Freitag, 20. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Der feuilletonistische Witz von Saphir

Warum fürchten so viele Schriftsteller den Tod so sehr? Weil sie jenseits ganz leer ankommen werden, denn der Mensch nimmt nichts mit als seine guten Werke.
Moritz Gottlieb Saphir

Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858) war Kritiker und Feuilletonist. Er gründete 1837 die Zeitschrift „Der Humorist“, in der er seine polemischen Kritiken und spöttischen Kommentare zum Zeitgeschehen veröffentlichte. Damit legte er sich unter anderem mit Nestroy an. Eine Beiträgerin der Zeitschrift war Betty Paoli.

Samstag, 14. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die Biographie

Franzensbad, 31. Juli 1856

Theuerster Freund!

Wahrscheinlich haben Sie schon durch Ida die Angelegenheit erfahren, in welcher ich Ihnen heute schreibe. Herr Pfautsch will mein Portrait in dem Taschenbuch „Gedenke mein“ erscheinen lassen und besagtem Conterfei auch meine Biographie beigeben. Gegen eine solche habe ich mich nun entschieden erklärt. Bin ich einmal todt und es will sich Jemand die Mühe nehmen, meine Biographie zu schreiben, so kann ich es, leider! nicht hindern, aber so lange ich noch auf Erden wandle, fühle ich nicht den mindesten Beruf, vor dem Publikum eine Art Generalbeichte abzulegen. Biographien noch lebender Personen müssen entweder lügen- oder lückenhaft sein; wenn dieß nicht, sind sie noch Schlimmeres: eine Entweihung, die man seinem eigensten Wesen zufügt, um die Neugier und Klatschsucht der plumpen Masse zu befriedigen. … Ich habe mich also nur dazu verstanden, einige biographische Notizen zu liefern. Diesen flüchtigen Umrissen meines äußeren Lebens wäre es aber passend, ein Bild meines geistigen Seins beizufügen … Mein guter, treuer Freund! Sie erzeigen mir einen großen Liebesdienst und ersparen mir wahrscheinlich bedeutende Unannehmlichkeiten, wenn Sie die Arbeit, um die es sich hier handelt, übernehmen.  …
Leben Sie wohl, erfüllen Sie meine Bitte und gedenken Sie meiner in Freundschaft. Ihre Betty Paoli

Sonntag, 8. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli über Literatur und Entsagung

In der Zeit des Biedermeier ist das romantische Ideal von der Einheit von Kunst und Leben nicht aufrecht zu halten. Die Gesellschaft der sich emanzipierenden Bürger braucht zuverlässige Mitglieder, die ihre Leidenschaften zähmen und eine klare, effiziente Aufteilung der Sphären befolgen. Die Dichter der Zeit sind Grenzgänger zwischen den Welten, die sich den bürgerlichen Anforderungen entziehen und sie dadurch stabilisieren. Gilt das auch für die Dichterinnen? In diesem Beitrag wird das Werk der österreichischen Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli  (1814-1894) zu diesem Thema befragt…

Weiterlesen: Karin S. Wozonig: Kunst oder Leben. Betty Paoli über Literatur und Entsagung. In: Strategien des Entziehens: sinnhaft 22. Hg. von Hyperrealitätenbüro

Dienstag, 3. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Ein ungehaltener Brief von Marie v. Ebner-Eschenbach

Schon vorige Woche habe ich an dieser Stelle der anekdotischen Neugier das Wort geredet und aus einem Brief Marie von Ebner-Eschenbachs zitiert. Ich setze heute fort mit einem Auszug aus einem Brief der Schriftstellerin an Emerich du Mont, Verfasser des Werks Das Weib. Philosophische Briefe über dessen Wesen und Verhältniß zum Manne (Leipzig 1879). An ihn schreibt Marie von Ebner-Eschenbach zum Thema schreibende Frauen am 20. Dezember 1879:

