Dienstag, 23. August 2011 von Karin S. Wozonig
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Der Beginn einer Dichterinnen-Karriere

An die Männer unserer Zeit

Halb Scherz, halb Ernst

Spotten hör’ ich Euch und zürnen ob der Frauen Wankelmuth
Ob in zarten Mädchenherzen gar zu leicht entbrannter Glut,
Ob der Leere, die da waltet in so manches Weibes Sinn,
Und wie leicht es Lieb’ und Treue gibt für Erdenlust dahin;

Ob der Flachheit und des Unwerths uns’rer jetz’gen Frauenwelt,
Wie sie einzig nur verehren, was dem Auge wohlgefällt;
Wie sie – doch genug der Frevel! Rede stehen will ich Euch
Eurer Klage Antwort geben, und sie werde Euch sogleich.

Lästert feindlich nicht die Frauen! Schmäht Ihr sie, so schmäht Ihr Euch,
Denn es sind der Frauen Herzen einem reinen Spiegel gleich:
Selber ist er ohne Makel, doch das Spiegelbild seyd Ihr;
Will nun dieses nicht gefallen, ey, was kann das Glas dafür?

Seht , es ähneln Frauenherzen ungeschliffenem Demant:
Bildet liebend ihn und sorglich eine kunstverständ’ge Hand,
Wird er klare Strahlen sprühen, wird er leuchten hell und hehr,
Wird er Glanzeswogen werfen, wie ein glutentflammtes Meer.

Doch wie anders, wenn den Demant unberuf’ne Hand verdarb,
Wenn durch ungeschicktes Walten all’ sein Glanz gar schnell erstarb;
Traun! der Stein war wunderprächtig, aber dennoch ist er hin,
Weil dem Mann, der ihn behandelt, fehlte kunstgewandter Sinn.

Ihr seyd uns’re Herr’n und Meister! Ja, wir bilden uns an Euch,
Um von Euch geliebt zu werden, möchten wir Euch werden gleich,
Ey, und seltsam ist es, wahrlich! daß wir, Euer Conterfey,
Nun das Ziel von Euerm Zürnen und von Eurer Spötteley.

Sollen Frauen sich veredeln, möget edler werden Ihr,
Möget bannen aus dem Busen wilder Leidenschaften Gier,
Mögt zuvor erst selber werden, wie die Frauen sollten seyn,
Fehlerfrey und ohne Mängel, und im Herzen treu und rein.

Ob dies jemals wird geschehen? Ach, ich glaub’ es nimmermehr!
Manches Jahr noch wird sich senken in der Ewigkeiten Meer,
Doch wohl nimmer wird man schauen, daß Ihr fühlt, wie’s unrecht sey,
And’rer Fehler zu bekritteln, wenn man selbst nicht fehlerfrey.

Betti Glück

Aus: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 25. August 1832

Dienstag, 16. August 2011 von Karin S. Wozonig
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Reisezeit

Der Jahreszeit entsprechend widme ich mich seit einigen Wochen Büchern über das Reisen und Entdecken. Dazu gehört die Lektüre von Johann Gottfried Seumes „Spaziergang“, die ich jetzt allerdings ruhen lasse zugunsten von Friedrich Gerstäcker, geboren 1816 in Hamburg, gestorben 1872 in Braunschweig

Und was ist nun Californien für ein Land? Lohnt es sich der Mühe herüberzukommen? Soll man dorthin auswandern? Wird es die Erwartungen die wir davon hegen auch nur zum Theil erfüllen? So fragt jetzt der deutsche Leser vielleicht, und die Goldminen blitzen ihm, von der untergehenden Sonne lieblich verklärt, im reizendsten Licht vor dem sehnsüchtigen Auge.

