Samstag, 31. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in Literatur im Netz,Schreiben für das Internet | Keine Kommentare

Literaturkritik im Internet

Die Literaturbeilage der Washington Post wird nicht mehr gedruckt. Literaturkritik wird es trotzdem geben, vielleicht sogar mehr als früher, denn die online-Version hat theoretisch unendlich viel Platz. Also: Es ist nicht der Untergang des Abendlandes. Aber es wird sich etwas ändern. Denn das Schreiben über das Lesen im Netz ist anders, als das Schreiben über das Lesen für ein (abgeschlossenes) Printmedium. Oder wie es Wieland Freund in der „Welt“ sagt:

Wer allerdings meinte, die Kritik würde von ihrer Verpflanzung vom Analoge ins Digitale darüber hinaus nicht berührt, hat seine „Aufschreibesysteme“ nicht gelesen: Wie und wo und womit man schreibt, schreibt sich ins Schreiben nämlich ein

Dienstag, 20. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in 19. Jahrhundert,Literaturwissenschaft | 1 Kommentar

Lust und Leid des Reisens

„Als die Fürstin Schwarzenberg im Revolutionsjahr 1848 starb, zog Betty Paoli nach Dessau, um dort als Gesellschafterin der Gräfin Bünau zu arbeiten. Bei Besuchen in Berlin aktivierte sie den Kontakt zu Karl August Varnhagen von Ense: „Sonnabend, den 3. Nov 1849 […] Unerwarteter Besuch von Fräulein Betty Paoli, die vor vier Jahren mit der Fürstin von Schwarzenberg hier war. Sie ist sehr angenehm, voll Verstand und Sinn.“  Einer Modeerscheinung folgend fuhr Paoli im Jahr 1850 für drei Monate nach Paris, ausgestattet mit zwei Briefen an Heinrich Heine. […] Über ihren Aufenthalt in Paris schrieb Paoli nach ihrer Rückkehr mehrere Feuilletons für den Lloyd. […] Zwei Jahre später erscheinen im Lloyd Feuilletonbeiträge von Betty Paoli, die der Gattung des Reiseberichts näher kommen als die „Pariser Eindrücke“.  In diesen Texten beschreibt Paoli eine Reise nach Italien […]

Wenn Jemand das Reisen aufrichtig aus tiefster Seele verabscheut, bin ich’s; wenn Jemand den zauberischen Reiz des Lebens in Schlafrock und Pantoffeln gerührt zu würdigen weiß, bin wieder ich es. Und gerade mich muß es treffen, rastlos umherzuwandern, mich, die ich so gern in meiner Klause bleiben und Tag für Tag zur selben Stunde dasselbe thun möchte, eine lebendige Uhr für die ganze Nachbarschaft. […] An einem schönen Junitag verließ ich Wien, wehmüthig den Genüssen entsagend, die man niergends anders als in seinen vier Pfählen zu finden hoffen darf. Zur beliebigen Stunde aufzustehen, beim Frühstück zwischen jedem Nippen an der Tasse eine Schaar doppelt lieblicher, weil wacher Träume vorbeidefilieren zu lassen […] – das waren die Freuden, die ich für eine Weile aufgab, und welcher Ersatz harrte meiner dafür? Bei Tagesanbruch mit dem Schreckensruf geweckt zu werden: „Es ist keine Zeit mehr zu verlieren!“ schlaftrunken in die Kleider zu fahren, in der Hast der Abreise die Hälfte meiner Toilette-Requisiten im Gasthof zu vergessen, endlich in einem mit Menschen angefüllten Waggon geschoben zu werden, dessen Wärmegrad mit dem eines Orchideenhauses auf gleicher Höhe […]“

Ähnlich umfangreich wie die „Reise-Memoiretten“ von 1852 sind die in der Neuen Freien Presse in den Jahren 1870 und 1871 erschienen „Reisestationen“. Hier berichtet Paoli über die Meinung ihres Arztes, der sie zur Reise gedrängt habe und erinnert sich dabei an ihre frühere Italien-Reise, die sie aus Gesundheitsgründen angetreten hatte:

Rasch war mein Entschluß gefaßt, so schwer es mir auch fiel, noch weitere Länderstrecken zwischen mich und die Heimat zu legen. Es mußte sein. Mein Arzt hatte erklärt, das Reisen sei eine absolute Nothwendigkeit für mich; alle meine Freunde hatten sich dieser Meinung angeschlossen und noch den Rath hinzugefügt: „Je weiter, desto besser.“ Nach dieser schönen Einstimmigkeit zu schließen, muß ich nicht nur krank, sondern auch unausstehlich sein. […]

Aus: Karin S. Wozonig: „So streifet mein Begehren, hin durch die weite Welt…“ Betty Paoli auf Reisen. In: Austriaca 62 (2006) S. 113-123.

Mittwoch, 14. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Jänner 1881

28. Jänner 1881: Nachmittag bei Ida […] Betty [Paoli] hustete, daß die Leute es auf der Straße hören mußten.

Aus: Marie von Ebner-Eschenbach: Tagebücher. Hrsg. v. Polheim, Karl Konrad/Gabriel, Norbert. Band III 1879-1889. Tübingen 1993.

