Montag, 28. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Was uns Knigge nicht sagen will

Meine Blog-Reihe zu dem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ von Knigge möchte ich damit schließen vorzuführen, dass der „echte Knigge“ viel mehr geschrieben hat als ein Benimmbuch. Der Autor lässt uns wissen, was er in seinem Buch nicht vermitteln möchte, und das ist einiges. Hier nur ein kleiner Auszug aus den Regeln, über die „viel mehr zu sagen, zu lehren“ sein Buch „nicht der Ort“ sei:

Warum man den Leuten nicht in die Rede fallen dürfe; … daß man so wenig als möglich in einer Gesellschaft den Leuten den Rücken zukehren, in Titeln und Namen nicht irre werden solle; … daß man auf steilen Treppen im Hinuntersteigen die Frauenzimmer vorausgehn, im Hinaufsteigen aber sie folgen lassen müsse; … daß man bei Tische den abgeleckten Löffel, womit man gegessen, nicht wieder vor sich hinlegen solle, wie so viele tun; … daß es sich nicht schicke, in Gesellschaften in das Ohr zu flüstern, bei Tafel krumm zu sitzen, unanständige Gebärden zu machen, noch zu leiden, daß ein Frauenzimmer oder jemand, der vornehmer ist als wir, von einer Speise, die vor uns steht, vorlege;

Das sind für Adolph von Knigge Selbstverständlichkeiten, die sich in ein größeres Ganzes einfügen:

Kurz, alles was eine feine Erziehung, was Aufmerksamkeit auf sich selbst und auf andre verrät, das gehört notwendig dazu, den Umgang angenehm zu machen, und es ist wichtig, sich in solchen Dingen nichts nachzusehn, sondern jede kleine Regel des Anstandes, selbst in dem Zirkel seiner Familie, zu beobachten, um sich das zur andern Natur zu machen, wogegen wir so oft fehlen, und was uns Zwang scheint, wenn wir uns Nachlässigkeiten in der Art zu verzeihn gewöhnt sind.

Donnerstag, 24. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Zwei interessante Erscheinungen

Heute bringe ich eine Neuerscheinung zur Kenntnis:

Anlässlich des 200. Geburtstags von Fanny Lewald [geboren am 24. März 1811 in Königsberg, Preußen] erscheint folgender Band:
Christina Ujma (Hg.)
Fanny Lewald (1811-1889)
Studien zu einer großen europäischen Schriftstellerin und Intellektuellen
Vormärz-Studien Bd. XX, Aisthesis 2011

Das ist aber keine der beiden Erscheinungen, von denen der Titel dieses Blogeintrags spricht. Dieser bezieht sich vielmehr auf  folgende Bemerkung der Elise von Hohenhausen (1789–1857, Lyrikerin, Erzählerin, Publizistin und Übersetzerin; ihre Tochter, eine Schriftstellerin und Salonière, wurde in diesem Blog als Herausgeberin einer Lyrikanthologie gewürdigt), festgehalten in einem Brief an Heinrich Heine:

Varnhagen hat mich mit alter Freundschaft aufgenommen — Betty Paoli, Fanny Lewald, die ich hier kennen lernte, sind interessante neue Erscheinungen…

Montag, 21. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Das Zurweltkommen des Jean Paul

Von Zeit zu Zeit berichte ich in diesem Blog über die schöne literaturwissenschaftliche Tradition des Ecocriticism, der sich mit dem Zusammenhang von Literatur und Natur befasst. Heute nütze ich die Gunst des Datums, um einen Text von Jean Paul zu zitieren, der sich durch allerbeste „literarische Biologie“ (auch wenn der Leiter der „Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition“, Helmut Pfotenhauer, das vielleicht anders gemeint hat) und mehrdeutigen Humor auszeichnet.

