Dienstag, 20. Oktober 2009 von Karin S. Wozonig
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Mein Beitrag zum Darwin-Jahr 5

Dass Menschen, die sich den Geistes- und Kulturwissenschaften widmen, auch etwas zur biologischen Evolution zu sagen haben, liegt in der Natur der biologischen Evolution: Ihre Beschreibbarkeit und ihre „Beschriebenheit“ sind ein kulturell und gesellschaftlich relevantes Geistesprodukt.

Dass diese Menschen sich in Bezug auf die hinter der Beschreibung liegende Wirklichkeit gelegentlich auf dem Kenntnisstand des 19. Jahrhunderts befinden, kann passieren. Ich persönlich finde das nicht besonders schlimm. Andere scheint das Anachronistische im geistes- und kulturwissenschaftlichen Reden über die Evolutionsbiologie aber aufzuregen, so z.B. den Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera.

Nicht um seinen, im Lichte des seit Jahrzehnten üppig wuchernden Diskurses über die Unterschiede der „Zwei Kulturen“ (C. P. Snow 1959) unbedeutenden Text geht es in meinem heutigen Beitrag zum Darwin-Jahr, sondern um eine Replik darauf. Diese stammt von dem gelegentlich etwas gestelzt schreibenden aber klugen Kulturtheoretiker Remigius Bunia. Die Replik trägt den Titel „Wir Verbalwissenschaftler“ (womit alle gemeint sind, die sich wissenschaftlich mit Sprache beschäftigen, ein sehr weiter, aber durchaus praktischer Begriff) und endet in einer hübschen Doppelvolte:

Daher lässt sich Kutscheras Diktum über das ,Licht der Biologie‘ unter Abwandlung eines anderen Wittgenstein-Zitats verallgemeinern und zugleich zurückweisen: ,Die Naturwissenschaft ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Allpräsenz der Sprache.‘ Im Gegenzug, so wäre hinzuzufügen, können Verbalwissenschaftler aber davor schützen, dass sich neue Allpräsenzen – etwa eine Allpräsenz der Biologie – durchsetzen.

Dienstag, 13. Oktober 2009 von Karin S. Wozonig
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Das Leid der Myrte

Ob Rudolf von Gottschall recht hat, die dichtenden Frauen in zwei Gruppen, nämlich verheiratete und solche einzuteilen, die nie das Leid und die Freuden der Ehe kennen lernten, möge schon aus dem Grunde dahingestellt bleiben, weil er in geistreicher und witziger Weise zwar den ersteren den Preis zuerkennt, als größte Dichterinnen des XIX. Jahrhunderts aber die Freiin Annette von Droste-Hülshoff und Betty Paoli nennen muss, deren Locken, wie bekannt, nie die Myrte schmückte.

Karl Schrattentahl: Die deutsche Frauenlyrik unserer Tage. Mitgabe für Frauen und Töchter gebildeter Stände. Leipzig: Naumburg [1892]

Samstag, 3. Oktober 2009 von Karin S. Wozonig
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Mehr über Fürst Friedrich Schwarzenberg

Betty Paoli, die damals nur erst sinnige Dichterin, noch nicht Recensentin des Burgtheaters und Kritikerin, wohnte im Hause der Fürstin von Schwarzenberg, einer ehrwürdigen unterrichteten, scharfurtheilenden Dame, deren Sohn oder Neffe, ich weiß es nicht, der bekannte „Lanzknecht“ war. Letzterer, Fürst Friedrich Schwarzenberg, vertrat eine politische Anschauung, die noch über die Metternich’sche hinausging. […] Diese Weltanschauung ist eine dem österreichischen Adel so gemeinsame, daß sie sich sogar mit allen Blumen moderner Bildung, mit Citaten aus Byron, Ironieen aus Heine bei ihm verbindet. Selbsterlebtes, „als Manuscript gedruckte“ Erinnerungen an Sonnenuntergänge auf Ischia und Capri, hier ein Bonmot vom Fürsten Ligne, dort eine Strophe von Manzoni – das ist die Schule, der sogar Kaiser Maximilian, der Aermste, das Opfer von Queretaro, angehörte. Liest man, was der letztere geschrieben, so möchte man sagen, seine Mission sei gewesen, Feuilletonist einer wiener Zeitung zu werden.

Karl Gutzkow: Rückblicke auf mein Leben. Berlin: Hofmann, 1875, S. 287f.

Mittwoch, 30. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Der Fürst im Almanach

Die lose Reihe über Almanache in diesem Blog geht weiter mit einer Abbildung aus Libussa. Jahrbuch für 1854, einem in Prag erscheinenden Almanach, dessen Verkaufserlös wohltätigen Zwecken zukommt.

Fürst Friedrich Schwarzenberg, geboren am 30. September 1800 bei Pressburg, gestorben am 6. März 1870 in Wien, war Schriftsteller, Offizier und Gutsbesitzer. Außerdem war er ein Freund von Betty Paoli, die von 1843 bis 1848 die Gesellschafterin und Pflegerin seiner Mutter Maria Anna Schwarzenberg war. Moritz Hartmann beschreibt ihn so: „Ein romantisch-eingefleischter Aristokrat von Geist und doch gewissermaßen borniert.“

In der Libussa von 1854, dem dreizehnten Jahrgang dieses Almanachs, findet sich neben dem hier gezeigten Bild ein Prosatext von Friedrich Schwarzenberg mit dem Titel „Eine Morgenpromenade in Wien“. Dieser Text wurde bereits in der Thalia von 1847 gedruckt und ist Teil des Buchs Aus dem Wanderbuch eines verabschiedeten Lanzknechts.

