Dienstag, 30. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 2

Der anonyme Privatkorrespondent der Prager Zeitung schreibt am 5. April: „Es werden viele Spenden und Gaben erfordert werden, um dieses große Unglück nur einger Maßen zu mildern.“ Und tatsächlich läuft – wie schon bei ähnlichen Ereignissen in früherer Zeit – eine Spenden-Maschinerie an, in der die Wohltätigkeit der Mächtigen und des politisch weitgehend machtlosen Bürgertums der Zeit konkurrieren.

Am 6. April genehmigt der Kaiser 40.000 Gulden Konventionsmünze als Sofortmaßnahme für die Überschwemmungsopfer. Die gleiche Summe bringen „unaufgefordert“, wie die Wiener Zeitung bemerkt, die Familien Rothschild, Sina, Arnstein und Eskeles und Hermann Todesco auf. […]

Im September 1845 erscheint das Album. Zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten bei Strauss Wwe. u. Sommer in einer Auflagenhöhe von 2.000 Stück.  Es handelt sich dabei um einen Teil einer größer angelegten Spendenaktion auf Initiative von Anton Adolf Schmidl, Redakteur der Österreichischen Blätter für Literatur und Kunst. Schmidl war Geograph und als Schriftsteller bekannt unter dem Pseudonym Salmoser.

Durch den Verkauf eines musikalischen Albums und durch eine Kunstlotterie hatte Schmidl 3.685 Gulden und 42 Kreuzer an Spenden eingenommen (zum Vergleich: Staatskanzler Metternich spendete im April 1.000 Gulden). Gemeinsam mit Gustav Ritter von Franck, Redakteur der Wiener Zeitschrift für Kunst und Literatur und dem Schriftsteller Johann Gabriel Seidl wählte Schmidl aus 525 für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Texten 128 für das Wohltätigkeitsalbum aus. [Fortsetzung folgt.]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Samstag, 27. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 1

Im neunzehnten Jahrhundert waren die Bewohner der Städte an den großen Flüssen der k. u. k-Monarchie einer regelmäßig im Frühling wiederkehrenden Gefahr ausgesetzt: dem so genannten Eisstoß. Eisplatten die sich auf den Flüssen in einander verkeilten, stauten große Wassermengen zurück, die die flussaufwärts gelegenen Stadtteile überschwemmten. In der Kaiserstadt Wien war der Eisstoß der Donau ein jedes Jahr wieder mit Angst erwartetes Ereignis, aber auch in anderen Städten der Monarchie kam es immer wieder zu Überflutungen. Am 3. April 1845 berichtet die Wiener Zeitung:

Böhmen. Prag, 28. März. Am 27sten um 6 Uhr Früh hat sich endlich die ungewöhnlich starke Eisdecke, welche seit vollen sechzehn Wochen die Moldau bedeckte, gehoben und in Bewegung gesetzt. Das lange und bange erwartete Schauspiel lockte unzählige Zuschauer herbey. Beyde Brücken und der Franzensquai waren mit Schaulustigen übersäet, besonders zwischen der zehnten und eilften  Stunde, um welche Zeit das Eis oberhalb des Podkals sich in Bewegung gesetzt hatte. Die ganze Moldaufläche, so weit man sie von der Brücke aus stromauf- und stromabwärts übersehen konnte, bildete eine schwimmende Masse dichtaneinander gedrängter Eisschollen. […] Das Ausbleiben der Prager Zeitungen läßt besorgen, daß der Eisstoß unterhalb Prags ins Stocken gerathen, und dadurch ein Aufstauchen der Moldau herbeygeführt worden ist.

In den folgenden Tagen wird klar, dass die Befürchtungen der Redaktion der Oesterreichisch Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung berechtigt waren. Mit einer Verspätung von einer Woche berichtet die Wiener Zeitung von der größten Flutkatastrophe seit 1784. [Fortsetzung folgt]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Freitag, 26. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Typisch Salon

Gestern gab es unter meiner Leitung ein Kaffeehausgespräch zum Thema „Das Utopische in der Literatur“. In meiner Einleitung habe ich empfohlen, Karl Marx zu lesen. Wohin das geführt hat, können Sie hier nachlesen.

Dienstag, 23. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Lenau im Wohltätigkeitsalbum

Private Wohltätigkeit war ein wichtiger Aspekt bürgerlichen Selbstverständnisses im 19. Jahrhundert. Nach Naturkatastrophen wie z.B. einem Eisstoß wurden Sammlungen initiiert, Kunstgegenstände versteigert und literarische Alben aufgelegt.

Eines dieser Alben war:

Herausgegeben wurde es von Friedrich Witthauer (1793–1846), Journalist und Herausgeber der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Er war einer der ersten Förderer von Betty Paoli, deren frühen Gedichte in dieser Zeitschrift unter ihrem Namen „Betty Glück“ erschienen. Als Frl. Betty Glück ist sie auch in der Liste der Pränumeranten, die mit ihrer Ankaufszusage den Druck solcher Wohltätigkeitsalben ermöglichten, verzeichnet.

Neben Gedichten von Paoli, Grillparzer, Anastasius Grün und zahlreichen anderen Biedermeier-Autorinnen und -Autoren findet sich in dem Album auch die Vertonung des Lenau-Gedichts „Die Drey Zigeuner“ von Joseph Fischhof (1804-1857), Liedkomponist und Briefpartner von Robert Schumann, Giacomo Meyerbeer und Franz Liszt.

Montag, 15. März 2010 von Karin S. Wozonig
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März 1848, Teil 3

Der erste Frühlingsstrahl der Preßfreiheit!

