Dienstag, 8. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literaturwissenschaft

Stichwort: Emanzipation des Fleisches

Die inhaltlich und formal traditionsbeladene Diätetik Feuchterslebens, die auf die Beherrschung von Leidenschaften, Übung von Tugenden, Selbstbeobachtung und geistige Stärke abzielt, ist für die zeitgenössische Leserschaft als Gegengewicht zu einer anderen, vormärzlichen Diskursformation erkennbar. Die Dichterin und Journalistin Betty Paoli, die Feuchtersleben in den intellektuellen Wiener Kreisen des Vormärz begegnete, bemerkte im Jahr 1867: „In einer Zeit, welche die Lehre von der Emanzipation des Fleisches predigte, schrieb er auf seine Fahne den Wahlspruch: ‚Emanzipation des Geistes!‘ […] Um die [Bedeutung Feuchterslebens] aber vollkommen zu würdigen, muß man sich in die Zeit zurückversetzen, in die seine Entwicklung fiel, sich die Hindernisse vergegenwärtigen, die ihr entgegenstanden“ (Paoli 1908: 147). Die Rede von der „Emanzipation des Fleisches“ ist eine vormärzliche Chiffre, eine Körpermetapher für die Befreiung von religiösen und moralischen Zwängen.

Aus: Karin S. Wozonig: Emanzipation des Fleisches und Diätetik der Seele. Bürgerliche Selbstdisziplinierung im neunzehnten Jahrhundert. In: Marlen Bidwell-Steiner und Veronika Zangl (Hg.): Körperkonstruktionen und Geschlechtermetaphern: Zum Zusammenhang von Rhetorik und Embodiment. Innsbruck, Wien: Studienverlag 2009. S. 221-236.

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