Sonntag, 19. März 2017 von Karin S. Wozonig
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Feministisch schauen im Museum

Apropos Frauentag: Vor kurzem habe ich – ich weiß nicht mehr wo und von wem; man liest ja so viel – eine Beschwerde darüber gelesen, dass die Kritik zu zahm sei. So ganz allgemein. Und dass nichts mehr richtig verrissen würde, sondern auch das für schlecht Befundene noch als „interessant“ bezeichnet würde. Stimmt. Ein bisschen hat das natürlich mit den nicht geringer gewordenen Abhängigkeiten der Kritikerinnen und Kritiker zu tun, noch mehr aber mit einer gewissen Dickhäutigkeit oder gar Gleichgültigkeit gegenüber nicht gerechtfertigter Beliebigkeit, die ein seltsames Erbe der sogenannten Postmoderne ist.

Unlängst habe ich das an mir selbst beobachtet. Ich war im Kunsthistorischen Museum in Wien. Dort laufen zur Zeit wieder Veranstaltungen der Ganymed-Reihe, des sehr löblichen Versuchs, Exponate zur Inspirationsquelle zu machen; explizit, denn implizit sind sie das ja wohl hoffentlich auch ohne Extra-Veranstaltung.

Diesmal geht es um – hier also die Verbindung zum Frauentag –„Ganymed Fe male“, um „eine literarische und musikalische Reise durch die Gemäldegalerie“ mit „feministischem Blick“. Die verheißungsvolle Ankündigung lautet:

Entdecken Sie die alten Meister neu, erleben Sie Kunst mit all Ihren Sinnen, verändern Sie Ihren Blick! Theater, Musik, Tanz und Performance laden Sie ein, in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums das Heute im Gestern zu erforschen. Lassen Sie sich verführen und werden Sie Teil einer atemberaubenden Performance.

Das mit dem Teilwerden ist individuell regelbar. Mir wurde bei der Tanzperformance zu Der Selbstmord der Cleopatra von Guido Cagnacci die Hand aufgelegt, gegen eine Umarmung habe ich mich durch beidhändiges Festklammern an einer Sitzbank gewehrt; Ich glaube, ich bin nicht das ideale Publikum für derlei Erforschungen des Heute.

Wie auch immer: eine ganze Menge literarischer Texte hat Jacqueline Kornmüller für die Inszenierung gesammelt, von Milena Michiko Flašar (über Paar mit Spiegel von Hans von Aachen), Chimamanda Ngozi Adichie (über Mädchen im Pelz von Tizian), Anna Kim (über Die Entführung der Dina von Giuliano Bugiardini), Franz Schuh (über Maria Theresia mit der Statue des Friedens von Anton von Maron), Joanna Bator (über Das Pelzchen von Rubens), Zadie Smith (über Alte Frau von Balthasar Denner) und mehr. Die Texte werden von Schauspielerinnen und Schauspielern im Raum mit dem jeweils als Inspiration dienenden Bild vorgetragen.

Zusammenhänge zwischen den Bildern und den Texten bzw. ihrer Aufführung sind mehr oder weniger erkennbar. Aber insgesamt hat das nicht Hand, nicht Fuß. Und damit bin ich bei der nicht gerechtfertigten Beliebigkeit. Für das „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ des Direktors aus dem „Faust“ sind fünfzehn Stationen (literarisch, musikalisch [u.a. Die Strottern], tänzerisch) in einer sehr großen Bildergalerie zu wenig. Deshalb braucht das ganze ein Konzept, der feministische Blick ist aber keines. Zwischen plattem Manifest und Gewaltschilderung wird alles Mögliche verbraten, frei nach dem Motto „Ich mach was mit Frauen.“ Das reicht nicht. Oder höchstens für „interessant“.