Aus dem Tagebuch von Marie von Ebner-Eschenbach, 6. 5. 1876:
Vormittag in strömendem Regen zu Betty Paoli, Tante Louise u. Dr Pachler. Betty P. hatte sehr anerkennende u. verehrungsvolle Briefe von Anast: Grün, Wüllerstorf u. Levin Schücking erhalten, wegen ihres schönen Aufsatzes über An: v. Droste in der Heimat.
„Der Ort in der Literatur, der war immer schon interessant für die Literaturwissenschaft, aber in den letzten Jahren ist er besonders intensiv untersucht worden, denn seit der Mitte der 1990er Jahre ungefähr fühlen sich viele LiteraturwissenschaftlerInnen als KulturwissenschaftlerInnen, das heißt: zuständig für mehr als nur für literarische Texte. Sie schauen über den Tellerrand hinaus und sehen, was die anderen machen. Und die anderen – die Soziologie z.B. – haben etwas entdeckt, was zum Spatial Turn führte: der Raum – in der Einzahl – wurde als wissenschaftliches Objekt immer interessanter. Für die Literaturwissenschaft heißt das, neben dem literarischen Schauplatz werden auch „Kultur-“, „Kommunikations-“ und „Gedächtnisräume“ interessant. Raum wird also als kulturelle Größe gesehen, was uns völlig einleuchtend erscheint, weil ja auch in der Alltagssprache Raum und Bedeutung zusammengehören – wir orientieren uns ja darin, und sei es, indem wir „über den Tellerrand schauen“. Oder wenn wir hier im Salon gleich über Orte in der Literatur sprechen werden, und vielleicht einige von Ihnen eine Meinung „in den Raum stellen“ werden.“ (Fortsetzung folgt)
Auszug aus: Einleitung zum Kaffeehausgespräch am 17. Juni 2009, Thema: Mit anderen Augen. Orte in der Literatur
Dramatisch
Der Weg ist schlecht, der Karren schwach,
Es geht so ziemlich holter-polter.
Da hilft am besten Vorspann nach,
Als allerbeste Fräulein Wolter.
Grillparzer: Epigramme, 1868
Aus dem Tagebuch von Marie von Ebner-Eschenbach, 23. Juni 1893:
Ida sagte gestern: Weißt du was Karl war? er war Abrahams Schoß. Alle Sorgen die mir weggeräumt werden konnten, jede Mühe, jede Unannehmlichkeit nahm er auf sich. Unabhängiger als ich ist nie eine Frau gewesen. Wenn ich einen Wunsch aussprach, war er im selben Augenblick – sein Wunsch.
Christoph Egger denkt in der Neuen Zürcher Zeitung über Filmkritiken in Zeitungen nach und erinnert vorab an Grundsätzliches:
Kritik, das ist im Bereich des Ästhetischen eine Auseinandersetzung, in der das Kunstwerk öffentlich reflektiert wird. Zugleich verständigt sich, über diese Form von Kritik, eine Öffentlichkeit über sich selbst, ihre Prämissen und Präferenzen. Ort dieser Kritik ist zuallererst die Tageszeitung, auch beim Film.
Und wie immer, wenn es um Öffentlichkeit geht, ist die Frage nach der Rolle des Internets nicht weit. So kommt der Autor, seit 1984 verantwortlich für Film bei der NZZ, zum Schluss:
Das Blog im Internet braucht an gedanklicher Schärfe nicht hinter der Rezension in der Tageszeitung zurückzustehen; an Umfang und damit möglicher Vertiefung ebenso wie in der radikalen Subjektivität ist es ihr ohnehin überlegen. Nicht vergleichbar ist es, zumindest auf absehbare Zeit, mit deren eingangs geschilderter Funktion als Forum öffentlicher Auseinandersetzung und Bewusstseinsbildung.
Nächste Woche geht es weiter mit dem literarischen Salon, in dem über alles gesprochen wird: „Mit anderen Augen. Orte in der Literatur“ lautet das Thema für das Juni-Kaffeehausgespräch. Vielleicht kommen die Bücher von Dan Brown zur Sprache – Stichwort falsche Stadtpläne von Rom und Paris. Vielleicht wird aber auch über Paul Scheerbart gesprochen, den hatten wir noch nicht, obwohl es den Salon seit über einem Jahr gibt.
