Montag, 30. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Die lyrische Frauenfrage

Am 30. August 1837 erschien im „Humorist“ ein Gedicht Betty Paolis, in dem sich das lyrische Ich Gedanken über die Frauenfrage auf poetischem Gebiet macht. Das Gedicht heißt „Die Dichterin“ und beginnt mit den Versen

Viel Muth braucht man in unsern Tagen,
(Ja Muth! nicht nur Beruf allein),
Sich an die Lira noch zu wagen,
Hat man das Unglück Weib zu sein.
Als Geißel in des Lebens Kreisen
Bezeichnet man die Dichterin,
Allein, wie dieses zu erweisen,
Will mir doch nimmer in den Sinn.

In diesem Zusammenhang sei auf Grillparzers Stammbuchspruch für die Autorin Josephine von Remekházy verwiesen.

Mittwoch, 25. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Reiseprojekte

Vor einigen Tagen berichtete ich über die 1837 von dem eloquenten Spötter M. G. Saphir gegründete Zeitschrift „Der Humorist“. Am 20. Oktober 1837 erschien in diesem Blatt das Gedicht „Reiseprojekte“ von Betty Paoli, das, da zur Saison passend, in seiner vollen Länge zitiert sei:

Reiseprojekte

Ihr hohen Kathedralen
Am alten, heil’gen Rhein,
Umspielt von tausend Strahlen,
Im hellen Sonnenschein;
Ihr stolzgethürmten Zinnen,
Auf Bergen rebumblüht,
O wie es mich von hinnen
In eure Nähe zieht!

Und wie’s mich sehnend ziehet
In’s schöne Frankenland,
Wo frei der Ölbaum blühet,
An blum’ger Bergeswand;
Wo aus dem Blättergrunde
Hell die Orange blinkt,
Und wo voll süßer Kunde
Vaucluse hernieder winkt!

Mein Rom, mein ewig hehres
Sorrent‚, Neapolis,
Du schöne Braut des Meeres,
Du irdisch Paradies,
Alhambra, edle Trümmer,
Und du, Escurial,
Erscheint ein Rosenschimmer
Dem Sehnen allzumal! –

So streifet mein Begehren,
Hin durch die weite Welt,
Und wer will mir verwehren
Zu zieh’n, wenn mir’s gefällt?
Das Leben steht mir offen,
Mich hält nicht Amt noch Pflicht
Hier fest, und auch kein Hoffen
Und Glück auch wahrlich nicht!

Von einem Jahr zum andern
Schob ich die Reise auf,
Begonnen sei das Wandern,
Der lebensrasche Lauf!
Will in die Weite streben,
Will morgen sein bereit!
„Gewiß?“ – O du mein Leben,
Stets morgen, niemals heut!

Freitag, 20. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Der feuilletonistische Witz von Saphir

Warum fürchten so viele Schriftsteller den Tod so sehr? Weil sie jenseits ganz leer ankommen werden, denn der Mensch nimmt nichts mit als seine guten Werke.
Moritz Gottlieb Saphir

Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858) war Kritiker und Feuilletonist. Er gründete 1837 die Zeitschrift „Der Humorist“, in der er seine polemischen Kritiken und spöttischen Kommentare zum Zeitgeschehen veröffentlichte. Damit legte er sich unter anderem mit Nestroy an. Eine Beiträgerin der Zeitschrift war Betty Paoli.

Samstag, 14. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die Biographie

Franzensbad, 31. Juli 1856

Theuerster Freund!

Wahrscheinlich haben Sie schon durch Ida die Angelegenheit erfahren, in welcher ich Ihnen heute schreibe. Herr Pfautsch will mein Portrait in dem Taschenbuch „Gedenke mein“ erscheinen lassen und besagtem Conterfei auch meine Biographie beigeben. Gegen eine solche habe ich mich nun entschieden erklärt. Bin ich einmal todt und es will sich Jemand die Mühe nehmen, meine Biographie zu schreiben, so kann ich es, leider! nicht hindern, aber so lange ich noch auf Erden wandle, fühle ich nicht den mindesten Beruf, vor dem Publikum eine Art Generalbeichte abzulegen. Biographien noch lebender Personen müssen entweder lügen- oder lückenhaft sein; wenn dieß nicht, sind sie noch Schlimmeres: eine Entweihung, die man seinem eigensten Wesen zufügt, um die Neugier und Klatschsucht der plumpen Masse zu befriedigen. … Ich habe mich also nur dazu verstanden, einige biographische Notizen zu liefern. Diesen flüchtigen Umrissen meines äußeren Lebens wäre es aber passend, ein Bild meines geistigen Seins beizufügen … Mein guter, treuer Freund! Sie erzeigen mir einen großen Liebesdienst und ersparen mir wahrscheinlich bedeutende Unannehmlichkeiten, wenn Sie die Arbeit, um die es sich hier handelt, übernehmen.  …
Leben Sie wohl, erfüllen Sie meine Bitte und gedenken Sie meiner in Freundschaft. Ihre Betty Paoli

Sonntag, 8. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli über Literatur und Entsagung

In der Zeit des Biedermeier ist das romantische Ideal von der Einheit von Kunst und Leben nicht aufrecht zu halten. Die Gesellschaft der sich emanzipierenden Bürger braucht zuverlässige Mitglieder, die ihre Leidenschaften zähmen und eine klare, effiziente Aufteilung der Sphären befolgen. Die Dichter der Zeit sind Grenzgänger zwischen den Welten, die sich den bürgerlichen Anforderungen entziehen und sie dadurch stabilisieren. Gilt das auch für die Dichterinnen? In diesem Beitrag wird das Werk der österreichischen Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli  (1814-1894) zu diesem Thema befragt…

Weiterlesen: Karin S. Wozonig: Kunst oder Leben. Betty Paoli über Literatur und Entsagung. In: Strategien des Entziehens: sinnhaft 22. Hg. von Hyperrealitätenbüro

Dienstag, 3. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Ein ungehaltener Brief von Marie v. Ebner-Eschenbach

Schon vorige Woche habe ich an dieser Stelle der anekdotischen Neugier das Wort geredet und aus einem Brief Marie von Ebner-Eschenbachs zitiert. Ich setze heute fort mit einem Auszug aus einem Brief der Schriftstellerin an Emerich du Mont, Verfasser des Werks Das Weib. Philosophische Briefe über dessen Wesen und Verhältniß zum Manne (Leipzig 1879). An ihn schreibt Marie von Ebner-Eschenbach zum Thema schreibende Frauen am 20. Dezember 1879:

Keinem Franzosen wird es einfallen, die Sévigné, die Stael, die Du Deffand, die Sand nicht zu seinen Klassikern zu zählen. Die Franzosen sind stolz darauf, daß die Reihe ihrer großen auf die Nation wirkenden Schriftstellerinnen von Marie de France bis auf Louise Ackermann nicht eine Lücke aufzuweisen hat. Ein Engländer würde sich gewiß wundern, wenn er uns leugnen hörte, daß der größte jetzt lebende Romanschriftsteller George Eliot ist oder daß Felicia Hemans, Lätitia Landon, Howitt, Norton, Wortley etc. in der Weltliteratur einen ehrenvollen Platz behaupten. Bei uns steht es anders. Bei uns hat eine neu erfundene Naturgeschichte die Entdeckung gemacht, daß die Frau an und für sich nichts ist, daß sie nur etwas werden kann durch den Mann, dem sie in Liebe angehört, dem sie sich in Demut unterwirft, in dessen Leben das ihre aufgeht.