Montag, 12. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Paolis Schreib- und Lebenssituation

Im Jahr 1855 ließ der gute Stern der Dichterin sie finden, was wol die Erfüllung des Traumes eines jeden Schaffenden ist: alle Annehmlichkeiten, alles Behagen des Familienlebens ohne eine seiner Verpflichtungen. Durch fast vierzig Jahre hat sie im Frieden des Hauses v. Fleischl-Marxow, unter hochbegabten, edlen Menschen gelebt: frei und geschützt.

aus: Feuilleton. Betty Paoli. In: Neue Freie Presse 22. Juli 1894. S. 1-4. [gez. Marie v. Ebner-Eschenbach, St. Gilgen, den 14. Juli 1894]

Montag, 5. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli trifft Otto Ludwig

In der Neuen Freie Presse vom 10. Januar 1866 schrieb Betty Paoli über den Schriftsteller, der den Begriff „poetischer Realismus“ prägte:

Es war im September des Jahres 1858, als ich, auf der Durchreise einige Tage in Dresden verweilend, diese Gelegenheit, Otto Ludwig persönlich kennen zu lernen, zu benutzen beschloß. Nicht ohne eine gewisse Beklommenheit machte ich mich auf den Weg. Kein Empfehlungsschreiben, kein Anknüpfungspunkt, wie gemeinsame Freunde ihn bieten, vermittelte die Bekanntschaft, nach der es mich verlangte. Ich fragte mich, ob die Verehrung, die ich dem Dichter entgegenbrachte, mir das Recht gebe, in seine Häuslichkeit einzudringen. Solche Zweifel beschäftigten mich noch, als ich auf dem Wege nach Ludwigs ziemlich entlegener Wohnung die Promenade entlang schritt. Ich unterdrückte sie jedoch und sagte mir, daß die Bescheidenheit, die uns verleiten möchte, unser Lieben und Bewundern zu verschweigen, im Grunde nur verkappter Hochmut sei, der sich nicht der Gefahr einer Zurückweisung aussetzen will […]

Das zweiteilige Feuilleton Paolis über das Leben und Werk von Otto Ludwig ist auf ANNO, dem Projekt AustriaNNewspaperOnline, nachzulesen.

Sonntag, 4. Januar 2009 von Karin S. Wozonig
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Gespräch über Helden

Bei den nächsten Kaffeehausgesprächen, dem literarischen Salon in Hamburg, wird es um die Frage gehen, welche Helden und Heldinnen der Literatur wir kennen. Welche Helden sind uns besonders sympathisch, über welche ärgern wir uns, welche wünschen wir uns als beste Freunde… Und was ist denn überhaupt ein Held/eine Heldin? Wir freuen uns auf interessierte Salongäste.
ZEIT: Donnerstag, 15. Januar 2009, 19:30 Uhr
ORT: Wie es Euch gefällt, Juliusstr. 16, 22769 Hamburg

Samstag, 27. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Chaosforschung, interdisziplinär

Die Erforschung nichtlinearer Dynamik (Chaosforschung) hat in den 1980er Jahren die Grenzen von den Naturwissenschaften und der Mathematik in andere wissenschaftliche Felder übersprungen. Durch populärwissenschaftliche Vermittlung (Werke von Briggs/Peat, James Gleick, Friedrich Cramer u.a.) wurden ihre Voraussetzungen und Ergebnisse auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften rezipiert. Seither wurden zahlreiche Versuche unternommen, die Chaostheorie in diesen wissenschaftlichen Bereichen zu etablieren.

Die Konferenz Chaosforschung in der Literaturwissenschaft: interdisziplinäres Paradebeispiel oder disziplinäres Missverständnis? fragt nach der Funktionstüchtigkeit dieses Theorieimports, nach der methodischen Erweiterung und den Folgen für die Selbstdefinition der Literaturwissenschaft durch diese Übertragung aus den Naturwissenschaften.

Konzept und Organisation: Dr. Roman Mikulaš und Dr. Karin S. Wozonig
Zeit: 28. 1. 2009, 9-17.00
Ort: Mozartsaal, Österreichisches Kulturforum Bratislava, Zelená 7
811 01 Bratislava, Slowakische Republik

TeilnehmerInnen:
Dr. Ulrike Goldschweer, Ruhr-Universität Bochum
Dr. Karin Harrasser, Humboldt-Universität Berlin/Universität Wien
Prof. Susanne Hartwig, Universität Passau
Dr. Pavel Matejovic, Slowakische Akademie der Wissenschaften
Dr. Roman Mikulas, Slowakische Akademie der Wissenschaften
Dr. Sibylle Moser, LOOP. Inst. für systemische Medienforschung, Wien
Dr. Stephan-Immanuel Teichgräber, Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur, Wien
Prof. Thomas Wägenbaur, International University, Bruchsal
Prof. Friedrich Wallner, Universität Wien
Dr. Karin S. Wozonig, Hamburg/Wien
Prof. Dieter Wrobel, Universität Würzburg
Prof. Peter Zajac, Slowakische Akademie der Wissenschaften

Sonntag, 21. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Veröffentlicht in Schreiben für das Internet,Schreibtipps | 1 Kommentar

Texte kürzen ohne zu verlieren

Für die Gestaltung von Webtexten gilt auf der obersten Ebene der Informationsvermittlung das sogenannte KISS-Prinzip: keep it short and simple. Gelegentlich wird dieses Prinzip so weit getrieben, dass das Resultat ein unpersönlicher, langweiliger Text ist. Das ist unnötig.

