Ausschluss der Autorinnen aus demokratischen Prozessen

Vor einiger Zeit habe ich bei einer Konferenz über Autorinnen im Vormärz gesprochen. Jetzt ist daraus ein Beitrag geworden, und zwar in einem sehr hübschen Buch, herausgegeben von Robert Seidel und Bernd Zegowitz. Das Buch trägt den Titel Literatur im Umfeld der Frankfurter Paulskirche 1848.

Über den „Actenmäßiger Bericht über die erste Versammlung deutscher Schriftstellerinnen, gehalten zu Weimar am 5., 6. und 7. October 1846“ zu schreiben, war mir ein großes Vergnügen. Es handelt sich bei dem „Bericht“ um eine Satire, die ein Panorama der Beteiligung von Autorinnen am literarischen Leben bietet. Der anonyme Autor des Berichts kennt sie alle, die Verfasserinnen von Almanachnovellen, von Liebeslyrik und Kochbüchern, die Übersetzerinnen und Reiseschriftstellerinnen seiner Zeit. Er nennt sie mit Namen und lässt sie bei dem Versuch aufeinandertreffen, ihre gemeinsamen Interessen in einer Versammlung zur Sprache zu bringen.

Wir begegnen in der Satire Annette von Droste-Hülshoff, der zu diesem Zeitpunkt noch anonym veröffentlichenden Fanny Lewald, Bettina von Arnim, Louise Otto-Peters, Louise Aston (auch sie tritt anonym auf) und noch so einigen schreibende Frauen (insgesamt ca. achtzig), die im Vormärz den Herren Schriftstellern und Dichtern den Angstschweiß auf die Stirn getrieben haben.

Auch der Verfasser des „Actenmäßigen Berichts“ bedient sich des misogynen Diskurses, aber er hat sich ausführlich mit den Autorinnen beschäftigt, über die er sich lustig macht. Seine Fanny Lewald bringt einen Trinkspruch auf die Bestsellerautorin Ida Hahn-Hahn aus:

Ob auch an ihr nagt neid’scher Männer Wahnzahn
Uns ewig lieb, hoch! Ida Gräfin Hahn-Hahn!

Und Betty Paoli legt er folgenden Redebeitrag in den Mund:

Wer freilich Schriftstellerin werde, um nicht Haushälterin zu werden, oder Nähjungfer, oder Ladenmamsell, dem möge das (Lernen von anderen) ganz nützlich dünken, damit wolle sie (Paoli) den hochachtbaren Damen, die von ihrer Feder leben müßten, keineswegs zu nahe treten; unsere Zeit sei nun einmal so und von der Feder leben immer besser als von der Nähnadel, aber Talent gehöre zu Allem und lernen und eintrichtern lasse sich das einmal nicht.

Im größeren Zusammenhang der Literatur im Umfeld der Paulskirche demonstriert die Satire, dass ihr Ausschluss aus den vormärzlichen demokratischen Prozessen enorme Nachteile für schreibende Frauen hatte.

Sonntag, 24. Mai 2009 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli intertextuell

Auf dem Portal readme.cc ist eine Besprechung des Romans „Schloß und Fabrik“ von Louise Otto-Peters zu lesen. Den 23 Kapiteln dieses Buchs sind Zitate aus Werken zeitgenössischer Autorinnen und Autoren vorangestellt. Vertreten sind unter anderem Anastasius Grün, Ferdinand Freiligrath und Georg Herwegh. Vier Kapitel werden von Zitaten von Betty Paoli eingeleitet:

„Was er mir ist? O, frage Blumenkelche,
Was ihnen wohl der Thau, der sie besprengt?“

„Herz ward vom Herzen blutend losgerissen,
Und jetzt auf meinem Sterbelager muß
Ich Deines Anblicks süßen Trost vermissen.“

„An dem hellsten Sommertag,
Unter Zweigen lichtdurchbrochen,
Bei der Lerchen Jubelschlag
Hab‘ ich Dich zuerst gesprochen.“

„O heilge Stunde, wo in Gottes Strahl
Zwei Menschenherzen ineinander schauen.“

Freitag, 1. Mai 2009 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und der italienische Freiheitskampf

Eine besondere Stellung in ihrer lyrischen Produktion nimmt Paolis Gedichtband Romancero ein. […] Der Romancero erschien 1845 und ist Bettina von Arnim gewidmet, was schon bei Erscheinen des Buchs als Reverenz an Arnims Werk Das Buch gehört dem König (1843) und der darin enthaltenen Kritik am Feudalismus bzw. dem Plädoyer für die Demokratie gewertet wurde. […]

Eine weitere Ballade aus dem Gedichtband Romancero ist „Maria Pellico“, in deren Mittelpunkt der innere Kampf der Schwester des Freiheitskämpfers Silvio Pellico steht, der für seine Beteiligung am italienischen Freiheitskampf zu fünfzehn Jahren Kerker verurteilt wurde. Die zu Beginn der Ballade ausgedrückte Zuversicht, dass der Freiheitskampf erfolgreich sein würde („Du lebst! Nicht ehern sind des Kerkers Wände,/ Der Menschheit Geist nicht ewig eingezwängt,/Ein Tag kommt, der die Fesseln deiner Hände/ Und alle Burgen der Despoten sprengt!“) wird zur Vorlage für den inneren Konflikt Maria Pellicos, für die Schilderung ihrer Jugend, in der sie unter Anleitung ihres großen Bruders Natur-, Menschen- und Freiheitsliebe lernte, für ihren Konflikt mit ihrer Familie, als sie beschließt, aus Gram über Silvio Pellicos Schicksal ins Kloster zu gehen.

[…] Es ist auf die politischen Implikationen des Romancero zurückzuführen, dass Betty Paoli im 1846 anonym erschienenen, fiktiven Actenmässigen Bericht über die erste Versammlung deutscher Schriftstellerinnen… zu jenen gehört, die nach einer flammenden Rede von Ida Frick, die mit den Worten endet: „Freiheit, Gleichheit! Gleichheit, Freiheit walte unter uns. Wer meine Ansicht theilt, gebe es durch Aufheben der rechten Hand zu erkennen.“ die Hand hebt. So wie „die hochachtbare Bettina“, Helmina von Chezy, Louise Otto und Kathinka Zitz-Halein wird vom anonymen Verfasser des Berichts auch Paoli als revolutionär gesinnt eingestuft.

Auszug aus: Karin S. Wozonig: Betty Paolis Reise nach Venedig im Jahr 1846. In: ForumVormärzForschung, Jahrbuch 2008, 14. Jahrgang, Wege in die Moderne. Reiseliteratur von Schriftstellerinnen und Schriftstellern des Vormärz. Hg. von Christina Ujma. Bielefeld 2009. S. 193-204.