Keinem Franzosen wird es einfallen, die Sévigné, die Stael, die Du Deffand, die Sand nicht zu seinen Klassikern zu zählen. Die Franzosen sind stolz darauf, daß die Reihe ihrer großen auf die Nation wirkenden Schriftstellerinnen von Marie de France bis auf Louise Ackermann nicht eine Lücke aufzuweisen hat. Ein Engländer würde sich gewiß wundern, wenn er uns leugnen hörte, daß der größte jetzt lebende Romanschriftsteller George Eliot ist oder daß Felicia Hemans, Lätitia Landon, Howitt, Norton, Wortley etc. in der Weltliteratur einen ehrenvollen Platz behaupten. Bei uns steht es anders. Bei uns hat eine neu erfundene Naturgeschichte die Entdeckung gemacht, daß die Frau an und für sich nichts ist, daß sie nur etwas werden kann durch den Mann, dem sie in Liebe angehört, dem sie sich in Demut unterwirft, in dessen Leben das ihre aufgeht.

Donnerstag, 29. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Die Dichterin im Zweifel und zu Pferde

Die österreichische Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1914) stand in regem Briefkontakt mit der Lyrikerin Sephine von Knorr. Gerade werden die Briefe dieser beiden Frauen in einem Projekt an der Universität Salzburg unter der Leitung von Ulrike Tanzer ediert. Nach einer Phase der theorielastigen Literaturwissenschaft kann man in den letzten Jahren wieder die Frage stellen: Sind DichterInnenbriefe aufschlussreich für das Verständnis des Werks? Ich möchte heute der anekdotischen Neugier das Wort reden und aus einem Brief Marie von Ebner-Eschenbachs an Sephine von Knorr aus 1853 zitieren:

Seitdem ich in Znaim bin, beschäftige ich mich fast ausschließlich mit ernsthaften Studien: ich muß solchen noch Jahre meines Lebens widmen, denn meine Unwissenheit ist mir all und überall ein Stein des Anstoßes. Niemals war ich überzeugter als jetzt, daß ich meine goldenen Träume von einem in der Poesie für mich erreichbaren, wünschenswerten Ziel aufgeben muß, daß ich vollkommen talentlos sei. Du bist glücklich, Sefine, Du besitzest ein großes, einziges Talent, dem Du Dein Leben widmen kannst. Meine Freude ist hier, daß ich täglich allein ausreiten kann, und die Stunden dieses einsamen Rittes sind die besten im Tage! Da bin ich frei, da bin ich vergnügt, ich versichere Dich, man begreift von zu wenig Seiten die Poesie des Reitens…

Montag, 26. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Die soziale Wunde Frauenfrage

Das ist der vierte und letzte Teil meiner Montag-Blog-Serie zu einem Feuilleton Betty Paolis, in dem die Schriftstellerin auf die Schlacht von Königgrätz (1866) reagierte. In dem Text, nachzulesen in Betty Paoli. Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht? Wien: Mandelbaum 2001 (herausgegeben von Eva Geber), plädiert Paoli dafür, bürgerlichen Frauen den bislang verwehrten Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen – aus Gerechtigkeitssinn und aus ökonomischen Gründen.

Selbst in besseren Zeiten hat diese soziale Wunde tief und schmerzlich aufgeklafft; wie aber erst jetzt, nach solchen Unglückstagen, wie wir sie erleben mussten! Zu den Alleinstehenden, vom Glück der Häuslichkeit Ausgeschlossenen, für die ich schon früher die Stimme erhob, haben sich seitdem die Witwen und Waisen derer gesellt, die auf den Schlachtfeldern für Österreich verbluteten; die zwar minder Unglücklichen, doch nicht minder Bedrängten, denen fortan die Sorge für einen verstümmelten, zu jedem Erwerb unfähigen Vater, Gatten oder Bruder zufällt. Nicht Almosen sind es, die sie von euch verlangen, nein! Nur die Förderung, welche die Beseitigung einengender Schranken von selbst mit sich bringt. Nehmt dem Leid, das immer noch zurückbleiben wird, den eklen Beigeschmack der Sorge um das tägliche Brot, bringt der Menschlichkeit das wahrlich geringe Opfer eines verrotteten Wahns und seid freisinnig, um gerecht sein zu können! Lasst mich euch nicht vergeblich an Pombals Wort erinnert haben: „Wir wollen die Toten begraben und für die Lebenden sorgen!“