Von M. G. Saphir

Drei Tage, inhaltsreicher als drei Jahrhunderte, sind an uns vorübergezogen, und reihen sich in die Blätter des Weltenruhmes ein als glorreiche Denkmäler eines hochherzigen, kräftigen und edlen Volkes! […]

Preßfreiheit.

Edle Bewohner Wiens! Die Schriftstellerei Wiens wird beweisen, daß sie des Geschenkes der Preßfreiheit werth und würdig! Es muß die Aufgabe der besseren Literatur sein, zu beweisen, daß sie die „Preßfreiheit“ nicht als Fackel will, sondern als Leuchte, nicht als Zunder, sondern als Balsam, nicht als Waffe, sondern als Schild, als ehernen Schild vor den höhern, mächtigen, heiligen Rechten des Volkes, des Rechtes, der Ordnung, der Sitte, als ehernen Schild vor allen Interessen der socialen Gesittung und der gesetzlichen Ordnung!

Wenn die Journalistik sich bis jetzt nicht durchaus und nicht immer die Achtung der Residenz erworben hat, so lag die Schuld an den Umständen, an dem Umstande, daß die Censur bisher die Journalistik auf ein kleines, kahles Gebiet eingepfercht hat; weil der Journalistik erst die Kraft gebrochen wurde, dann der Wille, und endlich auch die Lust zum Versuche, ein höheres Interesse zu besprechen, als jene der untersten Schichte der Literatur, der allernutzlosesten, der widerlichsten, der entnervendsten: Theater-, Ball- und Redouten-Rezension!

Die Zeit bringt ihr Bedürfniß hervor, wie sie die Menschen hervorbringt, deren sie bedarf. Nicht langer Vorschule bedarf das wahre Talent!

Der Humorist, 15. März 1848

Donnerstag, 11. März 2010 von Karin S. Wozonig
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März 1848, Teil 2

Am 15. d. M. geht im k.k. Hofburgtheater Halms neues Stück: „Verbot und Befehl“, zum Besten des Regisseurs, in die Szene.

Humorist, Wiener Tags-Courier, 11. März 1848

Mittwoch, 10. März 2010 von Karin S. Wozonig
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März 1848, Teil 1

Fanny Elßler trifft schon nächste Woche hier ein; die Preise der Blumen heben sich.

Humorist, Wiener Tags-Courier, 10. März 1848

Freitag, 5. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Wirklichkeitssinn, Möglichkeitssinn, Wirklichkeit…

Die Ausgründung des Salons Kaffeehausgespräche, die den Titel „Neigungsgruppe ‚Der Mann ohne Eigenschaften'“ trägt und sich in unregelmäßigen Abständen mit einzelnen Kapiteln des „Jahrhundertromans“ von Robert Musil beschäftigt, hat sich für das nächste Treffen das Kapitel Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muß es auch Möglichkeitssinn geben vorgenommen. Mal schaun, was dabei herauskommt.

Das ist so eine Sache, mit der Wirklichkeit, vor allem, wenn man sie mit der Kunst vergleicht. Falls man meint, dass es da etwas zu vergleichen gäbe. Was der Autor Adalbert Stifter (Vorleser der Fürstin Maria Anna Schwarzenberg bevor Betty Paoli die Stelle bekommen hat, Revolutionsbefürworter und -ablehner wie Paoli und irgendwann aus mir nicht bekannten Gründen bei Paoli in Ungnade gefallen) dazu zu sagen hat, können Sie in Auszügen in einer Rezension seiner Erzählung Nachkommenschaften lesen, die ich für readme.cc verfasst habe.

Montag, 1. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die Menschenliebe

Leopold Kompert’s newspaper project for the lower classes

In 1850, the Jewish author Leopold Kompert, born in Bohemia in 1822, contacted [Betty] Paoli to present her with his project for a people’s newspaper aimed at the education of the lower classes.  Kompert had been the chief editor of the Feuilleton – the features section – of the Austrian newspaper Lloyd from 1848 and intended to publish his people’s paper as a supplement to the Lloyd. This newspaper was financed by aristocrats and provided a platform for moderate conservative voices. […]

The structure and line of argument in Paoli’s letter […] suggest that Paoli expected Kompert to include her letter in the Feuilleton of the Lloyd, which was to provide his project with publicity and funding.  […]

With reference to the newspaper project, Paoli writes: „If it did not appear too presumptuous, I would say: thank you [for the idea] in the name of those, who are not yet capable of grasping the value of the gift presented to them.“ Paoli’s premise here is that the ‘public’ to which Kompert addresses himself was not yet able to appreciate his well-intended attempt at education. Here the bourgeois notion of superiority is expressed, an elitist assumption that enables members of the educated classes not only to distinguish between their position and the lower, that is, uneducated classes, but also to assert their position as intellectual and educational benefactors. At the same time, the importance of educational issues is confirmed by Paoli, and the possibility of individual and general educational development in the future is implied  […]

Karin S. Wozonig: „Philanthropy and Fear. Austrian Bourgeoisie and the Social Question.“ In:  I.M. van den Broek, C.A.L. Smit and D. J. Wolffram (eds): Imagination and commitment. Representations of the social question. Groningen Studies in Cultural Change. Leuven: Peeters 2010. 19-36

Donnerstag, 25. Februar 2010 von Karin S. Wozonig
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Lesen

König Ahmed hatte zwei wißbegierige Söhne: Behmed und Cehmed.
Und der König schenkte seinem Erstgeborenen, Behmed, tausend gute Bücher und seinem Zweitgeborenen, Cehmed, ein gutes Buch.
Und die wißbegierigen Söhne lasen in einemfort.
Und Cehmed wurde weise und Behmed wurde dumm.

Marie von Ebner-Eschenbach