Die Bestsellerautorin Ottilie Wildermuth (1817-1877), eine der Vielschreiberinnen im 19. Jahrhundert, liefert in ihren schwäbischen Geschichten Charakterzeichnungen, die zwischen liebevoller Beobachtung, leiser Ironie und Volkserziehung oszillieren. Sie bildet „nach dem Leben“, was nicht als naiver Realismus missverstanden werden sollte…
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Die Mundart des Oesterreichers ist eine ausgebildete, in logischem Zusammenhang stehende, reizend pittoreske Sprache; die andern deutschen Stämme, mit Ausnahme der Schwaben und Niedersachsen, haben keinen eigentlichen Dialect, sie sprechen nur ein verdorbenes Deutsch.
Reise-Memoiretten von Betti Paoli, „Lloyd“, 6. 11. 1852
Ein wichtiges Thema der Frauenforschung in den 1970er und 1980er Jahren war die Rekonstruktion und Beschreibung historischer Lebenswirklichkeiten von Frauen. Dieser Ansatz führte in der Germanistik zu einer spezifischen Frauenliteraturgeschichte und zur kritischen Überprüfung des Kanons. Zeitgleich mit der Entdeckung und Bergung bis dahin vernachlässigten Materials über Dichterinnen, Schriftstellerinnen und Kritikerinnen entstand aber auch ein Problembewusstsein gegenüber den Prämissen des Forschungsfeldes. […] Grundlegende Fragen der Geschichtsphilosophie und der poststrukturalistischen Sprachtheorie wurden aus dieser Perspektive wieder und neu gestellt: Wie sind Textzeugnisse von und über Frauen zu lesen? Welche historiographische Darstellungsform ist für eine „Frauenliteraturgeschichte“ zu wählen? […] Inwiefern ist das Postulat einer „weiblichen Ästhetik” haltbar, oder ist es nur eine Umwertung einer binären hierarchisierenden Oppositionskonstruktion? Wie ist mit den Begriffen „Frauenliteratur”, „Literatur von Frauen” oder „feministische Literatur” umzugehen? […]
Auszug aus: Renata Cornejo und Karin S. Wozonig: Gender Studies in der Literaturwissenschaft – Literaturwissenschaft in den Gender Studies. Eine Wechselwirkung. In: Gregor Thuswaldner (Hg.): Derrida und danach? Literaturtheoretische Diskurse der Gegenwart. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008. S. 155-164.
Vor einem Jahr habe ich gemeinsam mit Maria Poets, Autorin und Übersetzerin, die Kaffeehausgespräche begründet. Wir reden ein Mal im Monat über Literatur, das Buch an sich und über alles, was von den Gästen aufs Tapet gebracht wird. Die Anregung zu dieser Veranstaltung kam von der Bibliothekarin Erika Werner, die sich in einem Artikel in der „Welt“ selbst als „Buchstabenfresserin“ bezeichnet. Erika Werner war bei den Bücherhallen Hamburg für Lesungen zuständig und gründete den Verein S.T.I.L. e.V., mit dem sie interessante Veranstaltungen mit Musik organisiert. Heute z.B. wird die Lyrikerin Tzveta Sofronieva aus ihren Werken lesen.
7. Februar 1881: Abends mit Miklosich und Baron Ebner. Gesprächsgegenstand: Wie viele Sprachen man wohl zu erlernen hätte, wenn die Civilisation sich einst über den ganzen Erdball erstrecken sollte. Ferner: über die modernen Schuleinrichtungen.
Niemals etwas, immer über,
Über etwas schreib, mein Lieber,
So kommt Eignes zur Entfaltung
Und das Fremde gibt die Haltung.
Franz Grillparzer, 1863
Nächste Woche gibt es wieder ein Kaffeehausgespräch. Aus einem mir nicht mehr erinnerlichen Grund haben Maria Poets (Übersetzerin und Autorin) und ich uns auf das Thema „Zufall in der Literatur“ geeinigt. Ich würde mich über viele Gäste in unserem literarische Salon freuen.
ORT: Café Heile Welt, Weidenallee 10 b (Hinterhof), 20357 Hamburg
ZEIT: Mittwoch, 15. April 2009, 19:30 Uhr
In seinem Buch „Darwin’s Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life“ (New York, 1995), einem Meilenstein der sogenannten Darwin-Industrie, sagt der Philosoph Daniel C. Dennett:
Darwin’s idea is a universal solvent, capable of cutting right to the heart of everything in sight.
Das klingt für einige Literaturwissenschaftler offenbar verlockend und es trägt, wie schon in Teil 1 und 2 dieser Blog-Serie erzählt, durchaus lesbare Früchte. Vor der Gleichsetzung von Natur und Kultur im Zuge eines Darwin-Hypes warnte vor sechsundachtzig Jahren der Anglist Levin Ludwig Schücking:
Einen Versuch, die großen Umwälzungen im Leben der Literatur methodisch zu erklären, hatte seinerzeit schon der berühmte französische Literarhistoriker und Kritiker Ferdinand Brunetière gemacht. Aber seine ‚Evolution des genres dans l’histoire de la literature‘, erschien zu einer Zeit (1890), wo die Welt so berauscht von den Ergebnissen der Naturwissenschaften war, daß sie sich allzu rasch bereit fand, in den Erklärungen, die Darwin und seine Nachfolger für die Vorgänge der Natur gefunden hatten, nun auch die Schlüssel der Probleme des geistigen Lebens zu sehen. […] Er übersah dabei, daß hier Dinge gleichgesetzt werden, die sich in Wirklichkeit nicht gleichsetzen lassen und die nur eine scheinbare Ähnlichkeit miteinander haben. Hier Leben, das sich unabhängig durch Zeugung und Besamung fortpflanzt, dort Schöpfungen, die vom menschlichen Denken abhängig sind. (Aus: Levin Ludwig Schücking: Die Soziologie der literarischen Geschmacksbildung. Rösl&Cie.: München 1923, S. 6)
Vor einiger Zeit empfahl sich mir der Roman „Ich.bin.eine.Mörderin“ von Claudia Cornelsen. Der etwas gesuchte Titel lässt einen Krimi erwarten, der Klappentext behauptet ähnliches, Rezensionen sprechen gar von einem Psycho-Thriller. Kein Wort davon ist wahr. Der Roman spielt in einer psychiatrischen Anstalt, die Handlung wird aus der Perspektive einer Ich-Erzählinstanz präsentiert und ist mit collageartigen Elementen durchsetzt, die auf die Argonautensage anspielen. Der Text lebt von der beklemmenden Schilderung eines gewaltsamen Familienlebens und von Parallelen zur Geschichte der Medea. Claudia Cornelsen kann sich nicht jeden Kalauer und nicht jeden Manierismus verkneifen. Generell aber ist „Ich.bin.eine.Mörderin“ beeidruckend gut gemachte Literatur. Und wer den Schluss des Romans ernst nimmt, bekommt zwei Bücher zum Preis von einem.