Zur Erinnerung
Aus dem Tagebuch von Betty Paoli, 13. März 1882:
27ster Jahrestag von meiner ersten Begegnung mit Ida.
Aus dem Tagebuch von Betty Paoli, 13. März 1882:
27ster Jahrestag von meiner ersten Begegnung mit Ida.
Am Sonntag den 13. März, 8.15, liest Nicole Heesters in der Sendung „Du holde Kunst“ auf Ö1 unter anderem ein Gedicht von Betty Paoli. Die Sendung steht unter dem Titel „Ich weiß, was ich will“, einem Zitat aus dem Gedicht „Ich“ von Paoli, über dessen Verbreitung in den Medien ich bereits berichtet habe.
Wie in diesem Blog mehrfach angekündigt, habe ich eine meiner Lieblingstätigkeiten, nämlich das Lesen, auf sogenannte elektronische Bücher ausgedehnt. Als Werkzeug dafür (danke Gerda!) dient mir ein Gerät mit der eigentümlichen Bezeichnung OYO, das unter anderem über eine sehr simple Webshop-Funktion verfügt, mit deren Hilfe man hürdenlos Bücher der Buchhandelskette Thalia (294 Buchhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz) kaufen kann, ein Geschäftsmodell, dass sich, glaubt man den Pressemeldungen von Amazon, bewährt.
Wer so wie ich Bücher des neunzehnten Jahrhunderts schätzt, kann mittlerweile auch diese im e-Book-Format käuflich erwerben (der Preis beträgt zwischen 90 Cent und 2 Euro pro Buch). Alternativ stellen diversen Plattformen, unter anderem google books, gemeinfreie Bücher aller Art gratis in den entsprechenden Formaten (der OYO erkennt unter anderem pdf- und epub-Dateien) zur Verfügung. Die Qualität der Digitalisate lässt allerdings oft zu wünschen übrig und die Auswahl ist gleichermaßen überwältigend wie enttäuschend.
Daher habe ich jetzt zu einer altmodischen Lösung gegriffen und mir eine DVD des etwas glücklosen Unternehmens Direct Media Publishing gekauft, das mit seiner Digitalen Bibliothek bereits vor Jahren ein großes Digitalisierungsprojekt realisiert hat, mit seiner proprietären Software – die durchaus gute Funktionalitäten aufweist – allerdings den Geist der Zeit nicht ganz verstanden hat. Neben der von Seiten des Anbieters etwas optimistischen Möglichkeit, durch den Kauf einer Konvertierungssoftware aus den Texten der Digitalen Bibliothek e-Reader-lesbare Dateien zu machen, gibt es auch die Möglichkeit „Die große eBook-Bibliothek der Weltliteratur“ zu erstehen. In meiner Version sind von den knapp 3.000 Texten (davon ca. 1.800 deutschsprachige „Klassiker“) fünf im epub-Format fehlerhaft, lassen sich aber durch die entsprechenden pdf-Files ersetzen. Die Texte sind gut redigiert, Funktionen wie Volltextsuche und Inhaltsverzeichnisse sind vorhanden. Ab heute habe ich nicht nur die Lutherbibel und Goethes „Faust“ sondern auch mehrere Gedichtbände von Ada Christen, den „Witiko“ von Stifter und das publizistische und lyrische Hauptwerk von Betty Paoli immer bei mir.
Heute vor 196 Jahren wurde Betty Paoli geboren.
Betty Paoli: „Die Pythia“
Ich dichte nicht in frohen Stunden –
Mein Leben ist an solchen leer!
Ich dichte nicht, um zu gesunden –
Genesung gibts für mich nicht mehr.
Ich dichte nicht, um zu erstreben
Des Ruhmes gleißnerische Pracht,
Die, statt Unsterblichkeit zu geben,
Ein zweites Mal nur sterben macht.
Ich dichte nicht, um mich zu krönen
Mit meiner Leiden Dorngeflecht;
Die Menge würde mich verhöhnen
Und sprechen: Es geschah Dir Recht!
Mein Lied quillt aus demselben Borne,
Aus dem das Wort der Pythia brach,
Als rauh und wild im Siegerzorne
Der Macedonier zu ihr sprach.
Des Schicksals nachtumflorten Willen,
Der Zukunft keimevollen Grund
Sollt‘ ihm ihr Seherspruch enthüllen,
Allein verschlossen blieb ihr Mund.
Doch nichts kann sein Verlangen wenden,
Nichts beugen seinen starren Sinn!
Mit frevelhaft vermessnen Händen
Faßt er die bleiche Priesterin.
Zum Schlunde, dunkel, unergründlich,
Drängt er sie zürnend mit Gewalt,
Bis: »Ja! du bist unüberwindlich!«
Sie angst- und zorndurchschauert lallt. –
Die Kunst ist eine zusammengepresste Natur und die Natur eine auseinandergelaufene Kunst.
Nikolaus Lenau an Emilie von Reinbeck, 6. Oktober 1842:
Betty Paoli hat mir ihre mir gewidmeten Gedichte nebst einem Briefe zugesendet, so voll berauschenden Lobes und warmer Gesinnung der innigsten Theilnahme, daß ich fast einige Augenblicke äquilibriren mußte um nicht von einem selbstüberschätzenden Taumel ergriffen zu werden. Doch, ich bin gerettet; nicht blos bei meiner Geige bin ich mir der falschen Griffe und des Gefitschels bewußt. – Ich habe die Dichterin besucht und fand sie sehr liebenswürdig und vernünftig. Leider konnte ich aber meiner gewohnten Verschlossenheit nicht dasjenige Maß von Freundlichkeit zur Gegengabe abgewinnen, das die gute, edle Seele verdient hätte.
