Freitag, 9. April 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 4

Mundartgedichte und ‚Geschichten aus dem Volke’ stehen in dem Wohltätigkeitsalbum neben schwermütiger Liebeslyrik, romantische Naturschilderungen neben Scherzgedichten. Einige der Texte sind als Ausschnitte aus bereits veröffentlichten Werken markiert, unter den Prosatexten befinden sich historische Abhandlungen,  Reiseschilderungen und Auszüge aus literarischen Tagebüchern. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten gibt einen sehr aufschlussreichen Einblick in das literarische Leben und das intellektuelle Netzwerk der Zeit.
Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Sonntag, 4. April 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 3

Unter den Beiträgern des Wohltätigkeitsalbums finden sich prominente Vertreter der Biedermeierliteratur wie Ladislaus Pyrker, Anastasius Grün, Friedrich Halm, Eduard von Bauernfeld. Auch Texte von Caroline Pichler und Franz Grillparzer sind in dem Album vertreten.

Von Grillparzer finden wir die Gedichte Alma von Göthe und Wanderscene, von der 1843 verstorbenen Caroline Pichler steuert Ludwig August Frankl Briefe aus dem Nachlass bei. Frankl, der mit vielen der Literaten durch seine regelmäßigen Besuche im Salon der Henriette Wertheimer bekannt war, erklärt in einer Einleitung, dass die Veröffentlichung der Korrespondenzstücke zu wohltätigem Zweck ganz im Sinne Pichlers gewesen wäre.

Außerdem stellt Frankl (neben eigenen Texten) ein Gedicht von Joseph Emanuel Hilscher zur Verfügung und erläutert, dass der von den Überschwemmungen besonders betroffene Ort Leitmeritz Hilschers Geburtsort sei.

Viele der im Album vertretenen Autoren sind Almanach-erprobte Vielschreiber, so z. B. Ignaz F. Castelli, Heinrich von Levitschnigg und Johann Nepomuk Vogel, viele Beiträger sind einander in den Salons der Ottilie von Goethe bzw. der Henriette Wertheimer begegnet. […] Von Betty Paoli finden sich vier Gedichte in dem Album, formal in der ihr eigenen Strenge und mit Themen, die für ihre Lyrik typisch sind: Schmerz, Seelenleid, innerer Kampf und Todesahnung. [Fortsetzung folgt.]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Dienstag, 30. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 2

Der anonyme Privatkorrespondent der Prager Zeitung schreibt am 5. April: „Es werden viele Spenden und Gaben erfordert werden, um dieses große Unglück nur einger Maßen zu mildern.“ Und tatsächlich läuft – wie schon bei ähnlichen Ereignissen in früherer Zeit – eine Spenden-Maschinerie an, in der die Wohltätigkeit der Mächtigen und des politisch weitgehend machtlosen Bürgertums der Zeit konkurrieren.

Am 6. April genehmigt der Kaiser 40.000 Gulden Konventionsmünze als Sofortmaßnahme für die Überschwemmungsopfer. Die gleiche Summe bringen „unaufgefordert“, wie die Wiener Zeitung bemerkt, die Familien Rothschild, Sina, Arnstein und Eskeles und Hermann Todesco auf. […]

Im September 1845 erscheint das Album. Zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten bei Strauss Wwe. u. Sommer in einer Auflagenhöhe von 2.000 Stück.  Es handelt sich dabei um einen Teil einer größer angelegten Spendenaktion auf Initiative von Anton Adolf Schmidl, Redakteur der Österreichischen Blätter für Literatur und Kunst. Schmidl war Geograph und als Schriftsteller bekannt unter dem Pseudonym Salmoser.

