Dienstag, 4. August 2009 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literatur,Literaturwissenschaft

Betty Paolis Urteil über Marie von Ebner-Eschenbach

Wie eine Singstimme durch fortgesetzte Übung an Schönheit und Rundung des Tones gewinnt, so hat das Talent der Verfasserin, durch den Fleiß, der ihr zur Seite steht, zusehends an Umfang und Tragweite gewonnen. Ich meine nicht den Fleiß, der darin besteht, tagtäglich so und so viel Bogen vollzuschreiben – den haben nur gar zu viele! – sondern die künstlerische Gewissenhaftigkeit, die alles nur leidlich Gute als ungenügend verwirft, die, statt sich mit einem à peu près zu begnügen, an einem Werk unverdrossen schafft und feilt, bis sie es von der unscheinbarsten Makel befreit und nach bestem Erkennen und Vermögen alle seine Teile harmonisch zusammengestimmt hat. Dieser Fleiß, diese unnachsichtige Strenge gegen sich selbst, diese Hingebung, die keine Mühe und Arbeit scheut, wenn sie dem im Entstehen begriffenen Werke zu gute kommen können, sie sind es, die den Künstler vom Dilettanten unterscheiden, wenn auch die ursprünglichen Anlagen beider sich zufällig die Wage halten sollten.

Betty Paoli: „Božena“. In: Gesammelte Aufsätze. Eingeleitet und herausgegebene von Helene Bettelheim-Gabillon. Wien: Verlag des Literarischen Vereins in Wien 1908 (Erstdruck in der Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung, 1876)

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