Sonntag, 8. März 2020 von Karin S. Wozonig
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Keine psychologische Erörterung zum Frauentag

Hieronymus Lorm: Meditationen über deutsche Lyrik, 1877:

Von der Untersuchung … schließe ich die Büchlein mit weiblichen Autornamen aus. … Edle Frauen mit genialen – Ansprüchen bedenken selten, daß ihr Ehrgeiz an zwei Tafeln zugleich schwelgen will, an der des moralischen wie an der des artistischen Ruhmes, daß aber die gute Meinung, die man einem Buch von ihnen entgegenbringt, von der anderen Seite die schlechtere Meinung ist, die man ihrer Persönlichkeit widmet, weil der Rang, den man der weiblichen Tugend und der Rang, den man der Kunst flicht, beinahe zwei einander ausschließende Sphären sind. Talent haben ist schon an sich eine Tragödie, setzt einen Zwiespalt, oft einen schuldvollen Bruch mit den normalen oder mindestens mit den herkömmlichen Gesetzen des Lebens theoretisch voraus und führt ihn praktisch herbei. Es bedarf weiter keiner psychologischen Erörterung, daß der Schauplatz für die höchsten dichterischen oder mimischen Darstellungen nicht das Gynaikeion sein kann.

Dienstag, 21. Januar 2020 von Karin S. Wozonig
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Davon kann man nicht leben

Die österreichische Autorin Betty Paoli (1814-1894) beobachtete in ihrer Lebens- und Schaffenszeit den Wandel von der Verbundenheit zwischen Autoren bzw. Autorinnen und ihren Leserinnen und Lesern hin zum literarischen Massenmarkt ohne persönliche Bindungen. Parallel dazu veränderte sich das Rollenverständnis der Dichterinnen und Dichter. Paoli war von diesen Entwicklungen durch ihre Lyrikproduktion selbst betroffen und machte die Beziehung zwischen Künstlern und ihrem Publikum auch zum Thema ihrer Dichtung. Außerdem fanden exemplarische Darstellungen von Autorenbiographien ihren Niederschlag in Paolis Prosa. Und schließlich stellt Paoli als Journalistin einen Teil ihrer publizistischen Arbeit in den Dienst der Analyse und Verbesserung der Produktionsbedingungen von Autorinnen und Autoren. Diese vielfältige Befasstheit Betty Paolis…

weiterlesen: Karin S. Wozonig: Betty Paoli. Zwischen Genie und Schillerstiftung. In: Frank Jacob und Sophia Ebert (Hrsg.): Reicher Geist, armes Leben. Das Bild des armen Schriftstellers in Geschichte, Kunst und Literatur. S. 53-67
Montag, 30. Dezember 2019 von Karin S. Wozonig
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Noch mehr Nützliches für Kritikerinnen

Schade! daß an die Stelle der schönen Erzählung in Briefen …, womit der vorige Jahrgang die Leser freundlichst begrüßte, heuer eine minder gelungene Novelle … treten mußte, der wir, ungeachtet des ihr anderwärts (Nro. 241 des „Humoristen“) ertheilten überschwenglichen Lobes, gar keinen Geschmack abzugewinnen vermochten. Dagegen stimmen wir den dort ausgesprochenen Bemerkungen über die zweite voluminöse Erzählung von Adalbert Stifter: „Feldblumen“ unbedingt bei, da wir sie ihrer Länge wegen gar nicht gelesen haben.

Mnemosyne. Galizisches Abendblatt für gebildete Leser, 1840
Samstag, 30. November 2019 von Karin S. Wozonig
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Mit der Ethik dribbeln

Apropos Quicktipp: Die österreichische Literatur hat neuerdings einen Fußballstar. Er heißt Ivo Trifunović und ist ein Jugo-Proll aus Floridsdorf, dem 21. Wiener Gemeindebezirk. Sinngemäß denkt er, dass die Oberpatrioten unter den Passivfußballern, die sich darüber aufregen, dass Spieler die Bundeshymne nicht anständig mitsingen, doch die Sängerknaben zur WM schicken sollen, und ist damit politischer, als er selbst meint zu sein. Ivo, „zu einem Viertel bosnischer Kroate und zu einem Viertel bosnischer Serbe“, denkt auch, „wenn jemand Tschusch meint, dann soll er auch Tschusch sagen, statt Tschusch zu meinen und Mensch mit Migrationshintergrund zu sagen.“ weiterlesen

Sonntag, 22. September 2019 von Karin S. Wozonig
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Literarischer Quicktipp

