Mittwoch, 31. Januar 2018 von Karin S. Wozonig
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Adalbert Stifter mit Hut

Es soll Menschen geben, die jeden Sonntag Tatort schauen wie andere Columbo (mit oder ohne Pyjama). Und diese Menschen haben sich einige Zeit lang gefragt, warum das StifterHaus in Linz (bitte beachten Sie die schöne neue Website) Axel Milberg einlädt, um Briefe von Adalbert Stifter zu lesen. Ich hingegen bin ganz unvoreingenommen in den gestrigen Abend gegangen, denn ich habe keine Ahnung gehabt, wer Axel Milberg ist. Jetzt weiß ich es: Er ist ein Profi.

Nach einer schön kompakten und informativen Einleitung durch Petra Dallinger, Direktorin des Adalbert-Stifter-Instituts, hat Milberg dreizehn Briefe aus unterschiedlichen Lebensphasen Stifters gelesen und den Ton meiner Meinung nach dabei sehr gut getroffen. Natürlich kann man nur vermuten, wie es bei Stifter geklungen hätte, denn Stifter ist ja selbst eine Kunstfigur wie seine Kunstfiguren, auch wenn sie Betty Paoli und die Fürstin Schwarzenberg sein könnten. So wie wir alle Kunstfiguren sind, entweder aus eigenem Antrieb (Stichwort self-fashioning) oder weil uns andere ansehen, bei Stifter z.B. Literaturwissenschaftler. Dass Stifter uns quasi lebendig vor Augen getreten ist, war nicht nur Verdienst des Schauspielers, sondern lag auch daran, dass die Briefe sehr gut ausgewählt waren.

Der eine Brief von Stifter an Paoli war nicht dabei. Wieder einmal könnte ich die Frage aufwerfen, warum sich die beiden nach anfänglicher gegenseitiger Verehrung aus den Augen verloren haben. Wahrscheinlich war es der Freundschaft nicht zuträglich, dass Paoli in ihrer Funktion als einflussreiche Kritikerin Adalbert Stifter keine positive Besprechung seiner Werke gegönnt hat. Aber wenigstens auch keine negative. Jaja, so war sie.

Donnerstag, 25. Januar 2018 von Karin S. Wozonig
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In der Haut des Architekten

Thomas Stangl hat einen neuen Roman geschrieben. Er spielt (im mehrfachen Wortsinn) in Afrika, in einer Stadt mit dem Namen Belleville, in der Französisch die Kolonialsprache und vielleicht Ewe die richtige Sprache ist. Aber diese Eckdaten sind gar nicht wichtig. Alles, was es über die Stadt zu wissen gibt, wenn man wie der Protagonist als Europäer dorthin zu einem Kongress fährt, wird uns beschrieben. Der Sand auf den Straßen, die Struktur der Mauern, die Gerüche, die Farben der Hühner, der Weg zum Meer; alles nimmt der Architekt deutlich und überdeutlich wahr. weiterlesen

Dienstag, 23. Januar 2018 von Karin S. Wozonig
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Was wäre Stifter ohne Paoli?

Über Adalbert Stifter könnten wir eigentlich auch wieder einmal reden. Vor allem jetzt, wo sich bald sein Todestag zum hundertfünfzigsten Mal jährt. Aber was wäre Stifter ohne Paoli? Daher: Grüße aus der Ferne. Betty Paolis „Deutsche Briefe“ 1848.

