Mittwoch, 23. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Der Konstruktionscharakter von Natur

Ein Thema des Salongesprächs über die Natur im Buch, das mitzugestalten ich vorige Woche das Vergnügen hatte, war die Frage danach, wieviel an unseren Naturvorstellungen kulturell gemacht ist. In der FR von gestern findet sich ein Interview mit dem Historiker Joachim Radkau, in dem er dieser Frage nachgeht. Unter anderem meint er:

Ich denke, es müssen mehr Human- und Kulturwissenschaftler an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, die sich über den Konstruktionscharakter von Natur bewusster sind. Natur gibt es ja wirklich, aber wenn wir von Natur reden, dann meinen wir zumeist ein Konstrukt, das wir im Kopf haben – was durchaus auch seinen praktischen Wert hat: Man geht sensibler mit ihr um.

Das finde ich auch. Und ein beträchtlicher Teil dieses Konstrukts basiert auf literarisierter Natur – oder ist literarisierte Natur.

Mittwoch, 2. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Soziobiologie und Literatur

Nach meiner Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Hypochondrie und Literatur widme ich mich wieder der evolutionsbiologisch interessierten Literaturwissenschaft. Es handelt sich dabei um einen Trend in der Literaturwissenschaft, der gelegentlich erfreulich eigentümliche und originelle Formulierungen hervorbringt. Diese sind Ergebnis des Versuchs, Literatur mit biologischer Evolution zu erklären. Um das zu bewerkstelligen, erzählen Literaturwissenschaftler die populärwissenschaftlichen Erzählungen der Soziobiologie (also der Biologie des Sozialverhaltens „produzieren und rezipieren von Literatur“) mit eigenen Worten nach. Das kann dann so klingen:

Wir müssen für jedes Verhalten, das sich unter irgendwelchen Umständen über lange Zeit hin in wiederkehrenden Situationen als direkt oder indirekt reproduktiv erfolgreich erwiesen hat, die Verhaltensmöglichkeit in uns vermuten. […] Tatsächlich gibt es noch andere Wünsche, etwa in der Sonne zu sitzen, bei Freunden, in der Nähe hübscher Mädchen oder attraktiver Knaben, und über allem gibt es dann auch den Super-Wunsch, keinen unnötigen Ärger zu haben – all dies sind evolutionär begründete und verankerte Wünsche oder Instinkte oder Triebe oder, wie man am korrektesten sagen würde, Adaptationen, Anpassungen an bestimmte wiederkehrende Umwelt-Herausforderungen. […] Die Polyphonie der Adaptationen (‚Triebe‘) oder auch ihre Kakophonie ist auf Entscheidungen angewiesen, und die Grundstruktur dieser Entscheidungen entstammt dem Bereich der jeweiligen Kultur und der mit ihr verknüpften individuellen Erfahrung.  (Karl Eibl: Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen. [zum ganzen Text auf literaturkritik.de])