Über das neunzehnte Jahrhundert gibt es ja so viel zu sagen. Lang war es und turbulent und so gut wie alles, was uns heute eine Selbstverständlichkeit ist, ist damals wenn nicht erfunden, so doch perfektioniert worden, das Lottospiel zum Beispiel. Die eine oder andere Sache hat sich, das muss man zugeben, nicht gehalten, zum Beispiel wird die Brieftaube nicht mehr so häufig eingesetzt. Aus der Kombination von beidem, Lotto und Brieftaube, hat sich Johann Carl (Freiherr von) Sothen (1823-1881), ganz nach dem liberalen Jeder-ist-seines-Glückes-Schmied-Prinzip, ein Vermögen, tja, man kann es nicht anders sagen: erschwindelt – so sagte man, so kann man auf jeden Fall sagen, wenn man es in einem Roman sagt. Sothens Leben verlangt förmlich nach einer literarischen Bearbeitung und die ist jetzt zum zweiten Mal (nach Anna-Elisabeth Mayers Buch „Am Himmel“) erfolgt: Bettina Balàka: Die Tauben von Brünn. Kurzweilig, sprachlich interessant, Lokal- und Zeitkolorit in feinen Strichen und Schattierungen, historische Details ohne dick aufgetragene Belehrung, gelungener Epilog, eine Empfehlung.

Dienstag, 10. September 2019 von Karin S. Wozonig
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Denkwürdigkeiten, abgestaubt

Karl Glossy, 1902: Was die einst vielgenannte Karoline Pichler als Schriftstellerin geschaffen, ist in Fleisch und Blut späterer Generationen nicht gedrungen. Als Denkmäler der Großvaterzeit stehen ihre Werke in den Bücherregalen der Bibliotheken, und nur selten wandelt einen die Lust an, einen Augenblick in den verstaubten Bänden zu blättern, die einst zum literarischen Hausschatz von jung und alt gezählt wurden. Einzig und allein die „Denkwürdigkeiten“, Aufzeichnungen über ihr an romantischen Ereignissen keineswegs reiches Leben sowie über die gesellschaftlichen Verhältnisse Wien, sind als kulturgeschichtliche Quelle noch heute geschätzt, trotz der Naivetät und der mitunter geschwätzigen Breite, in der die gute und edle Frau auch minder belangreiche Familienangelegenheiten der Nachwelt überliefert.
Wenn auch die Werke der Pichler nicht mehr gelesen werden, …

Doch, doch, werden sie. Und darüber geredet wird auch, am Donnerstag, 12. September 2019, ab 15:30 Uhr in der Musiksammlung der Wienbibliothek, Loos-Räume, und um 19:00 Uhr im Stadtsenatssitzungssaal im Wiener Rathaus.

 

Mittwoch, 21. August 2019 von Karin S. Wozonig
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Deutscher Buchpreis 2019: Longlist

Die 20 Kandidatinnen und Kandidaten für den Deutschen Buchpreis 2019 stehen fest.

Es ist eine anerkannte Thatsache, gegen welche sich freilich die Eitelkeit der norddeutschen Poeten noch sträubt, daß der Süden Deutschlands, was poetische Productionen betrifft, den Norden bereits längst überflügelt hat. Oesterreich und das gesegnete Schwaben, das sind die beiden Länder, aus welchen in neuester Zeit die bedeutendsten und tiefsten Poeten hervorgegangen sind.

Quelle: „W. M.“: Rezension zu Hermann Rollett: Frühlingsboten aus Oesterreich. Gedichte. In: Der Komet, Dezember 1845

Samstag, 17. August 2019 von Karin S. Wozonig
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Gendergerecht dichten 1834

Denn was verweigerst du mit strengem Worte,
Du Lieblingin der Dichter und der Musen,
Das Lied, das ich aus deinem zarten Busen
Gebannt den Perlen gleich, gleich einem Horte?

Aus: L. A. Frankl, „Schatzgräberei“

Mittwoch, 24. Juli 2019 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli in Literatur und Kritik

Die aktuelle Juli-Ausgabe ist erhältlich, mit Kulturbriefen von Karl Wimmler, Regina Hilber, Franz Reitinger, Carlo Ginzburg und Klemens Renoldner, Rezensionen von Neuerscheinungen österreichischer AutorInnen und Karin S. Wozonig porträtiert die Autorin Betty Paoli (1814-1894).

Literatur und Kritik 535/536

Montag, 10. Juni 2019 von Karin S. Wozonig
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30 Stücke Prosa

Es gibt ein neues Buch von Thomas Stangl und darüber eine Rezension von Paul Jandl, die die Besonderheit dieses Erzählungsbandes würdigt:

Figuren werden über die Geschichten hinweg fortgeschrieben. Und sogar der Autor selbst kommt vor: als stets sich wandelndes Gebilde. Ein amorphes und von den Furien des Verschwindens erfasstes Wesen, das sich aus Respekt vor den Gegenständen seines Tuns vor allem eines abringen möchte: Genauigkeit.

Im Buch findet sich auch der Text „Die Toten von Zimmer 105“, ausgezeichnet mit dem WORTMELDUNGEN-Literaturpreis. Ich wiederhole: Lesen Sie Thomas Stangl.