Mittwoch, 27. Dezember 2017 von Karin S. Wozonig
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Thomas Stangls Berühmtheit

Als Leserin oder Leser dieses Blogs sind Sie sicher auch an der Frage interessiert, was gute Literatur ist. Und wenn Sie sich intensiv damit beschäftigt haben, dann werden Sie wahrscheinlich auch wissen, dass diese Frage nicht nur unbeantwortbar, sondern dass sie eine gute Frage ist. Gute Fragen sind daran zu erkennen, dass sie neue Fragen aufwerfen. (Deshalb kann man sich mit manchen Themen, z.B. der Chaostheorie, nie abschließend befassen.) Im konkreten Fall wirft die Frage nach der guten Literatur die Frage auf, was denn an schlechter Literatur schlecht ist. Und noch interessanter: Warum wird Literatur, die in ihrer Zeit eine große Leserschaft erreicht hat, mit einigem zeitlichen Abstand neu bewertet? Wie kann es sein, dass allgemein für gut gehaltene, auf jeden Fall aber gern und viel gelesene Literatur einer späteren Generation nach poetologischen und ästhetischen Kriterien nicht mehr gut erscheint?

Das sind auch die Fragen, die im Rahmen der Serie „Zu Recht vergessen“ in der Literaturzeitschrift Volltext gestellt werden. Im zweiten Teil der Serie schreibt der Autor Thomas Stangl luzide über Werner Bergengruen und befasst sich mit emotionalen, intellektuellen und formalen Vorbehalten gegenüber dem Werk Bergengruens. Stangl schreibt über die komplizierte Differenzierung zwischen ideologischen und ästhetischen Einwänden (denn allzu simpel ist es, ein gelungenes Werk abzutun, weil sich sein Autor oder seine Autorin mit der falschen Ideologie, z.B. einer menschenverachtenden Denkweise, gemein gemacht hat), und er zeigt, dass Literatur, die „zu Recht vergessen“ ist, erst einmal Qualitäten haben muss, die aus heutiger Perspektive schwerer zu erkennen und zu benennen sind, als jene der Literatur, die den Kanon (i.e. Maßstab) für gute Literatur bildet.

Auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist es eine einfachere Aufgabe, zu erklären, was an Goethe dran ist, als zu erklären, was die Wirkung von Bergengruen, den „Goethe der Fünfzigerjahre“, ausgemacht hat und immer noch ausmacht. Denn dass Bergengruen auch heute noch seine Anhänger hat, das schreibt Thomas Stangl auch, und zwar mit dem schönen Satz: „Werner Bergengruen ist nicht wirklich vergessen, er hat immer noch wesentlich mehr Leser als, sagen wir, ich selbst;“

Lassen Sie mich wieder einmal eine Empfehlung für die Literatur von Thomas Stangl aussprechen, ganz besonders für „Der einzige Ort“. Auch seine Essays zum Leben und zum Schreiben, z.B. in „Freiheit und Langeweile“, sind absolut lesenswert. Und mit Spannung erwarte ich seinen neuen Roman: Fremde Verwandtschaften, vom Verlag angekündigt als

Kunstwerk, eine groß angelegte Reflexion über das Sein, voller Details und Feinheiten, doppelter Böden und versteckter Gänge.

Montag, 20. November 2017 von Karin S. Wozonig
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„Träume von einem wunderschönen, fix und fertigen, süßen, kleinen Feuilleton“

Wenn man die völlige geistige Pleite durch einen Kredit bei einem Feuilleton abgewendet hat, kann man eine Rezension über eine Sammlung von Feuilletons schreiben.

Freitag, 17. November 2017 von Karin S. Wozonig
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Feuilleton gegen geistige Pleite

Tage, an denen einem nichts einfällt, die gibt es. Nicht einmal zu einem Thema, das man interessant findet, hat man eine Idee. „Handwerker der Feder kennen ihn ja nur zu gut“, diesen Zustand der „geistigen Pleite“:

Kaum hat man morgens die Augen aufgeschlagen, weiß man es schon, ob solch ein Tag geistigen Ascheregens anbricht; aber man tut natürlich, als merke man es nicht, nur um Gotteswillen nicht zugeben! Pfeifend setzt man sich an den Schreibtisch.