Geneigteste Freunde und Freundinnen!
Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; – und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 21ten März; – und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 11/2 Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.
Jean Paul: Selberlebensbeschreibung (1818/1819, Druck 1826)

Dienstag, 15. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigge über Klatsch und Tratsch

Bei den Überlegungen zum richtigen Umgang mit Menschen dürfen natürlich auch Ausführungen zum Thema Klatsch und Tratsch nicht fehlen. So rät der Freiherr von Kigge sehr weise:

Erzähle nicht leicht Anekdoten, besonders nie solche, die irgend jemand in ein nachteiliges Licht setzen, auf bloßes Hörensagen nach! Sehr oft sind sie gar nicht auf Wahrheit gegründet oder schon durch so viele Hände gegangen, daß sie wenigstens vergrößert, verstümmelt worden, und dadurch eine wesentlich andre Gestalt bekommen haben. Vielfältig kann man dadurch unschuldigen guten Leuten ernstlich schaden und noch öfter sich selber großen Verdruß zuziehn.

Und überhaupt – was geht es uns an, was andere tun?

Bekümmere Dich nicht um die Handlungen Deiner Nebenmenschen, insofern sie nicht Bezug auf Dich oder so sehr auf die Moralität im ganzen haben, daß es Verbrechen sein würde, darüber zu schweigen. Ob aber jemand langsam oder schnell geht, viel oder wenig schläft, oft oder selten zu Hause, prächtig oder lumpig gekleidet ist, Wein oder Bier trinkt, Schulden oder Kapitalien macht, eine Geliebte hat oder nicht – was geht das Dich an, wenn Du nicht sein Vormund bist?

Sonntag, 13. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Zur Erinnerung

Aus dem Tagebuch von Betty Paoli, 13. März 1882:

27ster Jahrestag von meiner ersten Begegnung mit Ida.

Freitag, 11. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Radiotipp

Am Sonntag den 13. März, 8.15, liest Nicole Heesters in der Sendung „Du holde Kunst“ auf Ö1 unter anderem ein Gedicht von Betty Paoli. Die Sendung steht unter dem Titel „Ich weiß, was ich will“, einem Zitat aus dem Gedicht „Ich“ von Paoli, über dessen Verbreitung in den Medien ich bereits berichtet habe.

Mittwoch, 9. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigges Publikum

Heute stelle ich in meiner kleinen Knigge-Serie die Frage: Für wen verfasste der Freiherr seine Anweisungen für den richtigen Umgang mit Menschen eigentlich? Er beobachtet,

daß die gelehrtesten Männer, wenn nicht zuweilen die untüchtigsten zu allen Weltgeschäften, doch wenigstens unglücklich genug sind, durch den Mangel einer gewissen Gewandtheit zurückgesetzt zu bleiben, und daß die Geistreichsten, von der Natur mit allen innern und äußern Vorzügen beschenkt, oft am wenigsten zu gefallen, zu glänzen verstehen.

Und daher schreibe er für

Personen, die wahrlich allen guten Willen und treue Rechtschaffenheit mit mannigfaltigen, recht vorzüglichen Eigenschaften und dem eifrigen Bestreben, in der Welt fortzukommen, eigenes und fremdes Glück zu bauen, verbinden, und die dennoch mit diesem allen verkannt, übersehn werden, zu gar nichts gelangen.

Und Knigge fragt:

Woher kommt das? Was ist es, das diesen fehlt und andre haben, die, bei dem Mangel wahrer Vorzüge, alle Stufen menschlicher, irdischer Glückseligkeit ersteigen? – Was die Franzosen den esprit de conduite nennen, das fehlt jenen: die Kunst des Umgangs mit Menschen – eine Kunst, die oft der schwache Kopf, ohne darauf zu studieren, viel besser erlauert als der verständige, weise, witzreiche;

Um von Knigges Ausführungen profitieren zu können, muss der verständige aber tolpatschige Mensch ein paar Grundbedingungen mitbringen. Knigge kümmert sich nicht um Fälle, in denen mangelndes Bemühen vorliegt, wenn z. B.

