Aus dem Tagebuch der Ottilie von Goethe, 12. Juni 1841: „Mr. Stout der Amerikaner besuchte mich, dann Herr Hartmann der junge böhmische Poet den mir Dr. Frankl angekündigt; er brachte mir in Frankls Nahmen den Roman von Fl Glück (Betty Paoli) für den ich einen Verleger suchen soll.) Direktor Schmidt kam, Herr von Griesinger kam; Mr. Travers der Engländer kam; Betty Glück kam.“
Bei dem Roman handelt es sich um „Die Ehre des Hauses“, der 1844 – nicht auf Vermittlung von Frau von Goethe – als erster Band der Novellensammlung „Die Welt und mein Auge“ bei Cotta erschien.
Die Literaturgeschichte lebt, so könnte man meinen, von einigen wenigen einflussreichen Schriftstellern und ganz wenigen einflussreichen Schriftstellerinnen. Und dann gibt es da noch ein paar einflussreiche Protagonisten. „Bloom“ gehört dazu, und ihm zu Ehren gibt es den Bloomsday. Am diesjährigen Bloomsday werde ich mit meinem Salonherrn Detlef ein Kaffeehausgespräch leiten, in dem es – nein, nicht um Ulysses, sondern um den Einfluss ungelesener Bücher gehen soll. Also wenn es nach mir geht. Aber die Kaffeehausgespräche sind ein Salon, und für den gilt: Erlaubt ist, was interessiert.
Heute gibt es wieder einmal etwas über das elektronische Lesen zu sagen. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass ich mir gedacht hätte, ich würde es hier in meinem Blog gar nicht mehr erwähnen. Jetzt gibt es aber wieder etwas zu berichten, nämlich: Der Verkauf des Kindle durch Amazon in Europa führt dazu, dass auch wir, die wir den Kindle aufgrund seiner wie ich finde ausgesprochen unsympathischen Benennung nicht verwenden, und statt dessen z.B. auf dem OYO lesen, eine große und vor allem recht gut geordnete und gut durchsuchbare Plattform für Klassiker und generell ältere Literatur im E-Reader-lesbaren Format bekommen haben. Mit einem kleinen Programm, das das proprietäre Kindle-Format für den PC oder Mac konvertiert und einer Software für die Verwaltung von E-Books (Calibre bietet sich hier an), stehen jetzt sehr viele gut edierte Bücher zur Verfügung. Andere Anbieter, z.B. Thalia, haben das auch, aber Amazon macht (wieder einmal) vor, wie es richtig geht.
Notizen von „Asmodeus“: Von literarischen Erscheinungen sind zu nennen: Otto Prechtler’s Gedichte, Betty Paoli’s und Stifter’s Novellen. … Betty Paoli mit ihren Novellen würde uns leicht Karoline Pichler vergessen machen, wenn wir je an dieses Ideal eines Blaustrumpfs als an eine Dichterin gedacht hätten. Ja, Betty Paoli ist uns mehr als Gräfin Ida, der sie an Geist ebenbürtig, an poetischem Gemüthe überlegen ist. Die Dichterin ist Gesellschaftsdame der Fürstin Schwarzenberg. Wahrhaftig, ein interessantes Haus! Die geistreiche, vielerfahrne Frau, der chevalereske Lanzenknecht, die Dichterin der „Briefe an einen Verstorbenen“, das liberale, das aristokratische Princip und der über allen Parteien schwebende Geist der Poesie.
Zeitung für die elegante Welt. 15. Mai 1844
Für das heute stattfindende Kaffeehausgespräch beschäftige ich mich mit der „Sportskomteß“ aus der Erzählung Komtesse Muschi von Marie von Ebner-Eschenbach – und bin voller Bewunderung für die Beobachtungsgabe der Autorin.
Eine weise und gute Wahl bei Knüpfung des wichtigsten Bandes im menschlichen Leben, die ist freilich das sicherste Mittel, um in der Folge sich Freude und Glück in dem Umgange unter Eheleuten versprechen zu können. … Wähle also mit Vorsicht die Gefährtin Deines Lebens, wenn Deine künftige häusliche Glückseligkeit nicht ein Spiel des Zufalls sein soll. … Ich glaube nicht, daß eine völlige Gleichheit in Temperamenten, Neigungen, Denkungsart, Fähigkeiten und Geschmack durchaus erfordert werde, um eine frohe Ehe zu stiften; vielmehr mag wohl zuweilen grade das Gegenteil (nur nicht in zu hohem Grade, noch in Hauptgrundsätzen, noch ein zu beträchtlicher Unterschied von Jahren) mehr Glück gewähren.
Knigge: Über den Umgang mit Menschen
Der von mir sehr geschätzte Verfasser des Buchs Chaos. Making a New Science James Gleick hat ein Buch geschrieben mit dem Titel The Information: A History, A Theory, A Flood. In einem Interview für den Science Weekly-Podcast von The Guardian sagt Gleick mit Blick auf Twitter:
It almost goes without saying that a hundred and forty characters don’t let you express a thought of great profundity that’s likely to be a contribution to knowledge.
Nun, dem kann ich nicht zustimmen. Wie immer kommt es darauf an, wer spricht. Schiller zum Beispiel:
Sprache.
Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen?
Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.
(21 Wörter, 130 Zeichen [mit Leerzeichen])
Brief von Seume an Hanns Schnorr von Carolsfeld, 1801: „Mit der Lebensbeschreibung hats noch Zeit; erst wollen wir leben, dann schreiben. Viel gelebt und wenig geschrieben! besser als umgekehrt.“
Heute abend werde ich mit einem Grüppchen Interessierter wieder über Seumes Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 sprechen. Im Gegensatz zu einer frühren literarischen Neigungsgruppe, die sich sozusagen hypertextuell mit einem Buch beschäftigt hat, beginnen wir diesmal am Anfang. Wer mitmachen will, schicke ein Mail.
Franz Grillparzer im Gespräch mit Marie von Ebner-Eschenbach: „No ja, Literaturgeschichte – ein gemaltes Mittagessen!“