Zeit: Mittwoch, 17. Juni 2009, 19.30
Ort: Café Heile Welt, Weidenallee 10 b (Hinterhof), 20357 Hamburg
Aus dem Tagebuch von Marie von Ebner-Eschenbach, 16. 5. 1875:
Nachm. kam Ida u. Betty Paoli, wir plauderten bis Moriz sich einfand, der eine Partie Tarok proponirte, u. es wurde bis 8 Uhr gespielt. B. P. hatte ein ganz horrendes Unglück „Das geht über meine Verhältnisse!“ Moriz behauptete, ich hätte verstohlen ihre Marken aus unseren Büchsen in die ihre zurück escamotirt.
Von ihrer ersten Formulierung in den 1970er Jahren an übte die sogenannte Chaosforschung eine starke Anziehungskraft auf Geisteswissenschaftler(innen), Philosoph(inn)en und Soziolog(inn)en aus. Der Lorenz-Attraktor, Iteration, Bifurkation und die Beschreibung von Dynamiken der Selbstorganisation haben auch die Aufmerksamkeit von Literaturwissenschaftler(innen) geweckt. Von den Anfängen bis zum Ende der 1990er Jahre wurden literaturwissenschaftliche Arbeiten, die von der sogenannten Chaosforschung inspiriert waren, oft mit der Bemerkung geschlossen, es werde sich erst in Zukunft weisen, ob der Ideentransfer aus der Naturwissenschaft die Literaturwissenschaft bereichern könne, ob die Terminologie der „neuen Physik“ etwas zur Analyse des Gegenstandsbereichs und zur Erklärungsmacht der Disziplin würde beitragen können. Mittlerweile lässt sich feststellen, dass der Ansatz „chaostheoretische Literaturwissenschaft“ einige Einsichten in den Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaft und sehr viele in die Disziplin bringt. Darüber hinaus kann konstatiert werden, dass ihre Einfügung in ein Repertoire kulturanalytischer Instrumente die „chaostheoretische Literaturwissenschaft“ zur methodischen und theoretischen Bereicherung einer Literaturwissenschaft im Rahmen der Kulturwissenschaften macht.
Auszug aus der deutschen Fassung von: Karin S. Wozonig: Teória chaosu a literárna veda. In: Slovak Review of World Literature Research 2/XVI (2007) S. 35-43. Übersetzt von Roman Mikuláš
Die Wirklichkeit mit ihren tausend Zufälligkeiten ist gleichsam ein Nebel, der unseren geistigen Blick beschränkt, beirrt und ihn hindert, die Erscheinungen in ihrer Totalität aufzufassen. Die Poesie hat den Beruf, ihn mit ihrem mächtigen Odem zu zerstreuen und aus dem wüsten Chaos eine von ethischen Gesetzen beherrschte Welt zu schaffen.
Aus Betty Paoli: „Božena“. In: Betty Paoli: Gesammelte Aufsätze. Eingeleitet und herausgegebene von Helene Bettel-Gabillon. Wien 1908 (Erstdruck in der Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung, 1876)
Auf dem Portal readme.cc ist eine Besprechung des Romans „Schloß und Fabrik“ von Louise Otto-Peters zu lesen. Den 23 Kapiteln dieses Buchs sind Zitate aus Werken zeitgenössischer Autorinnen und Autoren vorangestellt. Vertreten sind unter anderem Anastasius Grün, Ferdinand Freiligrath und Georg Herwegh. Vier Kapitel werden von Zitaten von Betty Paoli eingeleitet:
„Was er mir ist? O, frage Blumenkelche,
Was ihnen wohl der Thau, der sie besprengt?“
„Herz ward vom Herzen blutend losgerissen,
Und jetzt auf meinem Sterbelager muß
Ich Deines Anblicks süßen Trost vermissen.“
„An dem hellsten Sommertag,
Unter Zweigen lichtdurchbrochen,
Bei der Lerchen Jubelschlag
Hab‘ ich Dich zuerst gesprochen.“
„O heilge Stunde, wo in Gottes Strahl
Zwei Menschenherzen ineinander schauen.“