Montag, 12. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Paolis Schreib- und Lebenssituation

Im Jahr 1855 ließ der gute Stern der Dichterin sie finden, was wol die Erfüllung des Traumes eines jeden Schaffenden ist: alle Annehmlichkeiten, alles Behagen des Familienlebens ohne eine seiner Verpflichtungen. Durch fast vierzig Jahre hat sie im Frieden des Hauses v. Fleischl-Marxow, unter hochbegabten, edlen Menschen gelebt: frei und geschützt.

aus: Feuilleton. Betty Paoli. In: Neue Freie Presse 22. Juli 1894. S. 1-4. [gez. Marie v. Ebner-Eschenbach, St. Gilgen, den 14. Juli 1894]

Montag, 5. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli trifft Otto Ludwig

In der Neuen Freie Presse vom 10. Januar 1866 schrieb Betty Paoli über den Schriftsteller, der den Begriff „poetischer Realismus“ prägte:

Es war im September des Jahres 1858, als ich, auf der Durchreise einige Tage in Dresden verweilend, diese Gelegenheit, Otto Ludwig persönlich kennen zu lernen, zu benutzen beschloß. Nicht ohne eine gewisse Beklommenheit machte ich mich auf den Weg. Kein Empfehlungsschreiben, kein Anknüpfungspunkt, wie gemeinsame Freunde ihn bieten, vermittelte die Bekanntschaft, nach der es mich verlangte. Ich fragte mich, ob die Verehrung, die ich dem Dichter entgegenbrachte, mir das Recht gebe, in seine Häuslichkeit einzudringen. Solche Zweifel beschäftigten mich noch, als ich auf dem Wege nach Ludwigs ziemlich entlegener Wohnung die Promenade entlang schritt. Ich unterdrückte sie jedoch und sagte mir, daß die Bescheidenheit, die uns verleiten möchte, unser Lieben und Bewundern zu verschweigen, im Grunde nur verkappter Hochmut sei, der sich nicht der Gefahr einer Zurückweisung aussetzen will […]

Das zweiteilige Feuilleton Paolis über das Leben und Werk von Otto Ludwig ist auf ANNO, dem Projekt AustriaNNewspaperOnline, nachzulesen.

Dienstag, 16. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Intuition im wissenschaftlichen Diskurs

Selbstverständlich kann man eine Biografie der Schriftstellerin Betty Paoli mit den Worten beginnen lassen:

Am 5. Juli 1894 starb Betty Paoli während eines Sommeraufenthalts in Baden bei Wien.

Das rollt das Leben gewissermaßen von hinten auf, was die Illusion erzeugen könnte, dass Linearität beim Erzählen einer Lebensgeschichte nicht unbegingt notwendig sei. […] Vielleicht könnte man auch noch das zu erzählende Menschenleben auf mehr oder weniger zusammenhängende wirkliche und metaphorische Örtlichkeiten verteilen und so der Einförmigkeit der fließenden Zeit entgehen? […]

Die wissenschaftliche Erzählung […] veranschaulicht die historisch Lebenswelt, zugleich vermeidet die Matrix von öffentlichen und privaten Räumen, vor der der individuelle Lebenslauf beschrieben wird die evolutive Unumgänglichkeit der Biographie […]

Das mag auf den ersten Blick eine recht brauchbare Lösung sein, aber die Lebensgeschichte bleibt eine Geschichte, somit dem Modus der Narration unterworfen, und der Anfang und das Ende mögen auseinander klaffen oder zusammengepackt werden, die Verläufe mögen verworren werden (beabsichtigt oder durch Unachtsamkeit der Schreiberin) […] Aber

Jede historische Darstellung ist auch Fiktion, da die Stringenz der Darstellung nicht nur auf dem Prinzip der Sukzession und der chronologischen Begrenzung beruht, sondern auch auf der Form der Narration

[…], dann sollte ich mir auch die Mühe machen, nach der Alternative zur öden, kausalzusammenhangsfixierten Historiographie der Neuzeit zu suchen, oder? Und hier kommt die Erforschung nichtlinearer Dynamik, vulgo Chaosforschung, ins Spiel. (aus: Karin S. Wozonig: „Das gefühlte Ende und Intuition als wissenschaftliche Kategorie.“ In: sinn-haft nr.18. Theorie Erzählungen. Persönliches Sprechen vom eigenen Denken. S. 35-37)

Freitag, 12. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Aus dem Tagebuch von Marie von Ebner-Eschenbach

7. Dezember 1865: „Kleine Soirée bei Fanny Elssler. Betty Paoli, Mathilde Wildauer, allerlei Herren u. Damen. Anfangs war die ganze Gesellschaft steif und schweigsam. Fräulein Wildauer brach das Eis, es wurde mir gleich heimlich, weil sie mit so angenehmer Ungeniertheit allerlei albernes Zeug sprach. Dafür aber Betty Paoli! Eine Minerva, eine Olympierin. Imposant u. hinreißend wenn sie sich herablässt liebenswürdig zu sein.“ (Marie von Ebner-Eschenbach: Tagebücher. Hrsg. v. Polheim, Karl Konrad/Gabriel, Norbert. Band I 1862-1869. Tübingen 1989.)

