Dienstag, 7. Juni 2011 von Karin S. Wozonig
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Was machen Sie eigentlich am Bloomsday?

Die Literaturgeschichte lebt, so könnte man meinen, von einigen wenigen einflussreichen Schriftstellern und ganz wenigen einflussreichen Schriftstellerinnen. Und dann gibt es da noch ein paar einflussreiche Protagonisten. „Bloom“ gehört dazu, und ihm zu Ehren gibt es den Bloomsday. Am diesjährigen Bloomsday werde ich mit meinem Salonherrn Detlef ein Kaffeehausgespräch leiten, in dem es – nein, nicht um Ulysses, sondern um den Einfluss ungelesener Bücher gehen soll. Also wenn es nach mir geht. Aber die Kaffeehausgespräche sind ein Salon, und für den gilt: Erlaubt ist, was interessiert.

Montag, 30. Mai 2011 von Karin S. Wozonig
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Kindle führt zum Klassiker

Heute gibt es wieder einmal etwas über das elektronische Lesen zu sagen. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass ich mir gedacht hätte, ich würde es hier in meinem Blog gar nicht mehr erwähnen. Jetzt gibt es aber wieder etwas zu berichten, nämlich: Der Verkauf des Kindle durch Amazon in Europa führt dazu, dass auch wir, die wir den Kindle aufgrund seiner wie ich finde ausgesprochen unsympathischen Benennung nicht verwenden, und statt dessen z.B. auf dem OYO lesen, eine große und vor allem recht gut geordnete und gut durchsuchbare Plattform für Klassiker und generell ältere Literatur im E-Reader-lesbaren Format bekommen haben. Mit einem kleinen Programm, das das proprietäre Kindle-Format für den PC oder Mac konvertiert und einer Software für die Verwaltung von E-Books (Calibre bietet sich hier an), stehen jetzt sehr viele gut edierte Bücher zur Verfügung. Andere Anbieter, z.B. Thalia, haben das auch, aber Amazon macht (wieder einmal) vor, wie es richtig geht.

Dienstag, 17. Mai 2011 von Karin S. Wozonig
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Wieder einmal Knigge

Eine weise und gute Wahl bei Knüpfung des wichtigsten Bandes im menschlichen Leben, die ist freilich das sicherste Mittel, um in der Folge sich Freude und Glück in dem Umgange unter Eheleuten versprechen zu können. … Wähle also mit Vorsicht die Gefährtin Deines Lebens, wenn Deine künftige häusliche Glückseligkeit nicht ein Spiel des Zufalls sein soll. … Ich glaube nicht, daß eine völlige Gleichheit in Temperamenten, Neigungen, Denkungsart, Fähigkeiten und Geschmack durchaus erfordert werde, um eine frohe Ehe zu stiften; vielmehr mag wohl zuweilen grade das Gegenteil (nur nicht in zu hohem Grade, noch in Hauptgrundsätzen, noch ein zu beträchtlicher Unterschied von Jahren) mehr Glück gewähren.
Knigge: Über den Umgang mit Menschen

Donnerstag, 12. Mai 2011 von Karin S. Wozonig
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Twitter-Sprache

Der von mir sehr geschätzte Verfasser des Buchs Chaos. Making a New Science James Gleick hat ein Buch geschrieben mit dem Titel The Information: A History, A Theory, A Flood. In einem Interview für den Science Weekly-Podcast von The Guardian sagt Gleick mit Blick auf Twitter:

It almost goes without saying that a hundred and forty characters don’t let you express a thought of great profundity that’s likely to be a contribution to knowledge.

Nun, dem kann ich nicht zustimmen. Wie immer kommt es darauf an, wer spricht. Schiller zum Beispiel:

Sprache.
Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen?
Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.

(21 Wörter, 130 Zeichen [mit Leerzeichen])
Dienstag, 10. Mai 2011 von Karin S. Wozonig
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Seumes Weisheit

Brief von Seume an Hanns Schnorr von Carolsfeld, 1801: „Mit der Lebensbeschreibung hats noch Zeit; erst wollen wir leben, dann schreiben. Viel gelebt und wenig geschrieben! besser als umgekehrt.“

Montag, 9. Mai 2011 von Karin S. Wozonig
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Seume geht weiter

Heute abend werde ich mit einem Grüppchen Interessierter wieder über Seumes Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 sprechen. Im Gegensatz zu einer frühren literarischen Neigungsgruppe, die sich sozusagen hypertextuell mit einem Buch beschäftigt hat, beginnen wir diesmal am Anfang. Wer mitmachen will, schicke ein Mail.

Montag, 25. April 2011 von Karin S. Wozonig
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Seume in Graz

Graz

Hier will ich einige Tage bleiben und ruhen: die Stadt und die Leute gefallen mir. Du weißt, daß der Ort auf beiden Seiten der Murr sehr angenehm liegt; und das Ganze hat hier einen Anblick von Bonhommie und Wohlhabenheit, der sehr behaglich ist. … Graz ist eine der schönsten großen Gegenden, die ich bis jetzt gesehen habe; die Berge rund umher geben die herrlichsten Aussichten und müssen in der schönen Jahreszeit eine vortreffliche Wirkung tun. Das Schloß, auf einem ziemlich hohen Berge, sieht man sehr weit; und von demselben hat man rund umher den Anblick der schön bebauten Landschaft, die durch Flüsse und Berge und eine Menge Dörfer herrlich gruppiert ist. … Die Grazer sind ein gutes, geselliges, jovialisches Völkchen; sie sprechen im Durchschnitt etwas besser deutsch als die Wiener.

Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Donnerstag, 14. April 2011 von Karin S. Wozonig
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Seume, Gnade und Gerechtigkeit

Im Vorjahr habe ich als Ausgründung meines literarischen Salons „Kaffeehausgespräche“ eine „Neigungsgruppe ‚Der Mann ohne Eigenschaften'“ gegründet, in der über den Jahrhundertroman von Robert Musil gesprochen wurde. Das Interesse an dem Buch erlahmte noch weit vor dem Krypto-Inzest und es gibt ein Nachfolgeprojekt: die Lese- und Diskussionsgruppe „Mit Seume nach Syrakus“, die sich Johann Gottfried Seumes Reisebericht „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“ widmet. Das erste Treffen der Gruppe wird am 17. April stattfinden, Weitere Informationen gibt es auf www.kaffeehausgespraeche.de

Aus gegebenem Anlass werde ich in meinem Blog in unregelmäßigen Abständen aus Seumes Buch zitieren. Ich beginne heute mit einer Reflexion, die ihren Anfang ungefähr in der Mur-Mürz-Furche genommen hat:

Jeder soll billig sein für sich; das ist menschlich, das ist schön; aber alle müssen gerecht sein gegen alle; das ist notwendig, sonst kann das Ganze nicht bestehen. Der billige Richter ist ein schlechter Richter, oder seine Gesetze sind mehr als mangelhaft. Die Billigkeit des Richters wäre ein Eingriff in die Gerechtigkeit. Zur Gerechtigkeit kann, muß der Mensch gezwungen werden, zur Billigkeit nicht; das ist in der Natur der Sache gegründet. … Wir haben Billigkeit, Großmut, Menschenliebe, Gnade und Erbarmung genug im einzelnen, bloß weil wir im allgemeinen keine Gerechtigkeit haben. Die Gnade verderbt alles, im Staate und in der Kirche. Wir wollen keine Gnade, wir wollen Gerechtigkeit; Gnade gehört bloß für Verbrecher; und meistens sind die Könige ungerecht, wo sie gnädig sind. Wer den Begriff der Gnade zuerst ins bürgerliche Leben und an die Stühle der Fürsten getragen hat, soll verdammt sein, von bloßer Gnade zu leben; vermutlich war er ein Mensch, der mit Gerechtigkeit nichts fordern konnte.

Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802.

Montag, 28. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Was uns Knigge nicht sagen will

Meine Blog-Reihe zu dem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ von Knigge möchte ich damit schließen vorzuführen, dass der „echte Knigge“ viel mehr geschrieben hat als ein Benimmbuch. Der Autor lässt uns wissen, was er in seinem Buch nicht vermitteln möchte, und das ist einiges. Hier nur ein kleiner Auszug aus den Regeln, über die „viel mehr zu sagen, zu lehren“ sein Buch „nicht der Ort“ sei:

Warum man den Leuten nicht in die Rede fallen dürfe; … daß man so wenig als möglich in einer Gesellschaft den Leuten den Rücken zukehren, in Titeln und Namen nicht irre werden solle; … daß man auf steilen Treppen im Hinuntersteigen die Frauenzimmer vorausgehn, im Hinaufsteigen aber sie folgen lassen müsse; … daß man bei Tische den abgeleckten Löffel, womit man gegessen, nicht wieder vor sich hinlegen solle, wie so viele tun; … daß es sich nicht schicke, in Gesellschaften in das Ohr zu flüstern, bei Tafel krumm zu sitzen, unanständige Gebärden zu machen, noch zu leiden, daß ein Frauenzimmer oder jemand, der vornehmer ist als wir, von einer Speise, die vor uns steht, vorlege;

Das sind für Adolph von Knigge Selbstverständlichkeiten, die sich in ein größeres Ganzes einfügen:

Kurz, alles was eine feine Erziehung, was Aufmerksamkeit auf sich selbst und auf andre verrät, das gehört notwendig dazu, den Umgang angenehm zu machen, und es ist wichtig, sich in solchen Dingen nichts nachzusehn, sondern jede kleine Regel des Anstandes, selbst in dem Zirkel seiner Familie, zu beobachten, um sich das zur andern Natur zu machen, wogegen wir so oft fehlen, und was uns Zwang scheint, wenn wir uns Nachlässigkeiten in der Art zu verzeihn gewöhnt sind.

Montag, 21. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Das Zurweltkommen des Jean Paul

Von Zeit zu Zeit berichte ich in diesem Blog über die schöne literaturwissenschaftliche Tradition des Ecocriticism, der sich mit dem Zusammenhang von Literatur und Natur befasst. Heute nütze ich die Gunst des Datums, um einen Text von Jean Paul zu zitieren, der sich durch allerbeste „literarische Biologie“ (auch wenn der Leiter der „Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition“, Helmut Pfotenhauer, das vielleicht anders gemeint hat) und mehrdeutigen Humor auszeichnet.

Geneigteste Freunde und Freundinnen!
Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; – und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 21ten März; – und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 11/2 Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.
Jean Paul: Selberlebensbeschreibung (1818/1819, Druck 1826)