Sonntag, 31. Oktober 2010 von Karin S. Wozonig
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Nikolaus Lenau äquilibriert

Nikolaus Lenau an Emilie von Reinbeck, 6. Oktober 1842:

Betty Paoli hat mir ihre mir gewidmeten Gedichte nebst einem Briefe zugesendet, so voll berauschenden Lobes und warmer Gesinnung der innigsten Theilnahme, daß ich fast einige Augenblicke äquilibriren mußte um nicht von einem selbstüberschätzenden Taumel ergriffen zu werden. Doch, ich bin gerettet; nicht blos bei meiner Geige bin ich mir der falschen Griffe und des Gefitschels bewußt. – Ich habe die Dichterin besucht und fand sie sehr liebenswürdig und vernünftig. Leider konnte ich aber meiner gewohnten Verschlossenheit nicht dasjenige Maß von Freundlichkeit zur Gegengabe abgewinnen, das die gute, edle Seele verdient hätte.

Samstag, 9. Oktober 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Killy

Für die Neuausgabe des Killy Literaturlexikons habe ich einen Artikel über Betty Paoli geschrieben. Vor einigen Wochen ist der betreffende Band erschienen und jetzt auch online beim Verlag de Gruyter verfügbar. Ich schreibe immer gern über Paoli, dieser Lexikonbeitrag hat mir aber besondere Freude gemacht. Denn der Artikel aus dem Killy von 1991, verfasst von Eda Sagarra, war für mich ein wichtiger Startpunkt für mein literaturwissenschaftliches Interesse an der Dichterin. Dieses hat seither zu einer Monographie, Zeitschriften- und Buchbeiträgen geführt und ist – wie Sie auch aus diesem Blog ersehen können – noch nicht erlahmt.

Dienstag, 5. Oktober 2010 von Karin S. Wozonig
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Flügel des Gesanges

Ein neues Buch hat in meine Sammlung von Lyrikanthologien Aufnahme gefunden (herzlichen Dank an Susanne), nämlich Auf Flügeln des Gesanges, herausgegeben von der Freiin v. Hohenhausen. Es handelt sich um die sehr schöne Ausgabe aus dem Leipziger Verlag Gustav Fock, gedruckt 1899, mit Illustrationen unter anderem von Ludwig Richter.
Bei der Herausgeberin handelt es sich um Elise von Hohenhausen, einer Förderin von Annette von Droste-Hülshoff und einer Verehrerin Heinrich Heines. Von Betty Paoli hat Hohenhausen das Gedicht „Gabe“ in die Sammlung aufgenommen. Die erste Strophe lautet:

Alles hinzugeben
Ist der Liebe Brauch;
Nimm denn hin mein Leben,
Und mein Sterben auch!

Das Gedicht wurde von der Wiener Komponistin und Dirigentin Lise Maria Mayer (1894-1968) und von Erik Meyer-Helmund (1861-1932) vertont.

Als Betty Paoli nach Paris reiste, lernte sie durch Elise von Hohenhausens Vermittlung Heinrich Heine kennen.

Donnerstag, 2. September 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli: „Die Dichterin“

Betty Paoli: Die Dichterin

Viel Muth braucht man in unsern Tagen,
(Ja Muth! Nicht nur Beruf allein),
Sich an die Lira noch zu wagen,
Hat man das Unglück Weib zu sein.
Als Geißel in des Lebens Kreisen
Bezeichnet man die Dichterin,
Allein, wie dieses zu erweisen,
Will mir doch nimmer in den Sinn.

Horcht doch des großen Meisters Worten:
„Wem in dem deutschen Dichterwald
Die Gabe des Gesangs geworden,
Der singe, daß es weithin schallt!“ –
In einem Bunde will Er sehen,
Der Musa Kinder all vereint,
Er gibt dabei nicht zu verstehen,
Daß er die Söhne nur gemeint.

Daß aus so mancher Frauenfeder
Erbärmliches geflossen sei,
Viel Verse, ach! Von denen jeder
Verrenket kreischt: „Gott steh mir bei!“
Dieß als Verleumdung abzuweisen,
Wär‘ ein unwürdig Truggeschäft,
Doch saget, ob in euern Kreisen
Ihr nicht auch solche Muster trefft? –

Und wenn die einz’ge Wahl mir bliebe,
(Im Grund Wahl zwischen Strick und Schwert!)
Weh! zwischen Liedern matter Liebe,
Und zwischen jenen, wo versehrt
Der Musa strahlendes Gefieder
Durch Diatriben lichterloh,
Dann zög‘ ich vor die matten Lieder
Der groben à la so und so. –

Warum soll jene Stimme eben,
Die in so mancher herben Pein
Den Andern sanften Trost kann geben,
Nicht zum Gesang‘ berufen sein?
Und jene Hand, die nassen Augen
Enthüllt ein höheres Asyl,
Die sollte nimmer dazu taugen,
Zu rühren an das Saitenspiel?