Durch den Verkauf eines musikalischen Albums und durch eine Kunstlotterie hatte Schmidl 3.685 Gulden und 42 Kreuzer an Spenden eingenommen (zum Vergleich: Staatskanzler Metternich spendete im April 1.000 Gulden). Gemeinsam mit Gustav Ritter von Franck, Redakteur der Wiener Zeitschrift für Kunst und Literatur und dem Schriftsteller Johann Gabriel Seidl wählte Schmidl aus 525 für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Texten 128 für das Wohltätigkeitsalbum aus. [Fortsetzung folgt.]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Samstag, 27. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 1

Im neunzehnten Jahrhundert waren die Bewohner der Städte an den großen Flüssen der k. u. k-Monarchie einer regelmäßig im Frühling wiederkehrenden Gefahr ausgesetzt: dem so genannten Eisstoß. Eisplatten die sich auf den Flüssen in einander verkeilten, stauten große Wassermengen zurück, die die flussaufwärts gelegenen Stadtteile überschwemmten. In der Kaiserstadt Wien war der Eisstoß der Donau ein jedes Jahr wieder mit Angst erwartetes Ereignis, aber auch in anderen Städten der Monarchie kam es immer wieder zu Überflutungen. Am 3. April 1845 berichtet die Wiener Zeitung:

Böhmen. Prag, 28. März. Am 27sten um 6 Uhr Früh hat sich endlich die ungewöhnlich starke Eisdecke, welche seit vollen sechzehn Wochen die Moldau bedeckte, gehoben und in Bewegung gesetzt. Das lange und bange erwartete Schauspiel lockte unzählige Zuschauer herbey. Beyde Brücken und der Franzensquai waren mit Schaulustigen übersäet, besonders zwischen der zehnten und eilften  Stunde, um welche Zeit das Eis oberhalb des Podkals sich in Bewegung gesetzt hatte. Die ganze Moldaufläche, so weit man sie von der Brücke aus stromauf- und stromabwärts übersehen konnte, bildete eine schwimmende Masse dichtaneinander gedrängter Eisschollen. […] Das Ausbleiben der Prager Zeitungen läßt besorgen, daß der Eisstoß unterhalb Prags ins Stocken gerathen, und dadurch ein Aufstauchen der Moldau herbeygeführt worden ist.

In den folgenden Tagen wird klar, dass die Befürchtungen der Redaktion der Oesterreichisch Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung berechtigt waren. Mit einer Verspätung von einer Woche berichtet die Wiener Zeitung von der größten Flutkatastrophe seit 1784. [Fortsetzung folgt]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Dienstag, 23. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Lenau im Wohltätigkeitsalbum

Private Wohltätigkeit war ein wichtiger Aspekt bürgerlichen Selbstverständnisses im 19. Jahrhundert. Nach Naturkatastrophen wie z.B. einem Eisstoß wurden Sammlungen initiiert, Kunstgegenstände versteigert und literarische Alben aufgelegt.

Eines dieser Alben war:

Herausgegeben wurde es von Friedrich Witthauer (1793–1846), Journalist und Herausgeber der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Er war einer der ersten Förderer von Betty Paoli, deren frühen Gedichte in dieser Zeitschrift unter ihrem Namen „Betty Glück“ erschienen. Als Frl. Betty Glück ist sie auch in der Liste der Pränumeranten, die mit ihrer Ankaufszusage den Druck solcher Wohltätigkeitsalben ermöglichten, verzeichnet.

Neben Gedichten von Paoli, Grillparzer, Anastasius Grün und zahlreichen anderen Biedermeier-Autorinnen und -Autoren findet sich in dem Album auch die Vertonung des Lenau-Gedichts „Die Drey Zigeuner“ von Joseph Fischhof (1804-1857), Liedkomponist und Briefpartner von Robert Schumann, Giacomo Meyerbeer und Franz Liszt.

Freitag, 5. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Wirklichkeitssinn, Möglichkeitssinn, Wirklichkeit…

Die Ausgründung des Salons Kaffeehausgespräche, die den Titel „Neigungsgruppe ‚Der Mann ohne Eigenschaften'“ trägt und sich in unregelmäßigen Abständen mit einzelnen Kapiteln des „Jahrhundertromans“ von Robert Musil beschäftigt, hat sich für das nächste Treffen das Kapitel Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muß es auch Möglichkeitssinn geben vorgenommen. Mal schaun, was dabei herauskommt.

