S. 38)
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