Mittwoch, 10. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Ein Bild von einer Schriftstellerin

Als im Jahr 1847 ein Bild der Lyrikerin Betty Paoli in Umlauf kam, ein „Meisterwerk lithografischer Kunst, […] die jüngste Arbeit unseres genialen Prinzhofer“, so der Herausgeber der Zeitschrift „Wanderer“, veranlasste das ihren Dichterkollegen Cajetan Cerri (1826 in Brescia geboren, gestorben 1899 in Karlsbad/Karlovy Vary) ein Gedicht auf sie zu verfassen:

An Betty Paoli. Als ihr lithographiertes Porträt erschien.

„Willst Du erschau’n, wie viel ein Herz kann tragen,
O blick in mein’s!“ B. Paoli

Und ob Dich mein Auge nie gesehen,
Ich weiß es doch: dies Bild, es ist Dein Bild.
So muß es sein – so schwärmerisch, so mild
Sah ich Dich stets im Traum vorübergehen.

Oft blick‘ ich kühn zu Deinen Sonnenhöhen,
Ein Aar auf fremdem eisigen Gefild;
Ich las Dein Lied – mein Herzblut rollte wild
Und Südenslüfte fühlt‘ ich mich umwehen.

Und sieh! mir war’s als trämt‘ ich eben wieder
Der Heimat Traum – als sollt‘ mein Stern jetzt fallen,
Um zu vergeh’n im Gluthmeer Deiner Lieder.

Da kam Dein Bild – und stumm sind meine Klagen,
Denn nun ist’s mir als hört‘ ich leise schallen:
Ich bin bei Dir – so lern wie ich ertragen!

C. Cerri

Samstag, 6. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli im Atelier von Ary Scheffer, Teil 2

Am 6.12. 1850 erschien in der österreichischen Tageszeitung „Lloyd“ der zweite Teil des Feuilletons über Ary Scheffer von Betty Paoli. Darin bespricht die Feuilletonistin Ary Scheffers Portraits von Chopin und Liszt und nimmt das zum Anlass, um über George Sand zu schreiben. Ihre Lebensführung und ihre Ideen lehnt Paoli ab:

Die politischen Doctrinen der Sand sind mir ein Greuel, ihre Reformpläne utopistische Träumereien […]

Aber das ändert nichts daran, dass Paoli das Werk George Sands „liebt“, denn diese Schriftstellerin sei von Anfang an wahr und leidenschaftlich gewesen.

Freitag, 5. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli im Atelier von Ary Scheffer, Teil 1

Am 5. Dezember 1850 erschien in der österreichischen Zeitung „Lloyd“ ein Feuilleton von Betty Paoli mit dem Titel „Pariser Eindrücke II. Ary Scheffer“. Die Journalistin besuchte den Maler Ary Scheffer (1795-1858), der für seine historisierenden Darstellungen und Genrebildern bekannt war, in seiner Wohnung in der Rue Chaptal.

Grüße, die ich ihm von unserm verehrten Freunde Cornelius brachte, verschafften mir die wohlwollendste Aufnahme und die Vergünstigung, aus dem Munde des Künstlers selbst den Commentar zu seinen Werken zu erhalten.

Paoli berichtet außerdem von einem Besuch im Louvre. Ein „Conservator“ hatte sie in einen abgesperrten Teil geführt, in dem sich Bilder befanden, die im Revolutionsjahr 1848 beschädigt worden waren.

Mittwoch, 3. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli – Biographisches

Betty Paoli ist das Pseudonym der Lyrikerin, Novellistin, Kritikerin und Essayistin Barbara Elisabeth Glück, die am 30.12.1814 in Wien geboren wurde und am 5.7.1894 in Baden bei Wien starb.

1832 trat Paoli mit dem Gedicht „An die Männer unsrer Zeit“ erstmals an die Öffentlichkeit. In den folgenden Jahren etablierte sie sich als Lyrikerin durch Veröffentlichungen in Zeitschriften und Almanachen und durch mehrere Gedichtbände. Paolis Behandlung der Themen Todessehnsucht, Einsamkeit und Liebe steht in der Tradition der Spätromantik und zeigt den Einfluss Byrons. Die Betonung der weiblichen Perspektive führte zu einer begeisterten Aufnahme der Gedichte, die Formstrenge und politische Implikationen erregten aber auch Kritik an ihrem „männlichen“ Ton. Eine Novellensammlung mit dem Titel „Die Welt und mein Auge“ erschien 1844.

Paoli arbeitete als Gesellschafterin, Sprachlehrerin und Übersetzerin. Nach 1848 verfasste sie Theater- und Kunstkritiken sowie Feuilletons für österreichische und deutsche Tageszeitung. Paoli setzte sich in ihrer journalistischen Arbeit für die Werke von Annette von Droste-Hülshoff, Franz Grillparzer und Marie von Ebner-Eschenbach ein. Neben den Themen Kunst und Literatur behandelte Paoli in ihren Essays vor allem die Fragen Frauenbildung und –erwerbstätigkeit.

Weitere Informationen: Karin S. Wozonig: Die Literatin Betty Paoli. Weibliche Mobilität im 19. Jahrhundert. Wien: Löcker, 1999. ISBN 3-85409-306-3
und hier im Blog.