Die Bahn über den Semmering mag kühner angelegt, ein gewaltigeres Werk sein und somit größeres Anrecht auf die Bewunderung des Fachkundigen haben, an landschaftlichem Reiz hingegen hält sie den Vergleich mit der Brennerbahn nicht aus. Während der Fahrt über diese ziehen alle Wunder der Alpenwelt, das majestätische Hochgebirge, von schwindelnder Höhe stürzende Wasserfälle, weithin schimmernde Gletscher an dem Blick vorüber, bis man endlich auf dem Gipfel des Brenners zu dem nach ihm genannten kleinen See gelangt, dessen klare Fluth würdig wäre, schönen Bergnymphen als Spiegel zu dienen. Von hier senkt sich die Bahn abwärts; bald ist Brixen, das tirolische Rom, erreicht. Mit Ueberraschung nimmt man die plötzlich umgewandelte Physiognomie der Landschaft wahr. Vom Fuße des Brenner an trägt sie ein entschieden südliches Gepräge. An die Stelle der Lärchenwälder treten dichte Gruppen von Kastanienbäumen, an allen Abhängen ziehen sich Rebenpflanzungen hin, der Mais ist bereits vollkommen eingebürgert. Es ist ein anderer Himmel, ein hellerer Sommerglanz, in dem sich die zahllosen Klöster, Kirchen und Ruinen, welche die Gipfel der Berge krönen, gar reizend ausnehmen. Wie in Italien sieht man ganze Ortschaften und einzelne Villen wie Schwalbennester an die steilen Bergwände hingeklebt. Auch hier scheint man die Luft der Niederung für schädlich zu halten und unterzieht sich lieber der Unbequemlichkeit beständigen Auf- und Absteigens, als daß man sich ihrem schädlich geglaubten Einflusse aussetzte. Die Gegend zwischen Brixen und Bozen ist von der größten Lieblichkeit, überall eine überschwellende Vegetation, schöne Bergformen, schäumende Cascaden, während, als letzter Gruß aus dem Norden, der Eisack mit geschäftiger Hast neben der Bahn herrennt. Nach sechsstündiger Fahrt hielt der Zug in Bozen an. (Betty Paoli: Reisestationen, 1871)
Unter den Büchern, welche zur jetzigen Weihnachtzeit sich in den Vordergrund drängen, wird für keines so emsig Reclame gemacht, wie für „Brehm’s Thierleben“. Alle unsere liberalen Judenblätter wissen nicht Lobes genug über dasselbe zu sagen. Wenn die Kunst, vom Feinde zu lernen, weiter verbreitet wäre, wie sie leider ist, so würde sie dessen nicht bedürfen, was wir über jenes Werk zu sagen haben: wir müssen auf das Dringendste jede christliche Familie davor warnen, diesen frechsten Panegyrikus des Darwinismus ihren Kindern in die Hände zu geben.
Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 14. December 1876.
Für den Weihnachtstisch Die Kerzen flimmern auf… Lichterglanz durchzieht das trauliche Gemach und Alt und Jung drängt sich an den grünen Weihnachtsbaum heran, um zu sehen, welche Geschenke ihm vom „lieben Christkind“ bescheert worden sind. […] Und an Geschenken wird auch heuer kein Mangel sein, was auch die Welt im Allgemeinen über die „schlechten Zeiten“ lamentiren mag. Die Weihnachtsindustrie ist im Laufe unserer mageren Jahre erfinderisch genug geworden und sie ermöglicht es heute auch dem Mindestbemittelten, ein Geschenk zu geben, ohne seine Freigebigkeit in ein Mißverhältniß zu seinen geringen Mitteln zu bringen. „Alles um fünf Kreuzer“ … „Alles um zehn Kreuzer“… „Alles um 27 Kreuzer“… So und ähnlich lauten die Aufschriften an den Weihnachtsbuden für das Jahr 1876! Und die Auswahl der gebotenen Weihnachtsartikel ist eine staunenswerth große. Wir sehen da Geschenke, bestimmt für das „reifere Alter“… für das „Knabenalter“… und irgend ein speculativer Kopf kündigt selbst Geschenke für das „Backfischalter“ an! […] Heuer wie in früheren Jahren werden auch Bücherspenden den Weihnachtstisch zieren […]. Bei Adolph Russell iin Münster ist vor Kurzem erschienen: „Ein stürmisches Leben“, von Lady Georgiana Fullerton. (2 Bde.) Die Verfasserin, eine Engländerin, ist durch die Uebersetzungen ihrer Romane in Oesterreich und Deutschland bereits in den weitesten Kreisen als eine gute Erzählerin bekannt. […] Im gleichen Verlage ist vor Kurzem ein hübsch ausgestattetes Bändchen mit „Briefen der Freiin Annette v. Droste-Hülshoff“ erschienen. Die große katholische Dichterin hat bereits so viele Verehrer, daß wohl die Anzeige von dem Erscheinen dieser „Briefe“ genügt, um der rührigen Verlagshandlung zahlreiche Abnehmer zu sichern. Fügen wir noch hinzu, daß diese Briefe von einem liebenswürdigen Humor durchweht sind, der uns die Lectüre derselben überaus angenehm macht. […]
Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 13. December 1876