ein Stubengelehrter, der ganz fremd in der Welt, ohne Erziehung und ohne Menschenkenntnis ist, sich einmal aus dem Haufen seiner Bücher hervorarbeitet, und er dann äußerst verlegen mit seiner Figur, buntscheckig und altväterisch gekleidet, in seinem vor dreißig Jahren nach der neuesten Mode verfertigten Bräutigamsrocke dasitzt und an nichts von allem, was gesprochen wird, Anteil nehmen, keinen Faden finden kann, um mit anzuknüpfen, so gehört das alles nicht hierher.

Samstag, 5. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Anteilnahme nach Knigge

Meine Serie der Lesefrüchte aus dem echten Knigge setze ich heute fort mit einer Beobachtung zum Thema „aufrichtiges Interesse am Mitmenschen“:

Gehe von niemand und laß niemand von Dir, ohne ihm etwas Lehrreiches oder etwas Verbindliches gesagt und mit auf den Weg gegeben zu haben; aber beides auf eine Art, die ihm wohltue, seine Bescheidenheit nicht empöre und nicht studiert scheine, daß er die Stunde nicht verloren zu haben glaube, die er bei Dir zugebracht hat, und daß er fühle, Du nehmest Interesse an seiner Person, es gehe Dir von Herzen, Du verkauftest nicht bloß Deine Höflichkeitsware ohne Unterschied jedem Vorübergehenden!

Donnerstag, 3. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigge-Humor english version

Above all things let us never foget that people want to be amused and entertained; that even the most instructive conversation at last becomes irksome to many if it be not seasoned by occasional fallies of wit and good humour; further, that nothing in the world appears to the generality wittier, wiser and more pleasant than what is said to their praise and flatters their vanity; but that it also is beneath the dignity of a rational man to act the mean part of a jester, and unworthy of an honest man to flatter meanly. There is a certain medium which I wish to recommend to you. Every man has at least one good quality which we may praise without degrading ourselves; and an encomium of that sort uttered by a man of understanding and of judgment may become an impulse to strive at greater perfection. This hint will be sufficient for those that are inclined to understand me…. True humour and genuine wit cannot be forced nor produced by art and mental toils; but they are felt like the presence of a celestial being, creating pleasure, congenial warmth and secret awe.

Practical Philosophy of Social Life; or, The Art of Conversing with Men; After the German of Baron Knigge. By P. Will. First American Edition. 1805

Mittwoch, 2. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigge-Humor

Wie angekündigt wird es in diesem Blog in den nächsten Tagen in loser Folge Lesefrüchte aus dem „Original-Kniggegeben, einem Werk, das ich immer wieder gern lese. Heute ein Ausschnitt über den Witz:

Vor allen Dingen vergesse man nie, daß die Leute unterhalten, amüsiert sein wollen; daß selbst der unterrichtendste Umgang ihnen in der Länge ermüdend vorkommt, wenn er nicht zuweilen durch Witz und gute Laune gewürzt wird; daß ferner nichts in der Welt ihnen so witzreich, so weise und so ergötzend scheint, als wenn man sie lobt, ihnen etwas Schmeichelhaftes sagt; daß es aber unter der Würde eines klugen Mannes ist, den Spaßmacher, und eines redlichen Mannes unwert, den niedrigen Schmeichler zu machen. Allein es gibt einen gewissen Mittelweg; diesen rate ich einzuschlagen, und da jeder Mensch doch wenigstens eine gute Seite hat, die man loben darf, und dies Lob, wenn es nicht übertrieben wird, aus dem Munde eines verständigen Mannes Sporn zu größerer Vervollkommnung werden kann, so ist das Wink genug für den, der mich verstehn will. … Wahrer Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen, nicht erkünsteln, aber sie wirken, wie das Umschweben eines höhern Genius, wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht erregend.