Freitag, 25. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Druckfehlerwürfel

Der Rec. des Rheinischen Taschenbuches in Nr. 16. S. 62. Sp. 1. Z.20. v. u. hat einen Druckfehler dieses Taschenbuchs angezeigt, aber dabey hat das Lit. Bl. wieder einen Druckfehler gemacht: l. lin. penult. st. lin. cenult (!!!) Es fehlt nur noch, daß auch bey dem Abdruck dieser gegenwärtigen Druckfehleranzeige ein Druckfehler begangen werde – das wird dann die dritte Potenz, ein Druckfehler cubus!

Aus: Morgenblatt für gebildete Stände. Literatur-Blatt Nr. 26, 30. März 1821

Dienstag, 22. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Parodie und Politik

Wie „Phil“ in einem Kommentar ganz richtig angemerkt hat, kann das von mir in diesem Blog kürzlich in Auszügen zitierte, parodistische Wanderlied von Rudolf Rodt ein Beispiel für eine überzeitliche politisch-ideologische Satire sein. Der Wanderlustige appelliert an den „Alten“ (seinen Vater), ihn an die Orte seiner Träume ziehen zu lassen, die er, der Wanderlustige, sich durchaus bunt ausmalt. Das Gedicht hat Rodt, alias Ludwig Eichrodt, „zum Deklamiren für die deutsche Schuljugend“ verfasst, was sich sehr deutlich in den sinnigen Versen der Strophe 8 zeigt:

Nach Algerien, nach Algerien
Laß mich in den Osterferien…

Allerdings wird schnell klar, dass die gemeinte Schuljugend der typische deutsche Student und vormärzliche Burschenschafter auf der Suche nach dem besseren Leben ist. Nicht nur die Zeilen

Nach Franzosien, nach Franzosien
Wo die Rebellion gieng losigen…

sondern auch die Erwähnung von „Newyorkien“ als Ort

Wo genest der Europarier,
Wo der letzte Proletarier
sich in seid’ne Tücher schneuzt…

und viele andere Stellen des umfangreichen Wanderlieds sind Anspielungen auf die Freiheits- und Einigkeitsbestrebungen der Studenten in den deutschen Landen. Und am Ende geht das „Gespenst“ von Marx und Engels um:

Nach Utopien, nach Utopien
Werd‘ ich ziehn nach allem Obigen,
Wo die luft’gen Schlösser sind.
Wo kein Scheiden und kein Meiden,
Wo man lebt in ew’gen Freuden,
Und der Kommunismus grünt –
Dahin, Alter, laß uns ziehn!

Montag, 14. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Biedermeier als Parodie

Das Grimmsche Wörterbuch weiß zum Begriff „Parodie“ zu sagen:

umbildung einer bekannten ernsten dichtung mit beibehaltung ihrer form ins scherzhafte oder spöttische, dann auch im übertragenen sinne (aus griech. parōdía neben-, gegengesang, dann umdichtung allgemein bekannter und berühmter gedichte, so dasz bei geringer veränderung der worte statt des erhabenen ein gemeiner und lächerlicher sinn hervorgeht.)

Aus dem Biedermann (vir bonus) ist mit wenigen literarischen Griffen ein Biedermeier zu machen und die begriffliche Gratwanderung entspricht der so bezeichneten Epoche.

Rudolf Rodt hat nicht nur an der parodistischen Epochenbezeichnung mitgewirkt, sondern auch ernste Dichtung mit Beibehaltung ihrer Form ins scherzhafte umgebildet. Während der „Taugenichts“ von Eichendorff spätromantisch-freudig „nach Italien, nach Italien!“ läuft, wo er das gute Leben findet und wo Goethes „Mignon“ von Zitronenblüten und Gold-Orangen träumt, „wohnt“ in Rodts Italien die mehrdeutige Pomeranze. Und so sieht der sehnsüchtige Wanderlustige aus Rodts Gedicht „Wanderlust“ (1849) Kalifornien:

Aber jetzt! nach Kalifornigen
Jagt es mir den Sinn den zornigen,
Der schon längst dahin geschwärmt:
Wo die goldnen Adern ziehen,
Durch die schweigenden Prairieen,
Und der Sakramenter lärmt –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Kalifornigen, nach Kalifornigen
Fang ich an das Lied von vornigen,
Wo der ew’ge Dollar rollt,
Wo es gelber wird und gelber,
Wo des Wandrers Adern selber
Wandeln sich in flüssig Gold –
Alter, dahin muß ich ziehn!

Dahin, wo bei Tropenhitze
Auch in der geringsten Pfütze
Noch ein echter Goldfisch irrt;
Wo die Quellen, die gefrieren,
Sich zu Gold statt Eis fixiren,
Wenn es jemals Winter wird –
Dahin, Alter, möcht ich ziehn.

Dort wo unter jeder Scholle
Von Dukaten eine Rolle
Schlummernd uns entgegen lacht;
Wo das Silber ist Lappaligen,
Wo der Mensch mit Viktualien
Glänzende Geschäfte macht –
Dahin, Alter, laß mich ziehn! –

Freitag, 11. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Wissenskulturen

Ich freue mich darüber, dass in das aktuelle Jahrbuch des Forum Vormärz Forschung ein Beitrag von mir über den komplexen Text „Zur Diätetik der Seele“ von Ernst von Feuchtersleben aufgenommen wurde. Ich danke den Herausgebern Gustav Frank und Madleen Podewski für diese Möglichkeit, an einer multiperspektivischen Behandlung der „Wissenskulturen des Vormärz“ mitzuwirken.

