Donnerstag, 7. Januar 2021 von Karin S. Wozonig
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Literarische Seuchenbekämpfung

Betty Paoli hatte ein Faible für Burgschauspieler, zum Beispiel für Josef Lewinsky. Mit diesem Protegé im Schlepptau besuchte die Dichterin Menschen, deren Bekanntschaft ihm dienlich sein konnte. Und so fuhren die beiden nach München zu dem Arzt und Autor Hermann Lingg. Den kennt heute kaum noch jemand, aber damals war er ein bekannter Balladendichter, gefördert von dem hochberühmten Lyriker Emanuel Geibel, der auch in diesem Blog einen Auftritt hatte.

Ein Werk von Lingg trägt den Titel Die Besiegung der Cholera, Untertitel Ein Satyrdrama mit Vorspiel.

Es ist ein recht amüsantes Epos, das Lingg unter dem Eindruck der Cholera-Pandemie von 1854 verfasst hat. Hier sei die Szene zitiert, in der der Tyrann Typhus, nach Beratung mit seinem Staatsrat, bestehend aus dem Präsidenten Trismus, dem Außenminister Aussatz und dem Admiral Skorbut (seine Botin Gicht vermerkt: „Den Zoster, scheint’s, vergisst er“), seine Frau, die Cholera, nach Europa schickt:

Typhus:
Unglückliche Sultanin, Herrscherin der Todten,
Die Hölle, die uns zwingt, hat mir geboten,
Dich zu verweisen nach Europas Westen,
Dort Himmel, Meer und Erde zu verpesten.
Du siehst, wie sehr ich Deinen Abschied fühle,
Ich weine Thränen vieler Krokodile.
Die Wechselfieber nimmst Du zur Bestreitung
Der Kosten, Eminenz den Scharlach als Begleitung,
Die Ruhr als Kammerzof, und als Lakai den Friesel.
Leb wohl, und komm zurück, gesunder als ein
Wiesel! –

Freitag, 22. Juli 2011 von Karin S. Wozonig
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Viel- und Schönschreiber

Gestern fand ein Salongespräch zum Thema „Literatur und Musik“ statt. Wie üblich bei den Kaffeehausgesprächen war ich für die historische Einführung zuständig. Ich widmete mich dem Kunstlied der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und da ganz besonders dem Autor Friedrich Rückert. Das gab mir Gelegenheit, einen meiner Lieblingsalmanache, die Aglaja aus dem Jahr 1823, herumzuzeigen, denn sie enthält einen Rückert-Erstdruck. Bis vor kurzem dachte ich, das sei etwas Besonderes. Aber ich habe einen (literarischen) Salon gegründet, um etwas zu lernen, und so weiß ich jetzt, dass Rückert in der Zeit von 1813 bis zu seinem Tod ca. 2150 Gedichte in Almanachen, literarischen Taschenbüchern und Zeitschriften veröffentlichte (nachzulesen in dem hübschen Katalog: Georg Drescher, Rudolf Kreutner und Claudia Wiener: »O sehet her! die allerliebsten Dingerchen …« – Friedrich Rückert und der Almanach. Ergon Verlag, Würzburg, 2000.)

Außerdem habe ich über Emanuel Geibel gesprochen, oder eigentlich über Wilhelm Buschs Bildergeschichte „Balduin Bählamm der verhinderte Dichter“, deren Protagonist eine gewisse Ähnlichkeit mit Geibel hat.

Das Werk von Busch beginnt mit dem schönen Vers:

Wie wohl ist dem, der dann und wann
Sich etwas Schönes dichten kann!

und ist im Ganzen lesens- und sehenswert.