Friedrich Gerstäcker: Reisen. Californien, 1853

Montag, 8. August 2011 von Karin S. Wozonig
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Das Ende des Taschenbuchs

Ich habe mich in kurzer Zeit an meinen E-Reader gewöhnt und betrachte ihn, oder richtiger: die darauf geladenen Bücher als Bestandteil meiner Bibliothek. Verkaufszahlen die von Consultern, Verlagen und Buchhändlern veröffentlicht werden, lassen darauf schließen, dass sich das Prinzip E-Book durchsetzt. Oder doch nicht? Da sich mir Zahlen für gewöhnlich nur unter Anleitung erschließen, freue ich mich über den Blog von Mike Shatzkin, der gestern fragte: „Will print and ebook publishers ultimately be doing the same books?“ Die Antwort ist hier nachzulesen.

Montag, 1. August 2011 von Karin S. Wozonig
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Poesie von Frauenhand

Robert Prutz, Deutsches Museum, August 1856

Das „Aurora-Album“ bringt zunächst eine Reihe von Gedichten, unter denen sich die ersten und beliebtesten Namen der wiener Literatur, vermischt mit einigen fremden, finden. … Von Betty Paoli bringt das „Album“ zwei Gedichte: „Kleopatra“ und „Morituri te salutant“, beide in dem eigenthümlich schwungvollen, leidenschaftlichen Stile, der für diese Dichterin charakteristisch ist. Doch können wir nur mit dem zweiten vollkommen einverstanden sein; das erste, das uns die berühmte Königin Aegyptens schildert, wie sie ihre Liebhaber unmittelbar nach durchschwelgter Nacht hinrichten läßt, scheint uns trotz der prachtvoll farbenreichen Darstellung doch kein geeigneter Gegenstand für die Poesie und am wenigsten (so altväterisch sind wir noch) mögen wir ihn von Frauenhand ausgeführt lesen.

Freitag, 22. Juli 2011 von Karin S. Wozonig
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Viel- und Schönschreiber

Gestern fand ein Salongespräch zum Thema „Literatur und Musik“ statt. Wie üblich bei den Kaffeehausgesprächen war ich für die historische Einführung zuständig. Ich widmete mich dem Kunstlied der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und da ganz besonders dem Autor Friedrich Rückert. Das gab mir Gelegenheit, einen meiner Lieblingsalmanache, die Aglaja aus dem Jahr 1823, herumzuzeigen, denn sie enthält einen Rückert-Erstdruck. Bis vor kurzem dachte ich, das sei etwas Besonderes. Aber ich habe einen (literarischen) Salon gegründet, um etwas zu lernen, und so weiß ich jetzt, dass Rückert in der Zeit von 1813 bis zu seinem Tod ca. 2150 Gedichte in Almanachen, literarischen Taschenbüchern und Zeitschriften veröffentlichte (nachzulesen in dem hübschen Katalog: Georg Drescher, Rudolf Kreutner und Claudia Wiener: »O sehet her! die allerliebsten Dingerchen …« – Friedrich Rückert und der Almanach. Ergon Verlag, Würzburg, 2000.)

Außerdem habe ich über Emanuel Geibel gesprochen, oder eigentlich über Wilhelm Buschs Bildergeschichte „Balduin Bählamm der verhinderte Dichter“, deren Protagonist eine gewisse Ähnlichkeit mit Geibel hat.

Das Werk von Busch beginnt mit dem schönen Vers:

Wie wohl ist dem, der dann und wann
Sich etwas Schönes dichten kann!

und ist im Ganzen lesens- und sehenswert.

Freitag, 15. Juli 2011 von Karin S. Wozonig
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Musik und Literatur

Das nächste Kaffeehausgespräch wird sich einem Thema widmen, an dem niemand vorbei kommt, der sich mit der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts beschäftigt, nämlich der Verbindung von Literatur und Musik. Die Vertonung von Gedichten ist gerade in der Zeit des sogenannten Biedermeier sehr häufig zu finden und in die literarischen Taschenbücher und Almanache werden immer wieder auch Noten aufgenommen. Auch einige Gedichte von Betty Paoli wurden vertont. Über eines davon – es trägt den Titel „Gute Nacht“ – habe ich vor einiger Zeit bereits berichtet.