Für die Neuausgabe des Killy Literaturlexikons habe ich einen Artikel über Betty Paoli geschrieben. Vor einigen Wochen ist der betreffende Band erschienen und jetzt auch online beim Verlag de Gruyter verfügbar. Ich schreibe immer gern über Paoli, dieser Lexikonbeitrag hat mir aber besondere Freude gemacht. Denn der Artikel aus dem Killy von 1991, verfasst von Eda Sagarra, war für mich ein wichtiger Startpunkt für mein literaturwissenschaftliches Interesse an der Dichterin. Dieses hat seither zu einer Monographie, Zeitschriften- und Buchbeiträgen geführt und ist – wie Sie auch aus diesem Blog ersehen können – noch nicht erlahmt.
Ein neues Buch hat in meine Sammlung von Lyrikanthologien Aufnahme gefunden (herzlichen Dank an Susanne), nämlich Auf Flügeln des Gesanges, herausgegeben von der Freiin v. Hohenhausen. Es handelt sich um die sehr schöne Ausgabe aus dem Leipziger Verlag Gustav Fock, gedruckt 1899, mit Illustrationen unter anderem von Ludwig Richter.
Bei der Herausgeberin handelt es sich um Elise von Hohenhausen, einer Förderin von Annette von Droste-Hülshoff und einer Verehrerin Heinrich Heines. Von Betty Paoli hat Hohenhausen das Gedicht „Gabe“ in die Sammlung aufgenommen. Die erste Strophe lautet:
Alles hinzugeben
Ist der Liebe Brauch;
Nimm denn hin mein Leben,
Und mein Sterben auch!
Das Gedicht wurde von der Wiener Komponistin und Dirigentin Lise Maria Mayer (1894-1968) und von Erik Meyer-Helmund (1861-1932) vertont.
Als Betty Paoli nach Paris reiste, lernte sie durch Elise von Hohenhausens Vermittlung Heinrich Heine kennen.
Betty Paoli: Die Dichterin
Viel Muth braucht man in unsern Tagen,
(Ja Muth! Nicht nur Beruf allein),
Sich an die Lira noch zu wagen,
Hat man das Unglück Weib zu sein.
Als Geißel in des Lebens Kreisen
Bezeichnet man die Dichterin,
Allein, wie dieses zu erweisen,
Will mir doch nimmer in den Sinn.
Horcht doch des großen Meisters Worten:
„Wem in dem deutschen Dichterwald
Die Gabe des Gesangs geworden,
Der singe, daß es weithin schallt!“ –
In einem Bunde will Er sehen,
Der Musa Kinder all vereint,
Er gibt dabei nicht zu verstehen,
Daß er die Söhne nur gemeint.
Daß aus so mancher Frauenfeder
Erbärmliches geflossen sei,
Viel Verse, ach! Von denen jeder
Verrenket kreischt: „Gott steh mir bei!“
Dieß als Verleumdung abzuweisen,
Wär‘ ein unwürdig Truggeschäft,
Doch saget, ob in euern Kreisen
Ihr nicht auch solche Muster trefft? –
Und wenn die einz’ge Wahl mir bliebe,
(Im Grund Wahl zwischen Strick und Schwert!)
Weh! zwischen Liedern matter Liebe,
Und zwischen jenen, wo versehrt
Der Musa strahlendes Gefieder
Durch Diatriben lichterloh,
Dann zög‘ ich vor die matten Lieder
Der groben à la so und so. –
Warum soll jene Stimme eben,
Die in so mancher herben Pein
Den Andern sanften Trost kann geben,
Nicht zum Gesang‘ berufen sein?
Und jene Hand, die nassen Augen
Enthüllt ein höheres Asyl,
Die sollte nimmer dazu taugen,
Zu rühren an das Saitenspiel?
Wer sich das Dichten kann verwehren,
Hat sich zum Dichten nur gemüht!
Wenn Wonnen mein Gemüth verklären,
So werden sie in mir zum Lied,
Wenn höhrer Schmerz mein Sein durchdringet,
Schallt er aus meines Herzens Grund,
Und wenn die Seele in mir singet,
Singt auch, ohn‘ daß ich’s will, der Mund
Nie hörte man mein Lied ertönen,
Zum Ruhme eitler, ird’scher Macht,
Nie sah man es der Lüge fröhnen,
Stumm blieb’s in einer Sündennacht;
Doch mit der Sterne Flammenzungen,
Mit jeder Blum‘, die strahlt und blüht,
Hat es den Hymnus mitgesungen,
Der betend durch die Schöpfung zieht!
(1837)
Am 30. August 1837 erschien im „Humorist“ ein Gedicht Betty Paolis, in dem sich das lyrische Ich Gedanken über die Frauenfrage auf poetischem Gebiet macht. Das Gedicht heißt „Die Dichterin“ und beginnt mit den Versen
Viel Muth braucht man in unsern Tagen,
(Ja Muth! nicht nur Beruf allein),
Sich an die Lira noch zu wagen,
Hat man das Unglück Weib zu sein.
Als Geißel in des Lebens Kreisen
Bezeichnet man die Dichterin,
Allein, wie dieses zu erweisen,
Will mir doch nimmer in den Sinn.
In diesem Zusammenhang sei auf Grillparzers Stammbuchspruch für die Autorin Josephine von Remekházy verwiesen.