Wer sich das Dichten kann verwehren,
Hat sich zum Dichten nur gemüht!
Wenn Wonnen mein Gemüth verklären,
So werden sie in mir zum Lied,
Wenn höhrer Schmerz mein Sein durchdringet,
Schallt er aus meines Herzens Grund,
Und wenn die Seele in mir singet,
Singt auch, ohn‘ daß ich’s will, der Mund

Nie hörte man mein Lied ertönen,
Zum Ruhme eitler, ird’scher Macht,
Nie sah man es der Lüge fröhnen,
Stumm blieb’s in einer Sündennacht;
Doch mit der Sterne Flammenzungen,
Mit jeder Blum‘, die strahlt und blüht,
Hat es den Hymnus mitgesungen,
Der betend durch die Schöpfung zieht!

(1837)

Montag, 30. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Die lyrische Frauenfrage

Am 30. August 1837 erschien im „Humorist“ ein Gedicht Betty Paolis, in dem sich das lyrische Ich Gedanken über die Frauenfrage auf poetischem Gebiet macht. Das Gedicht heißt „Die Dichterin“ und beginnt mit den Versen

Viel Muth braucht man in unsern Tagen,
(Ja Muth! nicht nur Beruf allein),
Sich an die Lira noch zu wagen,
Hat man das Unglück Weib zu sein.
Als Geißel in des Lebens Kreisen
Bezeichnet man die Dichterin,
Allein, wie dieses zu erweisen,
Will mir doch nimmer in den Sinn.

In diesem Zusammenhang sei auf Grillparzers Stammbuchspruch für die Autorin Josephine von Remekházy verwiesen.

Mittwoch, 25. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Reiseprojekte

Vor einigen Tagen berichtete ich über die 1837 von dem eloquenten Spötter M. G. Saphir gegründete Zeitschrift „Der Humorist“. Am 20. Oktober 1837 erschien in diesem Blatt das Gedicht „Reiseprojekte“ von Betty Paoli, das, da zur Saison passend, in seiner vollen Länge zitiert sei:

Reiseprojekte

Ihr hohen Kathedralen
Am alten, heil’gen Rhein,
Umspielt von tausend Strahlen,
Im hellen Sonnenschein;
Ihr stolzgethürmten Zinnen,
Auf Bergen rebumblüht,
O wie es mich von hinnen
In eure Nähe zieht!

Und wie’s mich sehnend ziehet
In’s schöne Frankenland,
Wo frei der Ölbaum blühet,
An blum’ger Bergeswand;
Wo aus dem Blättergrunde
Hell die Orange blinkt,
Und wo voll süßer Kunde
Vaucluse hernieder winkt!

Mein Rom, mein ewig hehres
Sorrent‚, Neapolis,
Du schöne Braut des Meeres,
Du irdisch Paradies,
Alhambra, edle Trümmer,
Und du, Escurial,
Erscheint ein Rosenschimmer
Dem Sehnen allzumal! –

So streifet mein Begehren,
Hin durch die weite Welt,
Und wer will mir verwehren
Zu zieh’n, wenn mir’s gefällt?
Das Leben steht mir offen,
Mich hält nicht Amt noch Pflicht
Hier fest, und auch kein Hoffen
Und Glück auch wahrlich nicht!

Von einem Jahr zum andern
Schob ich die Reise auf,
Begonnen sei das Wandern,
Der lebensrasche Lauf!
Will in die Weite streben,
Will morgen sein bereit!
„Gewiß?“ – O du mein Leben,
Stets morgen, niemals heut!

Freitag, 20. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Der feuilletonistische Witz von Saphir

Warum fürchten so viele Schriftsteller den Tod so sehr? Weil sie jenseits ganz leer ankommen werden, denn der Mensch nimmt nichts mit als seine guten Werke.
Moritz Gottlieb Saphir

Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858) war Kritiker und Feuilletonist. Er gründete 1837 die Zeitschrift „Der Humorist“, in der er seine polemischen Kritiken und spöttischen Kommentare zum Zeitgeschehen veröffentlichte. Damit legte er sich unter anderem mit Nestroy an. Eine Beiträgerin der Zeitschrift war Betty Paoli.

