Leuchtendes Namedropping

Evelyne Polt-Heinzl hat mit „Raxleuchten I“ eine schöne Collage aus Texten zum Thema Reichenau und Umgebung zusammengestellt. Gelesen und gespielt werden sie von Anna Maria Krassnigg und Martin Schwanda mit höchst präziser und gefühlvoller Musikbegleitung durch das Simply Quartet-Quartett. Das findet in einem einfachen, effizienten Bühnenbild statt, gestaltet von Lydia Hofmann in Kooperation mit Mutter Natur, die die Aussicht vom Thalhof einschließlich Nebelschwaden, Sonnenschein und zuverlässig auch Regen liefert, von denen in den vorgetragenen Gedichten, Briefen, Tagebüchern und Zeitungsfeuilletons die Rede ist.

Von Wanderlust (Ludwig Gabillon) und Arbeitsurlaub mit Herzschmerz (Lenau), von touristischer Erschließung (Daniel Spitzer) und gesellschaftlicher Bedeutung (Johann Nestroy) ist die Rede. Es dichten über Steine und Schmetterlinge: Feuchtersleben und Hebbel; es beschwert sich über das Wetter: Marie von Ebner-Eschenbach. Und am Ende kommt Bettina Holzapfel-Gomperz zu Wort, die Nichte vom Schwippschwager von Helene Bettelheim-Gabillon. Und jetzt kommt der Hammer: Auch ein O-Ton von Betty Paoli (es geht – nicht untypisch – um eine Augenentzündung) ist auf der Bühne zu hören, danke, danke, danke!

Und damit nicht genug. Im vorausgehenden höchst informativen und kurzweiligen Salongespräch nach einem Namen gefragt, den man sich merken sollte aus der Riege der kaum bis gar nicht mehr bekannten Autorinnen und Autoren, antwortet Evelyne Polt-Heinzl: Betty Paoli. Was die kann, das wissen Sie, liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, das erzähle ich Ihnen da ja schon seit 2008. Was die anderen Reichenau-Rax-Thalhof-Besucherinnen und -Besucher des neunzehnten Jahrhunderts zu sagen haben, sollten Sie sich anhören: Raxleuchten I spielts noch bis 27. August.

Lebendiges Gespräch über Marie von Ebner-Eschenbach

In Wien wurde bei einer internationalen Tagung über Marie von Ebner-Eschenbach gesprochen: informiert, neugierig, im besten Sinne wohlwollend gegenüber dem wissenschaftlichen Gegenstand und gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.

Vom Eröffnungsvortrag von Peter C. Pfeiffer, der über starke Anfänge und abgetönte Schlüsse bei Ebner-Eschenbach gesprochen hat, bis zum letzten Beitrag von Ulrike Tanzer (sie war gemeinsam mit Kyra Waldner für die Organisation der Tagung zuständig und ist dafür verantwortlich, dass demnächst der Briefwechsel von Marie von Ebner-Eschenbach und der theuersten Baronin! Josephine von Knorr erscheinen wird): Bei allen Vorträgen habe ich Lust auf mehr bekommen, auf mehr Ebner-Eschenbach – das ist klar -, aber auch auf weitere und tiefere Einblicke in die Ebner-Eschenbach-Forschung.

Da spricht z. B. Daniela Strigl, Verfasserin einer gerade erschienen Ebner-Eschenbach-Biografie, über die Autorin als Reiterin, ein Thema, über das ich immer schon mehr wissen wollte; Irene Fussl über Das tägliche Leben (lesen!); Lina Maria Zangerl über die Konstruktion von Autorschaft in besagtem Briefwechsel; Walter Hettche über Paul Heyse; Marie Luise Wandruszka über „politischen Realismus“.