Da kann man zunächst noch allerhand Ablenkendes vornehmen: die Bleistifte sind stumpf, der Füllfederhalter ist leer, die Maschine muss ein wenig geputzt werden; auch kann man mit dem Ordnen der Papiere ganz gut eine halbe Stunde zubringen, und hat man Glück, so telefoniert es ein paarmal. Aber schließlich doch kommt der Augenblick, wo man, am Bleistift nagend, sitzt und die Leere des eigenen Hirns einem in den Ohren dröhnt.

Auf der Aschenschale wächst ein Berg von Zigarettenstummeln, das Papier füllt sich mit kleinen Männchen, Pudelhunden und Monden, in der Seele schwillt Verzweiflung. Ein Königreich für ein Feuilleton!

Das Zitat stammt von Sophie von Uhde, der Text „Jagd nach einem Feuilleton“ ist 1930 in der Deutschen Allgemeinen Zeitung erschienen und wurde von Hildegard Kernmayer und Erhard Schütz in die lesenswerte Anthologie „Die Eleganz des Feuilletons. Literarische Kleinode“ (Berlin 2017) aufgenommen. Mehr fällt mir dazu heute nicht ein.

Sonntag, 29. Oktober 2017 von Karin S. Wozonig
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Geheimnis erweitert

Aber warum heißt es denn ausgerechnet Bartzwiebel? Das ist eine berechtigte Frage. Antwort: Weil der Herr Professor, der das Mittel auf den Markt gebracht hat, behauptet hat, er habe den Extrakt der Pflanze „Onionar“ entdeckt.

Samstag, 28. Oktober 2017 von Karin S. Wozonig
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Geheimnis gelüftet

Seit Jahren quält mich die Frage, was eine Bartzwiebel sein könnte. Vor kurzem hat sich ein detektivisch veranlagter Mensch meiner erbarmt und mir Folgendes zur Kenntnis gebracht:

Bartzwiebel, eine gelbliche Flüssigkeit, besteht aus verdünntem, parfümiertem Spiritus, der mit Enziantinktur gefärbt ist.

Die Quelle ist H. Mann: “Die moderne Parfümerie. Eine Anweisung und Sammlung von Vorschriften zur Herstellung sämtlicher Parfümerien und Kosmetika unter besonderer Berücksichtigung der künstlichen Riechstoffe“, Augsburg 1904. Dort findet sich auch der ewiggültige Satz:

Mit kosmetischen Geheimmitteln wird ein fast ebenso grosser Schwindel getrieben wie mit den medizinischen…

Freitag, 13. Oktober 2017 von Karin S. Wozonig
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Friederike Kempner auf der Titelseite

Seit Jahren interessiert mich Friederike Kempner (1826-1904), der schlesische Schwan. Wie macht sie es nur, so unglaublich komisch zu sein? Oder ist sie es gar nicht? Seit längerem tausche ich mich mit informierten Menschen, z.B. mit Andrea Grill, Autorin des famosen Romans „Das Paradies des Doktor Caspari“, Biologin und Ergründerin menschlicher Emotionen, über Kempner, diese Meisterin der unfreiwilligen Komik, aus. Eine Frage dabei ist, ob man über Kempner, die sich als ernsthafte Dichterin gesehen hat, lachen darf, wenn sie holprige Verse und schiefe Bilder produziert. Als Buße und aus Dankbarkeit dafür, dass ich mich hemmungslos über sie amüsiere, habe ich einen Text über die „göttliche Rieke“ (G. Reuter) Kempner verfasst und sie damit auf die Titelseite der renommierten Literaturzeitschrift „Volltext“ gebracht.

Montag, 25. September 2017 von Karin S. Wozonig
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Ebner-Eschenbach – Knorr – Briefwechsel: Schatzgrube für die Forschung

Ein Rezensent, dessen Besprechungen ich immer gern lese, hat sich gewissenhaft und mit Gespür für die Geschichte einer Freundschaft des von Ulrike Tanzer, Irene Fußl, Gabriele Radecke und Lina-Maria Zangerl edierten und kommentierten Briefwechsels von Marie von Ebner-Eschenbach mit Josephine von Knorr angenommen.