Samstag, 14. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli und die Biographie

Franzensbad, 31. Juli 1856

Theuerster Freund!

Wahrscheinlich haben Sie schon durch Ida die Angelegenheit erfahren, in welcher ich Ihnen heute schreibe. Herr Pfautsch will mein Portrait in dem Taschenbuch „Gedenke mein“ erscheinen lassen und besagtem Conterfei auch meine Biographie beigeben. Gegen eine solche habe ich mich nun entschieden erklärt. Bin ich einmal todt und es will sich Jemand die Mühe nehmen, meine Biographie zu schreiben, so kann ich es, leider! nicht hindern, aber so lange ich noch auf Erden wandle, fühle ich nicht den mindesten Beruf, vor dem Publikum eine Art Generalbeichte abzulegen. Biographien noch lebender Personen müssen entweder lügen- oder lückenhaft sein; wenn dieß nicht, sind sie noch Schlimmeres: eine Entweihung, die man seinem eigensten Wesen zufügt, um die Neugier und Klatschsucht der plumpen Masse zu befriedigen. … Ich habe mich also nur dazu verstanden, einige biographische Notizen zu liefern. Diesen flüchtigen Umrissen meines äußeren Lebens wäre es aber passend, ein Bild meines geistigen Seins beizufügen … Mein guter, treuer Freund! Sie erzeigen mir einen großen Liebesdienst und ersparen mir wahrscheinlich bedeutende Unannehmlichkeiten, wenn Sie die Arbeit, um die es sich hier handelt, übernehmen.  …
Leben Sie wohl, erfüllen Sie meine Bitte und gedenken Sie meiner in Freundschaft. Ihre Betty Paoli

Sonntag, 8. August 2010 von Karin S. Wozonig
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Betty Paoli über Literatur und Entsagung

In der Zeit des Biedermeier ist das romantische Ideal von der Einheit von Kunst und Leben nicht aufrecht zu halten. Die Gesellschaft der sich emanzipierenden Bürger braucht zuverlässige Mitglieder, die ihre Leidenschaften zähmen und eine klare, effiziente Aufteilung der Sphären befolgen. Die Dichter der Zeit sind Grenzgänger zwischen den Welten, die sich den bürgerlichen Anforderungen entziehen und sie dadurch stabilisieren. Gilt das auch für die Dichterinnen? In diesem Beitrag wird das Werk der österreichischen Lyrikerin und Journalistin Betty Paoli  (1814-1894) zu diesem Thema befragt…

Weiterlesen: Karin S. Wozonig: Kunst oder Leben. Betty Paoli über Literatur und Entsagung. In: Strategien des Entziehens: sinnhaft 22. Hg. von Hyperrealitätenbüro

Montag, 26. Juli 2010 von Karin S. Wozonig
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Die soziale Wunde Frauenfrage

Das ist der vierte und letzte Teil meiner Montag-Blog-Serie zu einem Feuilleton Betty Paolis, in dem die Schriftstellerin auf die Schlacht von Königgrätz (1866) reagierte. In dem Text, nachzulesen in Betty Paoli. Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht? Wien: Mandelbaum 2001 (herausgegeben von Eva Geber), plädiert Paoli dafür, bürgerlichen Frauen den bislang verwehrten Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen – aus Gerechtigkeitssinn und aus ökonomischen Gründen.

Selbst in besseren Zeiten hat diese soziale Wunde tief und schmerzlich aufgeklafft; wie aber erst jetzt, nach solchen Unglückstagen, wie wir sie erleben mussten! Zu den Alleinstehenden, vom Glück der Häuslichkeit Ausgeschlossenen, für die ich schon früher die Stimme erhob, haben sich seitdem die Witwen und Waisen derer gesellt, die auf den Schlachtfeldern für Österreich verbluteten; die zwar minder Unglücklichen, doch nicht minder Bedrängten, denen fortan die Sorge für einen verstümmelten, zu jedem Erwerb unfähigen Vater, Gatten oder Bruder zufällt. Nicht Almosen sind es, die sie von euch verlangen, nein! Nur die Förderung, welche die Beseitigung einengender Schranken von selbst mit sich bringt. Nehmt dem Leid, das immer noch zurückbleiben wird, den eklen Beigeschmack der Sorge um das tägliche Brot, bringt der Menschlichkeit das wahrlich geringe Opfer eines verrotteten Wahns und seid freisinnig, um gerecht sein zu können! Lasst mich euch nicht vergeblich an Pombals Wort erinnert haben: „Wir wollen die Toten begraben und für die Lebenden sorgen!“