Montag, 28. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Der anonyme Anblick einer Emanzipierten

… nicht von Louise Aston, der Freischärlerin, will ich Ihnen erzählen, sondern von dem demokratischen Frauenklubb, Leipzigerstraße, der vergangenen Donnerstag, am 28. September, daselbst stattgefunden hat. […] Ehe ich weiter gehe, muß ich Ihre Neugierde befriedigen und Ihnen den Anblick einer eigentlichen Emancipirten getreulich portraitiren.

Die Emancipirte ist 25 – 40 Jahre alt. Was darüber hinausgeht, ist vom Uebel. Sie hat schwarzes, oft mit silbernen Fäden geziertes Haar, keine oder unglückliche Kinder. Sie glaubt nicht an Gott, reitet am Sonntage auf gemietheten Pferden aus, macht Volksrednern den Hof und raucht schlechte Cigarren. Wie sie ihre Existenz sichert, ist ein komplettes Räthsel.

X. X.: Zur preußischen Chronik. Feuilleton. In:  Die Presse, 10. Oktober 1848

Samstag, 26. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Ein Wort zur Wahl

Der berühmte Villeroy, Gouverneur Ludwig XV. sagt: „wer immer Finanzminister wird, so erkläre ich im Voraus, daß ich wenigstens sein Freund, und selbst von seiner Anverwandtschaft bin.“

„Pecuniäre Wahlverwandtschaft.“ In: Sonntags-Blätter, No. 5, 30. Jänner 1842, S. 78

Donnerstag, 24. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Schreiben statt Kunst, Herbst 1844

Den ganzen Sommer über, den ich fern von der Stadt zuzubringen pflege, sehne ich mich nach Genüssen der Kunst, vor Allem nach Gemälden, vergegenwärtige mir jene, die ich am meisten liebe, verlange nach ihnen, wie man in tiefer Winternacht nach Morgenlicht verlangt, und wenn ich dann im Spätherbst nach der Stadt zurückkehre und nur ein paar Straßen weit zu gehen brauchte, um meine Sehnsuchtsträume zu verwirklichen – thue ich es dann? Nein. Ehe ich mich dessen versehe, sind alle meine Stunden eingeschachtelt, ich kann keine mehr zum besonderen Gebrauch herauskriegen. Die Galerien sind nur Vormittags geöffnet; da bilde ich mir nun aus alter Gewohnheit ein, ich müsse schreiben. Lächerlich. Wenn ich bedenke, womit ich die Zeit vollgeschrieben habe, möchte ich mit reuigem Bedauern seufzen: Warum bin ich nicht lieber – ich will nicht einmal sagen, in Galerien – nein! nur ganz einfach spazieren gegangen!

Betty Paoli: „Eine Gemäldesammlung in Wien.“ In: Die Grenzboten, 1844, 3. Jahrgang, 1. Semester. S. 395-417.

Freitag, 11. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Mysterien

Was passiert mit einem Menschen, der völlig isoliert aufwächst? Er stirbt, oder?

Dienstag, 8. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Stichwort: Emanzipation des Fleisches

Die inhaltlich und formal traditionsbeladene Diätetik Feuchterslebens, die auf die Beherrschung von Leidenschaften, Übung von Tugenden, Selbstbeobachtung und geistige Stärke abzielt, ist für die zeitgenössische Leserschaft als Gegengewicht zu einer anderen, vormärzlichen Diskursformation erkennbar. Die Dichterin und Journalistin Betty Paoli, die Feuchtersleben in den intellektuellen Wiener Kreisen des Vormärz begegnete, bemerkte im Jahr 1867: „In einer Zeit, welche die Lehre von der Emanzipation des Fleisches predigte, schrieb er auf seine Fahne den Wahlspruch: ‚Emanzipation des Geistes!‘ […] Um die [Bedeutung Feuchterslebens] aber vollkommen zu würdigen, muß man sich in die Zeit zurückversetzen, in die seine Entwicklung fiel, sich die Hindernisse vergegenwärtigen, die ihr entgegenstanden“ (Paoli 1908: 147). Die Rede von der „Emanzipation des Fleisches“ ist eine vormärzliche Chiffre, eine Körpermetapher für die Befreiung von religiösen und moralischen Zwängen.

Aus: Karin S. Wozonig: Emanzipation des Fleisches und Diätetik der Seele. Bürgerliche Selbstdisziplinierung im neunzehnten Jahrhundert. In: Marlen Bidwell-Steiner und Veronika Zangl (Hg.): Körperkonstruktionen und Geschlechtermetaphern: Zum Zusammenhang von Rhetorik und Embodiment. Innsbruck, Wien: Studienverlag 2009. S. 221-236.

Donnerstag, 3. September 2009 von Karin S. Wozonig
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Herbstmode

Wiener Mode-Bazar

Die letzten Sommertage, leider sind sie schon da! geben den Mousselines und brochirten Organdis noch den letzten Schwung. Die Volans machen diese Toilette frischer und hübscher. Schöne und einfache Toilettes geben die Mousselinkleider mit kleinen Streifen aus einem rosa, blauen, lilas Faden; drei oder vier Volans in derselben Nuance; Ermeln à la jardinière, und ein Fichu à la Charlotte Corday, aus ähnlichem Stoffe, dessen Vordertheile sich auf der Brust kreuzen, und wieder nach rückwärts gehend einen Gürtel bilden.

Allgemeiner Welt-Kourier. Wöchentliche Beilage zum Humoristen von M. G. Saphir (Zweiter Jahrgang). Nro. 36, Montag, 3. September 1838