Ich habe mich vor einigen Jahren gefragt, was die historisch arbeitenden Literaturwissenschaftler(innen) aus der Person Marie von Ebner-Eschenbach gemacht haben (Anlass war ursprünglich ein Vortrag, niedergeschrieben habe ich meine Überlegungen für die Brücken). Mein ganz persönlicher Eindruck  damals (vor sieben Jahren) war, dass Marie von Ebner-Eschenbach für die Literaturwissenschaft seit Anton Bettelheim (das ist der Mann von Helene Bettelheim-Gabillon) leblos und abstrakt ist und reduziert auf Ideen mit Etiketten (feministische, sozialkritische, humanistische etc.). Bei der Tagung habe ich mich mit Vergnügen eines Besseren belehren lassen. Ich weiß jetzt, dass es eine lebhaft an der weiteren Erforschung Ebner-Eschenbachs interessierte Community gibt, die nicht nur den Figuren der Autorin sondern der Autorin selbst psychologische Tiefe und Leben zugesteht; die Ebner-Eschenbach zu Pferde über Gräben springen, politisch ambivalent sein oder in Briefen Gehässigkeiten äußern lässt… oder was man halt so macht, wenn man das Leben der Marie von Ebner-Eschenbach führt.

Nun wäre ich mit dieser Korrektur meines Eindrucks von der Literaturwissenschaft und durch die intellektuellen Anregungen der Vorträge schon ganz zufrieden gewesen und hätte gesagt: Gute Tagung, hat sich gelohnt. Dann gab’s da aber noch die erhellenden Gespräche in den Kaffeepausen und beim geselligen Teil der Tagung. Das wäre dann also: sehr gute Tagung! Aber was für mich persönlich die Sache perfekt gemacht hat, war eine besondere Begegnung. Nach über zwanzig Jahren der Beschäftigung mit Betty Paoli (puh, das hat jetzt aber gedauert…), habe ich bei dieser Tagung in Wien endlich Eda Sagarra persönlich kennen gelernt. Warum, so fragen Sie jetzt vielleicht, ist das denn wichtig?

Also das war so: Wenn man z.B. bei Sengle geschrieben findet, Grillparzer habe eine gewisse Betty Paoli als „größten Lyriker“ bezeichnet und man möchte wissen, wer diese Frau ist – wo schaut man dann nach? Im Killy. Und da stand der Eintrag von Eda Sagarra, der mich darauf gebracht hat, mich mit dieser gewissen Betty Paoli weiter zu befassen.

Und weil ich das gemacht habe, weiß ich, dass Betty Paoli, diese gescheite Frau, gleich gesehen hat, dass Marie von Ebner-Eschenbach etwas Besonderes ist und etwas Besonderes schafft. Und was hält Marie von Ebner-Eschenbach von Betty Paolis kritischer Kompetenz? Zitat aus dem Tagebuch von 1876:

Heut also das 20t Kap: beendet. Bei Ida gespeist u. nachmittag gelesen den Schluß. Betty Paoli war zufrieden u. so komme ich mir vor wie unverwundbar weil in Drachenblut gebadet.

Sonntag, 6. November 2011 von Karin S. Wozonig
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Mädchenbildung

Am 7. November 1875 schenkt Betty Paoli ihrer späteren Biographin Helene Bettelheim, geboren am 7. November 1857, das Buch „Die Entstehung der Civilisation und der Urzustand des Menschengeschlechtes, erläutert durch das innere und äußere Leben der Wilden“ von John Lubbock mit einem Vorwort von Rudolf Virchow (Jena 1875).

Mittwoch, 5. Mai 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und Sigmund Freud

Betty Paoli schreibt am 5. Mai 1888 an Helene Bettelheim-Gabillon:

Ich werde jetzt täglich von Dr. Freud electrifiziert, und genieße die Annehmlichkeit mich jeden Morgen um neun Uhr auf dem Schottenring einfinden zu müssen, denn der Apparat ist so mächtig groß, daß man ihn nicht Tag für Tag transportieren kann.

Mittwoch, 17. Februar 2010 von Karin S. Wozonig
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Pathologische Romane

Aus dem Tagebuch von Betty Paoli:

14.1. [1890]: Über Grillparzer und an Helene B. geschrieben. … Abends allein; Germinie Lacerteux zu Ende gelesen. Wenn doch alle diese pathologischen Romane der Teufel holte!