Montag, 9. Januar 2017 von Karin S. Wozonig
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Bärtiger Biedermeier

Im Unteren Belvedere in Wien läuft noch bis zum 12. Februar die sehenswerte Ausstellung „Ist das Biedermeier?“ Berechtigterweise geht die Kuratorin Sabine Grabner davon aus, dass es eine sehr konkrete Vorstellung davon gibt, was das Biedermeier sei. Der parodistische Aspekt fehlt heute dabei, die Konzentration liegt wohl auf der wenn auch kitschigen, so doch ernstgemeinten Idylle und auf dem Rückzug in die eigenen vier Wände.

Wenn man wie diese Ausstellung das Biedermeier ungefähr fünfzehn Jahre zu spät beginnen und erst 1860 enden lässt (die politischen Ereignisse, die üblicherweise die Epochengrenzen darstellen, sind der Wiener Kongress am Anfang und die sogenannte Bürgerliche Revolution von 1848 am Ende), dann hat man das Klischee zwar schon von vornherein ausgehebelt und die Frage im Titel lässt sich ohne viel Nachdenken für ziemlich viele Bilder mit Nein beantworten. Aber im Untertitel der Ausstellung „Amerling, Waldmüller und mehr“ steckt das Wichtige: Zwar sehen wir unter anderem die „Lautenspielerin“ von Friedrich von Amerling und das Selbstporträt von Georg Ferdinand Waldmüller, also klassisches Biedermeier, vor allem aber wird der geographische Rahmen erweitert und es gibt nicht nur die üblichen in Wien oder Linz (ein Bild von Adalbert Stifter ist auch zu sehen) ansässigen Österreicher, sondern auch die unüblichen, nämlich Maler aus habsburgischen Kronländern, aus dem heutigen Slowenien, Italien und Tschechien bzw. aus Ungarn.

József Borsos z.B. wurde 1821 in Veszprém geboren und starb 1883 in Budapest. Er ist mit dem Bild „Der Emir vom Libanon“ in der Ausstellung vertreten, das auch als Plakatsujet dient.

Und bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass dieser Emir vor Kurzem einen Auftritt hier im Blog hatte, nämlich als früher Hipster. Denn es handelt sich bei dem bunten Orientalen um den besonders hübsch frisierten Grafen Zichy, dessen Barttracht zu seiner Zeit so berühmt war, dass sich Betty Paoli in einem Brief an Marie von Ebner-Eschenbach darauf beziehen konnte.

Wer es noch nicht geahnt hat, kann es in dieser Ausstellung lernen: Das Biedermeier ist immer mehr als das „Biedermeier“.

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