Andenken
Betti Paoli
Ob heut als „überlebt“ zu gelten,
Ein gar so schlimmes Los ist?
Man liebt es, Jeden so zu schelten
Der überlebensgroß ist.
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 9. Juli 1894, S. 1
Betti Paoli
Ob heut als „überlebt“ zu gelten,
Ein gar so schlimmes Los ist?
Man liebt es, Jeden so zu schelten
Der überlebensgroß ist.
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 9. Juli 1894, S. 1
Ach, die Postmoderne… alles was man öfter als ein Mal macht, wird zum Zitat und kaum hat man sich an etwas gewöhnt, schwups, schon ist die Ära wieder zu Ende. Gestern fand das fünfzehnte Kaffeehausgespräch statt, es ging um Biographien und Autobiographien. Und bei dieser Gelegenheit eröffnete mir meine Mitsalondame Maria Poets, dass sie sich von den Kaffeehausgesprächen zurückzieht, zumindest organisatorisch (ich hoffe sie als Salongast wiederzusehen). Ich bedaure ihren Ausstieg sehr und zweifle, dass sich würdiger Ersatz finden lässt. (Interesse? Bewerbung schicken)
Und dabei war es gerade gestern ausnehmend anregend, wie Sie hier nachlesen können.
„Und manchmal wirkt der erfundene Raum in die Wirklichkeit zurück. Das kann man ganz deutlich an einem Teil der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts beobachten. Die liberalen Autoren des Vormärz fordern, dass die deutsche Kleinstaaterei aufhört, dass ein geeintes, demokratisches Deutschland unter preußischer Führung gegründet wird. Und weil sie das fordern, schreiben sie sozusagen die deutsche Nation herbei, indem sie ihren literarischen Orten einheitliche, deutsche Merkmale geben. […] Nicht, dass es ohne Heinrich Heines Deutschland. Ein Wintermärchen Deutschland in seiner heutigen Form nicht gäbe, aber ich denke doch, dass dieser Ort in der Literatur auf die Wahrnehmung seiner Leser recht mächtig gewirkt hat und vielleicht immer noch wirkt.“
Auszug aus: Einleitung zum Kaffeehausgespräch am 17. Juni 2009, Thema: Mit anderen Augen. Orte in der Literatur
Auch im Juli findet wieder ein Kaffeehausgespräch im Café Heile Welt in Hamburg statt. Das Thema diesmal: „Auto/Biographien – Dichtung oder Wahrheit?“ Auf viele Gäste und eifrigen Austausch freue ich mich gemeinsam mit Maria Poets, Autorin und Übersetzerin.
Zeit: 15. Juli 2009, 19.30
Ort: Café Heile Welt, Weidenallee 10b (Hinterhof), 20357 Hamburg
… das schöne Steiermark that sich vor uns auf. Ich möchte dies Land den Smaragd in Oesterreichs Krone nennen, so licht, so frisch und grün breitet sich’s vor dem Blicke aus … Der Charakter des Landes ist von einer unbeschreiblich heitern Lieblichkeit, an der man sich erfreut, ohne weiter nach Seen, Alpenfirnen und Wasserfällen zu fragen.
Betty Paoli: „Reise-Memoiretten“, Lloyd, 6. 11. 1852
Otto Ludwig schreibt am 5. 1. 1864 an Josef Lewinsky, Burgschauspieler und Freund von Betty Paoli :
Daß Fräulein Betty Paoli einige Zeit hier zubringen will, würde mich weit mehr freuen, wenn ich mich im Stande fühlte, die Anregung, die sie bringen muß, wohin sie ihren Fuß setzt, recht zu verwerten; ich für meinen Teil, fürchte ich, werde ihr nur Langeweile machen können.
„Stark vereinfacht könnte man als nächsten Befund aufstellen: Orte der Handlung können erfunden oder nicht erfunden sein. Gehen wir davon aus, dass wir uns einig sind, was ’nicht erfunden‘ bedeutet. Jetzt ist es natürlich interessant zu fragen: Was bedeutet ‚erfunden‘? Es gibt die Möglichkeit zu behaupten, dass alles was in einem literarischen Text steht, erfunden ist, weil es das Charakteristikum von Literatur ist, nicht wahr zu sein – schon allein deshalb, weil es sich ja nur um Zeichen (Buchstaben, Wörter…) handelt. Aber da kann man ganz schön in die Bredouille kommen. Erstens weil auch in einer völlig frei erfundenen Handlung immer in der Wirklichkeit existierende Gegenstände vorkommen, sonst würden wir gar nicht erkennen worum es geht. Zweitens, weil es durchaus auch Literatur gibt, die deshalb funktioniert, weil sie gerade nicht nur erfunden ist […].
Kurz gesagt, ’nicht erfunden‘ ist nicht eindeutig. Dafür benützt die Literaturwissenschaft das schöne Wort Fiktionalität. Fiktionalität bezeichnet eine Aussage, die keinen Wahrheitsanspruch erhebt. Das bedeutet: Die Gegenstände, über die die Aussage etwas aussagt, müssen nicht existieren. Das bedeutet aber auch: sie können existieren. Das hat interessante Folgen: Fiktionalität ist ein relationales Kriterium, es steht in Relation zur Wirklichkeit. Und wegen der sich daraus ergebenden Offenheit (sie kann erfunden sein oder eben auch nicht), hat Fiktion – also Literatur – die Eigenschaft, wahrer zu sein, als die Wirklichkeit. Aber das ist ein zu weites Feld, fürchte ich, ich kehre zum Ort zurück.
Ich versuche es so auszudrücken: Orte in der Literatur sind Mischformen aus erfundenen und nicht erfundenen Orten, die im Kopf von Autorinnen/Autoren oder Leserinnen und Lesern entstehen. Durch die Relationalität von Fiktionalität ergibt sich: An der Sprache allein kann man nicht erkennen, ob ein Ort in der Literatur erfunden ist oder nicht.“
Auszug aus: Karin S. Wozonig: Einleitung zum Kaffeehausgespräch am 17. Juni 2009, Thema: Mit anderen Augen. Orte in der Literatur
Aus dem Tagebuch von Marie von Ebner-Eschenbach, 6. 5. 1876:
Vormittag in strömendem Regen zu Betty Paoli, Tante Louise u. Dr Pachler. Betty P. hatte sehr anerkennende u. verehrungsvolle Briefe von Anast: Grün, Wüllerstorf u. Levin Schücking erhalten, wegen ihres schönen Aufsatzes über An: v. Droste in der Heimat.
Auszug aus: Einleitung zum Kaffeehausgespräch am 17. Juni 2009, Thema: Mit anderen Augen. Orte in der Literatur
Dramatisch
Der Weg ist schlecht, der Karren schwach,
Es geht so ziemlich holter-polter.
Da hilft am besten Vorspann nach,
Als allerbeste Fräulein Wolter.Grillparzer: Epigramme, 1868