Donnerstag, 16. Juni 2016 von Karin S. Wozonig
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Grillparzer epigrammatisch

Wenn man, so wie ich, beim neunzehnten Jahrhundert schon bei simpler Sachlage vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, ist ein komplizierter Charakter wie Franz Grillparzer ein praktisch unerschöpflicher Quell. Er war ein revolutionärer und konservativer, misstrauischer und wahrheitsliebender, widerständiger, geistreicher, undiplomatischer Gerechtigkeitsfanatiker. Das ist unter anderem an seinen Epigrammen abzulesen, von denen ich in diesem Blog in loser Folge einige zitieren werde.

Glückwunsch an den Herrn Hofkonzipisten *** bei Erhaltung des Lilienordens
Wie passend schmückt dich der Lilie Zier,
Sie wird zum symbolischen Zeichen an Dir.
Wie ähnlich seid ihr euch beide!
Wer denkt nicht an das, was die Bibel spricht:
»Die Lilie, sie ackert und spinnet nicht
Und prangt doch in köstlichem Kleide«.

Verständlichkeit
Gar sehr verschieden ist des Lesers Recht,
Nimmt Verse er verschiedner Art zu Handen.
Versteht er deine nicht, so sind die Verse schlecht.
Wenn meine – nun! hat er sie nicht verstanden.

Hegel
Was mir an deinem System am besten gefällt?
Es ist so unverständlich als die Welt.

Donnerstag, 2. Juni 2016 von Karin S. Wozonig
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Österreichs Shakespeare

Hieronymus Lorm, über dessen Buch „Wien’s poetische Schwingen und Federn“ (1846) ich vor kurzem berichtet habe, ist mit vielen österreichischen Autoren gar nicht zufrieden. Ihr politisches Engagement in der Zeit vor der 48er-Revolution lässt in seinen Augen deutlich zu wünschen übrig. Bei manchen von ihnen kommt noch dazu, dass sie eigentlich prädestiniert dafür wären, eine eigenständige österreichische Literatur auf hohem Niveau zu begründen. Franz Grillparzer gehört zu diesen talentvollen Österreichern, aber statt das Volk zu begeistern, schreibt er nur eine kümmerliche Schicksalstragödie. Unsterblich hätte er werden können, ein Shakespeare Österreichs, das österreichische Theater könnte mit Grillparzer der „bestimmte kernhafte Ausdruck einer von politischem Ernst durchdrungenen Nationalität“ sein – aber nein, Grillparzer ist auch noch beleidigt, dass die Wiener sein philosophisches Lustspiel nicht lustig finden und zieht sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Sehr ärgerlich, findet Lorm, aber auch:

Man möchte wieder in Mitleid um ihn vergehen, wenn man ihn trauernd ruhen sieht auf den Ruinen einer Poesie, der eine deutsche Unsterblichkeit aufbehalten gewesen wäre.

Wie Grillparzer dann doch noch der Klassiker Österreichs wurde und welche Relevanz schulische Erfolge für diese Karriere hatten, werde ich bei einem Kaffeehausgespräch am 10. Juni erörtern, zu dem Sie, liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, herzlich eingeladen sind. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.