Donnerstag, 3. Juni 2010 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literatur

Der Beamte als Schriftsteller

Während Eduard Mautner an den kleinen Freuden des menschlichen Lebens noch immer so regen Antheil nimmt, ergibt sich ein anderer vaterländischer Dichter, Herr Cajetan Cerri, leider immer mehr tiefsinnigen Betrachtungen der bedenklichsten Art, wie die „Rückblicke und Ausblicke“ verrathen, die er in dem neuesten Bande der „Dioskuren“, des poetischen Jahrbuches des Oesterreichischen Beamtenvereins, veröffentlicht. Es ist interessant, daß die meisten österrechichen Dichter früher Beamte waren – ja, Müßiggang ist aller Laster Anfang! Ich glaube nicht, daß die Literarhistoriker schon hierauf ihr Augenmerk gerichtet haben. Nach meiner Ansicht erhalten viele unserer Beamten die dichterische Anregung durch ihre Vertrautheit mit den Schönheiten der Natur, deren geheimnißvolles Walten sie durch fortwährendes Hinausschauen zum Fenster während der Amtsstunden belauschen. Der k.k. Hof-Secretär Cerri hat diesmal die steife Uniform des Verses abgelegt und erscheint im ungezwungensten prosaischen Gedanken-Négligé.

Daniel Spitzer: Wiener Spaziergänge. NFP, 1. Januar 1881, S. 6f.

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