Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 1
Im neunzehnten Jahrhundert waren die Bewohner der Städte an den großen Flüssen der k. u. k-Monarchie einer regelmäßig im Frühling wiederkehrenden Gefahr ausgesetzt: dem so genannten Eisstoß. Eisplatten die sich auf den Flüssen in einander verkeilten, stauten große Wassermengen zurück, die die flussaufwärts gelegenen Stadtteile überschwemmten. In der Kaiserstadt Wien war der Eisstoß der Donau ein jedes Jahr wieder mit Angst erwartetes Ereignis, aber auch in anderen Städten der Monarchie kam es immer wieder zu Überflutungen. Am 3. April 1845 berichtet die Wiener Zeitung:
Böhmen. Prag, 28. März. Am 27sten um 6 Uhr Früh hat sich endlich die ungewöhnlich starke Eisdecke, welche seit vollen sechzehn Wochen die Moldau bedeckte, gehoben und in Bewegung gesetzt. Das lange und bange erwartete Schauspiel lockte unzählige Zuschauer herbey. Beyde Brücken und der Franzensquai waren mit Schaulustigen übersäet, besonders zwischen der zehnten und eilften Stunde, um welche Zeit das Eis oberhalb des Podkals sich in Bewegung gesetzt hatte. Die ganze Moldaufläche, so weit man sie von der Brücke aus stromauf- und stromabwärts übersehen konnte, bildete eine schwimmende Masse dichtaneinander gedrängter Eisschollen. […] Das Ausbleiben der Prager Zeitungen läßt besorgen, daß der Eisstoß unterhalb Prags ins Stocken gerathen, und dadurch ein Aufstauchen der Moldau herbeygeführt worden ist.
In den folgenden Tagen wird klar, dass die Befürchtungen der Redaktion der Oesterreichisch Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung berechtigt waren. Mit einer Verspätung von einer Woche berichtet die Wiener Zeitung von der größten Flutkatastrophe seit 1784. [Fortsetzung folgt]
Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254
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