Einige Grundregeln genügen, um Texte für das Internet lesefreudlich zu machen. Zum Beispiel: Verwenden Sie keine Strichpunkte, keine ausufernden Schachtelsätze und keine Einschübe.

Zum Thema Satzlänge: Es gibt keine Wortanzahl, die optimal ist. Aber je näher das erste Wort und der Punkt eines Satzes bei einander liegen, desto höher ist die Lesegeschwindigkeit. Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, Sätze über zwei oder mehr Zeilen laufen zu lassen.

Texte einfach zu gestalten, bedeutet nicht nur ausufernde Sätze zu kürzen, sondern auch kurze Wörter zu verwenden. Lange, zusammengesetzte Hauptwörter werden im Internet tendenziell mit Bindestrich geschrieben.

Die immer öfter auftauchende Besonderheit, dass deutsche Komposita (zusammengesetzte Hauptwörter) getrennt und ohne Bindestrich geschrieben werden, ist das Ergebnis der Übernahme einer Regel aus dem Englischen bzw. automatischer Übersetzungen. Von empfindlichen Texterinnen und Textern und anderen Sprachaufpassern wird der so entstehende Raum zwischen den beiden Bestandteilen des deutschen Wortes „Idiotenleerzeichen“ genannt.

Donnerstag, 18. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Kaffeehausgespräch aus gegebenem Anlass

Aus gegebenem Anlass trägt das heutige Kaffeehausgespräch den Titel „Das geht immer – Das Buch als Geschenk“. Es soll diesmal – noch mehr als sonst – um Anekdoten rund ums Buch und um das Lesen gehen. Die Kaffeehausgespräche orientieren sich an der Tradition der Salons. Es geht um die grundsätzliche Frage, welchen Stellenwert Literatur und Bücher im Leben der Salongäste haben und um den angeregten und anregenden Austausch in angenehmer Atmosphäre darüber.

Üblicherweise werden die Kaffeehausgespräche mit einem zum Thema des Abends passenden Vortrag von ca. 15 Minuten eingeleitet, der den Gästen die Gelegenheit geben soll, sich auf das Gespräch einzustimmen. Für heute kann ich eine Themenverfehlung ankündigen: Ich werde über „Das Geschenk im Buch“ sprechen.

ZEIT: Donnerstag, 18. Dezember 2008, 19:30 Uhr
ORT: Wie es Euch gefällt, Juliusstr. 16, 22769 Hamburg
Der Eintritt ist frei.

Dienstag, 16. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Intuition im wissenschaftlichen Diskurs

Selbstverständlich kann man eine Biografie der Schriftstellerin Betty Paoli mit den Worten beginnen lassen:

Am 5. Juli 1894 starb Betty Paoli während eines Sommeraufenthalts in Baden bei Wien.

Das rollt das Leben gewissermaßen von hinten auf, was die Illusion erzeugen könnte, dass Linearität beim Erzählen einer Lebensgeschichte nicht unbegingt notwendig sei. […] Vielleicht könnte man auch noch das zu erzählende Menschenleben auf mehr oder weniger zusammenhängende wirkliche und metaphorische Örtlichkeiten verteilen und so der Einförmigkeit der fließenden Zeit entgehen? […]

Die wissenschaftliche Erzählung […] veranschaulicht die historisch Lebenswelt, zugleich vermeidet die Matrix von öffentlichen und privaten Räumen, vor der der individuelle Lebenslauf beschrieben wird die evolutive Unumgänglichkeit der Biographie […]

Das mag auf den ersten Blick eine recht brauchbare Lösung sein, aber die Lebensgeschichte bleibt eine Geschichte, somit dem Modus der Narration unterworfen, und der Anfang und das Ende mögen auseinander klaffen oder zusammengepackt werden, die Verläufe mögen verworren werden (beabsichtigt oder durch Unachtsamkeit der Schreiberin) […] Aber

Jede historische Darstellung ist auch Fiktion, da die Stringenz der Darstellung nicht nur auf dem Prinzip der Sukzession und der chronologischen Begrenzung beruht, sondern auch auf der Form der Narration

[…], dann sollte ich mir auch die Mühe machen, nach der Alternative zur öden, kausalzusammenhangsfixierten Historiographie der Neuzeit zu suchen, oder? Und hier kommt die Erforschung nichtlinearer Dynamik, vulgo Chaosforschung, ins Spiel. (aus: Karin S. Wozonig: „Das gefühlte Ende und Intuition als wissenschaftliche Kategorie.“ In: sinn-haft nr.18. Theorie Erzählungen. Persönliches Sprechen vom eigenen Denken. S. 35-37)