Donnerstag, 22. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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E-Books und Hardcovers

In einer Pressemeldung von vergangenem Montag verlautet Amazon, dass ihr E-Book-Reader Kindle und der dafür verkaufte Content (E-Books) durchschlagende Erfolge seien. Einige Vergleichszahlen (die sich mir, so muss ich zugeben, nicht restlos erschließen) klingen beeindruckend, z.B.:

Recent milestones for Kindle books include: Over the past three months, for every 100 hardcover books Amazon.com has sold, it has sold 143 Kindle books. Over the past month, for every 100 hardcover books Amazon.com has sold, it has sold 180 Kindle books.

Das ist allerdings kein Zeichen von Medienwandel, denn nicht nur die Verkaufszahlen von „Kindle books“ stiegen, sondern auch die gedruckter Bücher. Zitat aus der Pressemeldung:

… even while our hardcover sales continue to grow, the Kindle format has now overtaken the hardcover format.

Die American Publishers Association hat für das erste Halbjahr 2010 einen Umsatzzuwachs bei gebundenen Büchern von 22 Prozent festgestellt, Taschenbücher verkaufen sich noch besser. Die Pressemeldung von Amazon bezieht sich nur auf gebundene Ausgaben.

Und bevor Sie fragen: Nein, ich habe keinen Kindle. Ich kann keinen Apparat kaufen, der etwas mit Büchern zu tun hat hat und für den sich jemand (möglicherweise ein Texter) die Bezeichnung „anzünden“ ausgedacht hat.

Montag, 19. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Königinnen, Erzieherinnen

Die Schrifstellerin Betty Paoli war eine der konservativen Theoretikerinnen der sogenannten Frauenfrage, i.e. der Frage nach der sozialen Position von Frauen, besonders nach dem Zugang zur Erwerbstätigkeit. Ein Feuilleton mit dem Titel „Ein Wort Pombals“, eine Reaktion auf die Schlacht von Königgrätz (1866), nützte Paoli für ein Plädoyer. Die Bereiche, in denen Frauen außerhalb des Hauses tätig werden konnten, sollten ihrer Meinung nach ausgeweitet werden. Hier nun der dritte Teil der Montag-Blog-Serie zu diesem Text.

Nach einer Ausführung über Maria Theresia, Isabella von Galizien, Elisabeth von England und Katharina von Russland fährt Paoli fort:

Es tut übrigens nicht Not, den Blick zu diesen Höhen des Daseins zu erheben, um den Widerspruch gewahr zu werden, in dem unsere sozialen Einrichtungen den Frauen gegenüber mit sich selbst stehen. Einerseits erklärt man sie für unfähig, die Geschäfte zu versehen, welche man dem allergewöhnlichsten, allerunbedeutendsten Manne unbedenklich anvertraut, andererseits überlässt man ihnen das Wichtigste und Folgenreichste: die Erziehung des heranwachsenden Geschlechtes. Wenn dies nicht der sträflichste Leichtsinn, ist es die schreiendste Ungerechtigkeit. Stehen die Frauen wirklich so niedrig, wie ihr, nach den Beschränkungen zu schließen, die ihr ihnen auferlegt, zu glauben scheint, dann ist es eure Pflicht, ihnen jeglichen Wirkungskreis zu entziehen. Dann mögt ihr alle eure Sorgen allein tragen und eure Kinder in öffentlichen Staatsanstalten erziehen lassen. Ob ihr euch dabei besser befinden werdet? Ich glaube es nicht, doch mindestens werdet ihr konsequent handeln. Gesteht ihr aber den Frauen den Wert, die Ausdauer, die Hingebung und Intelligenz zu, deren es bedarf, um den Pflichten, die sie als Wahrerinnen des häuslichen Wohlstandes, als Erzieherinnen ihrer Kinder erfüllen sollen, zu genügen, dann verwehrt ihnen nicht länger die Möglichkeit, diese Eigenschaften auch in einer anderen Sphäre zu betätigen. Warum sie dies anstreben? Weil „die ungestüme Drängerin, die Not“ sie dazu zwingt! Weil viele von ihnen sich auf niemanden und auf nichts als nur die eigene Arbeitskraft zu stützen haben! Weil sie, durch ein grausames Vorurteil von den meisten Erwerbsgebieten ausgeschlossen, dem Elend oder dem Laster anheim fallen müssen!