Donnerstag, 7. Juli 2011 von Karin S. Wozonig
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Eine Geschichte schreiben

oder die Geschichte schreiben… In Vorbereitung auf einen Kurs über deutschsprachige Gegenwartsliteratur beschäftigt mich zur Zeit das Buch „Sunset“ von Klaus Modick. Der Autor erzählt die Geschichte Lion Feuchtwangers (geboren am 7. Juli 1884, gest. 21. Dezember 1958), und er verankert dabei die Biographie in einem Tag im erzählten Leben. Um diesen Tag herum baut Modick Episoden, die ein durchaus plastisches Bild eines ganzen Lebens ergeben. Das liest sich gut und ist meines Erachtens eine kluge Art damit umzugehen, dass jede biographische Erzählung eine Erfindung ist.

Sonntag, 26. Juni 2011 von Karin S. Wozonig
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Über Literatur schreiben

Vor einiger Zeit habe ich mich im Zuge einer Recherche zum Thema „Literaturkritik und Internet“ intensiv mit Buchrezensionen im Feuilleton deutschsprachiger sogenannter Qualitätszeitungen befasst. Eine geballte Ladung Borniertheit eines Kritikers hat mich davongetrieben und ich habe mich daran erinnert, dass Literatur schreibende Menschen immer auch Literatur lesende Menschen sind, die gelegentlich über Literatur schreiben. Und so erfreue ich mich seit einiger Zeit an den Texten von Ruth Klüger („Was Frauen schreiben“, Wien 2010) und Brigitte Kronauer („Favoriten. Aufsätze zur Literatur“, Stuttgart 2010). Die beiden Autorinnen schreiben unter anderem über Werke und Leben von J.K. Rowling, Margaret Atwood, Wilhelm Raabe, Robert Walser und Jean Paul. Das tun sie fast immer in einem Ton, der zur Literatur hinführt. Das sollte Literaturkritik meines Erachtens auch können und zwar begründet. Ich meine nicht, dass die Literaturkritik unbedingt zu einem besprochenen Werk hinführen sollte – Gefälligkeitskritiken gibt es ohnedies zu oft –, sondern dass Literaturkritik die Kunst, deren Material die Sprache ist, würdigen sollte. Das fällt jenen leichter, die es selbst einmal ausprobiert haben.

Montag, 20. Juni 2011 von Karin S. Wozonig
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Die Ehre der österreichischen Lyrik

Zeitung für die elegante Welt, 21. Juni 1843:

Carl Beck ist angekommen, um einige Monate hier zu bleiben, und wurde von einigen seiner vielen Freunde und Verehrer mit einem, ihm zu Ehren veranstalteten Diner im Prater freudig empfangen. Ein größeres Gedicht, das er in Pesth geschrieben, soll die ausgesprengten Gerüchte von früher Ermüdung aufs Siegreichste Lügen strafen. – Nun, es thut fast schon Noth, um die Ehre der anerkannten österreichischen Lyrik zu retten. – Von den zwanzig Bänden lyrischer Gedichte, die seit zwei Jahren erschienen, ist keiner außer den beiden Bänden von Betti Paoli stark genug dazu.

Donnerstag, 16. Juni 2011 von Karin S. Wozonig
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Gegenwartsliteratur

Vorige Woche hatte ich das Vergnügen, in der Buchhandlung Schopf vor einem äußerst liebenswürdigen Publikum über Buch-Neuerscheinungen zu sprechen, die ich in meinen Urlaubskoffer packen würde. Herzlichen Dank an Silke und Dietrich für die Einladung!

Ganz oben auf meiner Bücherliste standen an diesem Abend Homer&Langeley von E. L. Doctorow und das sehr schöne Buch  Das Herz auf der Haut (mare-Verlag), eine Sammlung von Texten über das Tattoo. Das zweite wird wohl auch auf meiner Liste für eine sommerliche Veranstaltung zum Thema Neuerscheinungen deutscher Gegenwartsliteratur stehen, nicht nur wegen der vielen lesenswerten Texte, sondern auch weil das Buch aufgrund seiner liebevollen Gestaltung eine gewisse Almanach-Anmutung hat.