Sonntag, 21. Oktober 2012 von Karin S. Wozonig
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Walter Scott, Übersetzungsvergleich

In den beiden letzten Blogeinträgen habe ich die erfolgreiche Rezitation des „Hochländischen Kriegslieds“ von Betty Paoli durch den Schauspieler Josef Lewinsky erwähnt. Die Neue Freie Presse schreibt darüber:

Als er (Lewinsky) das hochländische Kriegslied mit so zündender Gewalt des Wortes und der Geberde gelesen hatte, daß wir fast die nervenaufregenden Klänge des altschottischen Pibrochs zu hören meinten, brach ein Beifallssturm los, der erst endete, als der Vorleser die Wiederholung des Gedichtes begann.

Heute finden Sie hier dieses Gedicht in drei Fassungen: das Original von Walter Scott, eine Übersetzung von Ferdinand Freiligrath und – als erstes – die Bearbeitung von Betty Paoli.

Betty Paoli: Hochländisches Kriegslied aus dem XV. Jahrhundert

Pibroch von Donald Dhu,
Schalle! ertöne!
Wecke aus träger Ruh‘
Clan Donald’s Söhne!
Kommet in Eil‘ heran,
Kommt im Vereine,
Kriegerisch angethan,
Herr’n und Gemeine!

Kommt aus der Thäler Grund,
Kommt von den Höhen!
Seht unser Banner, bunt,
Trutziglich wehen!
Kommt, von dem Plaid bedeckt,
Herzen voll Treue!
Tapf’re, die nichts erschreckt,
Zeigt euch aufs neue!

Laßt eu’rer Heerden Schaar
Achtlos entweichen,
Öde den Traualtar,
Grablos die Leichen!
Lasset den Hirsch, das Reh,
Netze und Schlingen!
Muthiger gilt’s als je
Schwerter zu schwingen!

Kommt wie der Sturm, wenn er
Wälder zersplittert!
Kommt wie das grimme Meer,
Wenn es gewittert!
Kommet, o kommet All‘!
Kommt zum Gefechte!
Häuptling und Lehnsvasall,
Freie und Knechte!

Kommen schon seh‘ ich sie,
Waffen erblitzen!
Feder und Heideblüh‘
Auf ihren Mützen!
Rasch auf die Feinde zu!
Spart nicht mit Streichen!
Pibroch von Donald Dhu,
Schmett’re das Zeichen!

Walter Scott: Pibroch of Donuil Dhu (1816)

Pibroch of Donuil Dhu,
Pibroch of Donuil,
Wake thy wild voice anew,
Summon Clan Conuil.
Come away, come away,
Hark to the summons!
Come in your war array,
Gentles and commons.

Come from deep glen, and
From mountain so rocky,
The war-pipe and pennon
Are at Inverlochy.
Come every hill-plaid, and
True heart that wears one,
Come every steel blade, and
Strong hand that bears one.

Leave untended the herd,
The flock without shelter;
Leave the corpse uninterr’d,
The bride at the altar;
Leave the deer, leave the steer,
Leave nets and barges:
Come with your fighting gear,
Broadswords and targes.

Come as the winds come, when
Forests are rended;
Come as the waves come, when
Navies are stranded:
Faster come, faster come,
Faster and faster,
Chief, vassal, page and groom,
Tenant and master.

Fast they come, fast they come;
See how they gather!
Wide waves the eagle plume,
Blended with heather.
Cast your plaids, draw your blades,
Forward each man set!
Pibroch of Donuil Dhu,
Knell for the onset!

Ferdinand Freiligrath: Pibroch of Donald Dhu

Donuil Dhu’s Kriegsgesang!
Schlachtlied von Donuil!
Töne mit wildem Klang,
Wecke Klan Conuil!
Kommt herbei, kommt herbei;
Auf zum Gefechte!
Horcht auf das Feldgeschrei,
Herren und Knechte!

Meidet die Schlucht, so wild,
Felsige Bahnen!
Hört, wie die Pfeife schrillt!
Schaut auf die Fahnen!
Hügel-Plaid, Hochlands-Schwert,
Kommet hernieder!
Und wer sie trägt und ehrt,
Muthig und bieder!

Lasset die Braut, das Weib!
Lasset die Heerde!
Lasset des Todten Leib
Ueber der Erde!
Lasset die Jagd, den Teich,
Barken und Schlingen!
Bringt euer Kriegeszeug,
Tartschen und Klingen!

Kommt, wie der Sturm kommt, wenn
Wälder erzittern!
Kommt, wie die Brandung, wenn
Flotten zersplittern!
Schnell heran, schnell herab,
Schneller kommt Alle,
Häuptling, und Bub‘ und Knapp‘,
Herr und Vasalle!

Seht, wie sie kommen! seht,
Wie sie sich schaaren!
Haidkraut im Winde weht,
Feder des Aaren!
Weg den Plaid, zieht das Schwert!
Vorwärts, ihr Leute!
Donuil Dhu’s Kriegsgesang
Töne zum Streite!

Montag, 8. Oktober 2012 von Karin S. Wozonig
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Kontinuität bei Programm und Publikum

Josef Lewinsky, einer der bedeutendsten Burgschauspieler aller Zeiten und ein Protegé Betty Paolis, trat wie im vorigen Blogeintrag berichtet, 1869 mit Gedichten Paolis im alten Musikvereinssaal auf. Das war eine wirksame Werbetour für Paolis Gedichtband „Neueste Gedichte“. Lewinsky, ein großer Rezitator (hier können Sie ihn hören), nahm einige Gedichte Paolis in sein Dauer-Programm auf. 1882 trat er in Baden – wieder vor distinguiertem Publikum – mit einigen Paoli-Gedichten auf, darunter das schon 1869 begeistert aufgenommene „Hochländische Kriegslied“. Das Badener Bezirks-Blatt berichtet:

Lewinsky-Vorlesung. … Die von Herrn Lewinsky selbst getroffene Wahl des Programmes erwies sich als eine vortreffliche und wohlberechtigte, und steigerte sich der Enthusiasmus von Nummer zu Nummer. Die Gedichte von Paoli, u. z. „Der Minotaurus“, „Ich dien‘“, „Das Entscheidende“, „Nimm dich zusammen“, „Morituri te salutant“ (Die Todgeweihten grüßen Dich) und „Hochländisches Kriegslied“ bildeten die Einleitung des Abends … Wenn Herr Lewinsky von seinem durch einen Lampen-Dualismus beleuchteten erhöhten Standpunkte einen Blick in den dichtgefüllten Saal geworfen hat, so wird sein Auge gewiß einer höchst distinguirten Gesellschaft begegnet sein, von welcher die Vertreterinnen des schönen Geschlechtes, gewiß ihm zu Ehren, sogar in grand toilette erschienen waren.