Donnerstag, 15. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Chaostheorie als Lebensweisheit

Ein Schlüsselbegriff der Chaostheorie ist die Bifurkation. Sie bezeichnet eine qualitative Zustandsänderung eines nichtlinearen Systems. Der Begriff geht auf den Mathematiker und Physiker Henri Poincaré zurück, der ihn in diesem Sinn erstmals 1885 verwendet. Auch die Gabelung eines Flusses oder einer Pflanze wird als Bifurkation bezeichnet. Und gelegentlich wird beobachtet, dass es auch auf Lebenswegen Bifurkationen gibt:

In jedem Menschenleben treten Perioden ein, von wo aus sich, wie die Knotenpunkte an einem Pflanzenstengel, neue Entwicklungen erschließen, welche entweder die äußeren Verhältnisse und Schicksale oder die innere Geistesrichtung für lange Zeit, vielleicht für das ganze Leben bestimmen.
Aus: Ludwig Richter: Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, 1885

Montag, 12. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Königgrätz, Wohltätigkeit, Frauenfrage

Zweiter Teil
Auf die Schlacht von Königgrätz (3. Juli 1866) reagierte die Schriftstellerin Betty Paoli mit einem Feuilleton, in dem sie dazu aufruft, Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Hier ein weiterer gekürzter Ausschnitt aus dem Text:

Befände sich der Staat auch nicht in seiner gegenwärtigen Bedrängnis, so könnte er den, ob noch so gerechten, Ansprüchen dieser hilflosen Schar doch immer nur in unvollständiger Weise genügen. Wie die Sachen jetzt stehen, kann er für sie nicht mehr tun, als wozu Gesetz und Norm ihn verpflichten. Er ist nicht in der Lage, großmütig sein zu dürfen. Ebenso eitel wäre ein Aufruf an die Privatwohltätigkeit, wie herrlich sich diese auch neuerdings bewährt hat. Zudem dürfte es unter den Hilfsbedürftigen viele geben, deren durch Erziehung und Bildung gestärktes Selbstgefühl sich gegen eine Unterstützung, wie man sie Bettlern reicht, empören und sie bestimmen würde, lieber zu darben, als Almosen zu empfangen. Für diese – die Unglücklicheren, weil sie die Edleren sind – muss Sorge getragen werden. Die sicherste, ehrenvollste und vorteilhafteste Weise, in der dies geschehen kann, besteht darin, dass man ihnen Erwerbsquellen erschließe, die in anderen Ländern schon längst den Frauen zugänglich sind. Hier ist das Gebiet, auf welchem der Staat und Private sich zu gemeinschaftlichem Wirken vereinigen könnten; jener, indem er nach dem Beispiel Frankreichs, der Schweiz usw. seine Post-, Stempel- und Telegraphen-Bureaus zum Teil von Frauen verwalten ließe; diese, indem sie sich endlich von dem albernen Vorurteil lossagten, der beschränkteste Mann sei zu einer Anstellung in einem Geschäft, einem Comptoir, einer Schule besser befähigt als die intelligenteste Frau.