Je eingehender ich mich mit dem Biedermeier beschäftige, desto deutlicher überträgt sich die zeitgenössische Erschütterung aller Sicherheiten und die Problematik der Formulierung und Verfestigung neuer sozialer und ästhetischer Normen auf meine Erkenntnis. Und das meine ich im positiven Sinn.

Den Begriff „Biedermeier“ lerne ich immer mehr zu schätzen, einerseits als passenden Hinweis darauf, dass in der Zeit zwischen 1815 und 1848 das (Klein)Bürgertum zu einem relevanten kulturellen und politischen Faktor wurde, und andererseits, weil die weite Verbreitung der Bezeichnung das Ergebnis einer Paraodie ist. Einer ihrer Urheber ist Ludwig Eichrodt, der unter dem Pseudonym Rudolf Rodt unter anderem Gedichte mit dem Titel  „Dachstubenpoesie der Lenautiker“ und „Das Frauenauge und der elektromagnetische Telegraf“ verfasst hat. Sein Wanderlied beginnt mit den schönen Zeilen

Nach Italien, nach Italien!
Möcht ich, Alter, jetzt einmaligen!
Wo die Pomeranze wohnt…

Und dieses zu seiner Zeit durchaus populäre Gedicht, erschienen 1849 in den Fliegenden Blättern, enthält auch ein paar Strophen zum Sehnsuchtsland Kalifornien. Die erste davon lautet:

Aber jetzt! nach Kalifornigen
Jagt es mir den Sinn den zornigen,
Der schon längst dahin geschwärmt:
Wo die goldnen Adern ziehen,
Durch die schweigenden Prairieen,
Und der Sakramenter lärmt –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Die nächsten Strophen liefere ich in den kommenden Tagen hier in diesem Blog.

Dienstag, 8. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Auf dem Weg zum Untergang

In Vorbereitung auf die hier bereits mehrfach erwähnte Konferenz in Long Beach, bei der die Rolle Österreichs im Gefüge der Regionen, Staaten, Nationen und Landschaften aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurde, habe ich mich ausführlich mit nationaler Identität beschäftigt. Besonders fasziniert hat mich bei meiner Forschung, wie das Konzept der Nation aus prinzipiell vernünftigen, friedliebenden Menschen (z.B. Autoren) lauthals nach Krieg und Zerstörung schreiende Dummköpfe macht. Nun ist das keine neue Erkenntnis, vielmehr eine die sich z.B. auch durch die Lektüre von Karl Kraus‚ „Die letzten Tage der Menschheit“ (auch sehr zu empfehlen: die gekürzte Fassung gelesen von Helmut Qualtinger) oder Bertha von Suttners „Die Waffen nieder“ erlangen lässt. Und gerade habe ich Frederic Mortons Buch „Thunder at Twilight“ gelesen, die ausführlich recherchierte und gut erzählte Darstellung der Zeit unmittelbar vor „Ausbruch“ des Ersten Weltkriegs.

Grillparzer sagt es 1849 so:

Der Weg zur neuen Bildung geht
Von Humanität
Durch Nationalität
Zur Bestialität.

Freitag, 4. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Reisen bildet

Als „die Identifizierung von Merkmalen durch Vergleich mit einem vorliegenden Muster“ bezeichnet Meyers Taschenlexikon die Mustererkennung , die es uns erlaubt, auch in fremden Gefilden Erkenntnisse zu erlangen (eine Begriffs-Übertragung aus der Informatik). Im Hawelka gibt es auch immer noch ein Platzerl.

Fishermans Wharf Monterey

Fisherman's Wharf Monterey

Mittwoch, 2. Mai 2012 von Karin S. Wozonig
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Kreative Pause

Nach einer kreativen Pause, die mich unter anderem nach Long Beach zu einer Konferenz mit dem Titel aeiou geführt hat, bin ich zurück in meinem Blog, ein virtuelles Comeback sozusagen.

Die Konferenz war ausnehmend anregend, der Universitätscampus der Cal State Long Beach ist sehr schön. Es gab interessante Vorträge und Diskussionen, und was mich besonders beeindruckt hat, war das Engagement der Studierenden.

Ich habe bei der Konferenz über Hieronymus Lorm gesprochen, der unter anderem das Lormen erfunden hat. Flankiert war ich bei meinem Vortrag von Forschung zum 18. und zum 20. Jahrhundert, genau gesagt von Matthias Mansky, der in seinem Vortrag „Wiener Komödie und Londoner Theater um 1800: Zur Skurrilität eines marginalen Kulturtransfers“ unter anderem ein Beispiel für die Macht des Kanons geliefert hat – der „Postzug“ von Lessing! Und von Bianca Zaininger, die mich mit ihrer Analyse des „Rennbahn-Expreß“ in meine Jugend zurückgeführt hat.

Rund um die Konferenz habe ich eine kleine Reise durch Kalifornien gemacht und mich in Muster-Erkennung geübt. Ein Beispiel dafür folgt demnächst in diesem Blog.