Donnerstag, 8. Mai 2014 von Karin S. Wozonig
Schlagworte:
Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Welt | Keine Kommentare

Betty Paoli stellt Fragen

Ist es nicht eine seltsame Erscheinung, daß während ganz Europa in Waffen starrt und der menschliche Scharfsinn sich eifrigst mit der Erfindung neuer Mordmaschinen beschäftigt, die Propheten des ewigen Friedens immer zahlreicher werden? Wenige Monate nach dem Genfer Friedenskongreß ertönte neuerlichst im französischen Senat von Michel Chevaliers Lippen der orakelhafte Ausspruch: „Die Zeit der Kriege ist um.“ Jedenfalls meinte er es ernster als die in Genf versammelten Männer, die sehr wohl wissen, daß nur die furchtbarsten Kämpfe ihnen zur Herrschaft verhelfen können. …

Nun bleibt allerdings hier noch die Frage offen: Ist die Prophezeiung ewigen Friedens etwa nur verfrüht? etwa nur insofern irrig, als sie uns die Zustände, die  einst späte Nachgeschlechter beglücken werden, schon für die nächste Zukunft verheißt? Wenn wir noch tief genug in den Banden roher Leidenschaft und knechtisch dumpfen Sinnes liegen, um die Schlichtung jedes Streites der brutalen Gewalt zu übertragen, so folgt ja daraus noch nicht, daß unsere Epigonen sich nicht zu einer höheren Stufe menschlicher Entwicklung emporringen werden. …

Niemand wird es in den Sinn kommen, den ungeheuren geistigen Fortschritt zu leugnen, dessen Augenzeugen wir sind. Aber man vergesse das Eine nicht: der Einfluß der Civilisation erstreckt sich nicht weiter als auf den Intellekt des Menschen. Sie kann falsche Begriffe rektifiziren, Vorurtheile beseitigen, tausend Fäden anspinnen, an die sich das Wohl von Unzähligen knüpft, aber an dem innersten Kern des Menschen, an jener geheimnißvollen Macht, die immer gleich unerforschlich bleibt, ob man sie Dämon, Instinkt oder Wille nenne, vermag sie nicht das Geringste zu ändern. …

Mit Recht bestaunt man den ungeheuern Wissensschatz, den die Menschheit im Laufe der Jahrtausende zusammentrug; ist aber der Mensch durch ihn anders geworden? Bewegen sein Herz nicht heute noch dieselben Leidenschaften, von denen die urältesten Mythen sprechen? Sind in dem Maße, wie das Wissen sich vermehrte, Eigennutz und Ungerechtigkeit aus der Welt verschwunden? Ist die Gier, sich mit fremdem Gute zu bereichern, sind Ruhm- und Selbstsucht schwächer geworden, seit die Astronomen über den Lauf der Gestirne, die Physiologen über die verborgensten Geheimnisse des Lebens lichtvollen Aufschluß zu geben vermögen? …

Auszug aus Betty Paoli: „Die Friedensmänner“, 1868

Dienstag, 6. Mai 2014 von Karin S. Wozonig
Schlagworte:
Veröffentlicht in Welt | Keine Kommentare

Städte im Wandel

Das Hamburger „Schanzenviertel“ hat ein Problem mit der Gentrifizierung. Was ich bei meinem letzten Aufenthalt in Wien gelernt habe: Der Wiener Brunnenmarkt auch.