Das ist so eine Sache, mit der Wirklichkeit, vor allem, wenn man sie mit der Kunst vergleicht. Falls man meint, dass es da etwas zu vergleichen gäbe. Was der Autor Adalbert Stifter (Vorleser der Fürstin Maria Anna Schwarzenberg bevor Betty Paoli die Stelle bekommen hat, Revolutionsbefürworter und -ablehner wie Paoli und irgendwann aus mir nicht bekannten Gründen bei Paoli in Ungnade gefallen) dazu zu sagen hat, können Sie in Auszügen in einer Rezension seiner Erzählung Nachkommenschaften lesen, die ich für readme.cc verfasst habe.

Montag, 1. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die Menschenliebe

Leopold Kompert’s newspaper project for the lower classes

In 1850, the Jewish author Leopold Kompert, born in Bohemia in 1822, contacted [Betty] Paoli to present her with his project for a people’s newspaper aimed at the education of the lower classes.  Kompert had been the chief editor of the Feuilleton – the features section – of the Austrian newspaper Lloyd from 1848 and intended to publish his people’s paper as a supplement to the Lloyd. This newspaper was financed by aristocrats and provided a platform for moderate conservative voices. […]

The structure and line of argument in Paoli’s letter […] suggest that Paoli expected Kompert to include her letter in the Feuilleton of the Lloyd, which was to provide his project with publicity and funding.  […]

With reference to the newspaper project, Paoli writes: „If it did not appear too presumptuous, I would say: thank you [for the idea] in the name of those, who are not yet capable of grasping the value of the gift presented to them.“ Paoli’s premise here is that the ‘public’ to which Kompert addresses himself was not yet able to appreciate his well-intended attempt at education. Here the bourgeois notion of superiority is expressed, an elitist assumption that enables members of the educated classes not only to distinguish between their position and the lower, that is, uneducated classes, but also to assert their position as intellectual and educational benefactors. At the same time, the importance of educational issues is confirmed by Paoli, and the possibility of individual and general educational development in the future is implied  […]

Karin S. Wozonig: „Philanthropy and Fear. Austrian Bourgeoisie and the Social Question.“ In:  I.M. van den Broek, C.A.L. Smit and D. J. Wolffram (eds): Imagination and commitment. Representations of the social question. Groningen Studies in Cultural Change. Leuven: Peeters 2010. 19-36

Mittwoch, 17. Februar 2010 von Karin S. Wozonig
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Pathologische Romane

Aus dem Tagebuch von Betty Paoli:

14.1. [1890]: Über Grillparzer und an Helene B. geschrieben. … Abends allein; Germinie Lacerteux zu Ende gelesen. Wenn doch alle diese pathologischen Romane der Teufel holte!

Sonntag, 14. Februar 2010 von Karin S. Wozonig
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Happy Valentines Day mit Betty Paoli

Hier sehen Sie eine Postkarte mit einem Gedichtanfang von Betty Paoli, verschickt im Jahr 1903, aus dem Bestand des San Jose Postcard Club.

Das Gedicht trägt den Titel „Gute Nacht!“ und lautet vollständig:

Im tiefsten Innern
Ein süß Erinnern
Und einen Gruß
Zum Tagesschluß.

Daß Gottes Güte
Mein Glück behüte,
Daß seine Treu‘
Stets mit dir sei;

Daß deine Seele
Sich mir vermähle
Auf ewiglich:
Das bete ich.

Auf ihn nur zähl‘ ich,
Uns beid‘ empfehl‘ ich
Fromm seiner Macht –
Nun, gute Nacht!

Dabei handelt es sich um eines der populärsten Gedichte Betty Paolis. Es wurde mindestens fünf Mal vertont: Von Robert Franz (1815-1892), Hans Hermann (1870-1931), Ernst Ludwig (1852-1925), der Prager Komponistin Katerina Emingerová (1856-1934)

sowie von Walter Battison Haynes (1859–1900) mit einer Übersetzung von Th. Baker:

Donnerstag, 11. Februar 2010 von Karin S. Wozonig
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Zu viel Satire

Aus dem Tagebuch von Betty Paoli:

8.2. [1880] Abends im „Wippchen“ gelesen. Über einen einzelnen Witz mag man lachen, eine Collection von Witzen erregt leicht Langeweile.

Nachzuprüfen in: Wippchens charmante Scharmützel. Erträumt v. Julius Stettenheim. In Erinnerung gebracht von Siegfried Lenz u. Egon Schramm. Hoffmann u. Campe. Hamburg 1983.