Freitag, 11. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Radiotipp

Am Sonntag den 13. März, 8.15, liest Nicole Heesters in der Sendung „Du holde Kunst“ auf Ö1 unter anderem ein Gedicht von Betty Paoli. Die Sendung steht unter dem Titel „Ich weiß, was ich will“, einem Zitat aus dem Gedicht „Ich“ von Paoli, über dessen Verbreitung in den Medien ich bereits berichtet habe.

Mittwoch, 9. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigges Publikum

Heute stelle ich in meiner kleinen Knigge-Serie die Frage: Für wen verfasste der Freiherr seine Anweisungen für den richtigen Umgang mit Menschen eigentlich? Er beobachtet,

daß die gelehrtesten Männer, wenn nicht zuweilen die untüchtigsten zu allen Weltgeschäften, doch wenigstens unglücklich genug sind, durch den Mangel einer gewissen Gewandtheit zurückgesetzt zu bleiben, und daß die Geistreichsten, von der Natur mit allen innern und äußern Vorzügen beschenkt, oft am wenigsten zu gefallen, zu glänzen verstehen.

Und daher schreibe er für

Personen, die wahrlich allen guten Willen und treue Rechtschaffenheit mit mannigfaltigen, recht vorzüglichen Eigenschaften und dem eifrigen Bestreben, in der Welt fortzukommen, eigenes und fremdes Glück zu bauen, verbinden, und die dennoch mit diesem allen verkannt, übersehn werden, zu gar nichts gelangen.

Und Knigge fragt:

Woher kommt das? Was ist es, das diesen fehlt und andre haben, die, bei dem Mangel wahrer Vorzüge, alle Stufen menschlicher, irdischer Glückseligkeit ersteigen? – Was die Franzosen den esprit de conduite nennen, das fehlt jenen: die Kunst des Umgangs mit Menschen – eine Kunst, die oft der schwache Kopf, ohne darauf zu studieren, viel besser erlauert als der verständige, weise, witzreiche;

Um von Knigges Ausführungen profitieren zu können, muss der verständige aber tolpatschige Mensch ein paar Grundbedingungen mitbringen. Knigge kümmert sich nicht um Fälle, in denen mangelndes Bemühen vorliegt, wenn z. B.

ein Stubengelehrter, der ganz fremd in der Welt, ohne Erziehung und ohne Menschenkenntnis ist, sich einmal aus dem Haufen seiner Bücher hervorarbeitet, und er dann äußerst verlegen mit seiner Figur, buntscheckig und altväterisch gekleidet, in seinem vor dreißig Jahren nach der neuesten Mode verfertigten Bräutigamsrocke dasitzt und an nichts von allem, was gesprochen wird, Anteil nehmen, keinen Faden finden kann, um mit anzuknüpfen, so gehört das alles nicht hierher.

Samstag, 5. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Anteilnahme nach Knigge

Meine Serie der Lesefrüchte aus dem echten Knigge setze ich heute fort mit einer Beobachtung zum Thema „aufrichtiges Interesse am Mitmenschen“:

Gehe von niemand und laß niemand von Dir, ohne ihm etwas Lehrreiches oder etwas Verbindliches gesagt und mit auf den Weg gegeben zu haben; aber beides auf eine Art, die ihm wohltue, seine Bescheidenheit nicht empöre und nicht studiert scheine, daß er die Stunde nicht verloren zu haben glaube, die er bei Dir zugebracht hat, und daß er fühle, Du nehmest Interesse an seiner Person, es gehe Dir von Herzen, Du verkauftest nicht bloß Deine Höflichkeitsware ohne Unterschied jedem Vorübergehenden!

Donnerstag, 3. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigge-Humor english version

Above all things let us never foget that people want to be amused and entertained; that even the most instructive conversation at last becomes irksome to many if it be not seasoned by occasional fallies of wit and good humour; further, that nothing in the world appears to the generality wittier, wiser and more pleasant than what is said to their praise and flatters their vanity; but that it also is beneath the dignity of a rational man to act the mean part of a jester, and unworthy of an honest man to flatter meanly. There is a certain medium which I wish to recommend to you. Every man has at least one good quality which we may praise without degrading ourselves; and an encomium of that sort uttered by a man of understanding and of judgment may become an impulse to strive at greater perfection. This hint will be sufficient for those that are inclined to understand me…. True humour and genuine wit cannot be forced nor produced by art and mental toils; but they are felt like the presence of a celestial being, creating pleasure, congenial warmth and secret awe.

Practical Philosophy of Social Life; or, The Art of Conversing with Men; After the German of Baron Knigge. By P. Will. First American Edition. 1805

Mittwoch, 2. März 2011 von Karin S. Wozonig
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Knigge-Humor

Wie angekündigt wird es in diesem Blog in den nächsten Tagen in loser Folge Lesefrüchte aus dem „Original-Kniggegeben, einem Werk, das ich immer wieder gern lese. Heute ein Ausschnitt über den Witz:

Vor allen Dingen vergesse man nie, daß die Leute unterhalten, amüsiert sein wollen; daß selbst der unterrichtendste Umgang ihnen in der Länge ermüdend vorkommt, wenn er nicht zuweilen durch Witz und gute Laune gewürzt wird; daß ferner nichts in der Welt ihnen so witzreich, so weise und so ergötzend scheint, als wenn man sie lobt, ihnen etwas Schmeichelhaftes sagt; daß es aber unter der Würde eines klugen Mannes ist, den Spaßmacher, und eines redlichen Mannes unwert, den niedrigen Schmeichler zu machen. Allein es gibt einen gewissen Mittelweg; diesen rate ich einzuschlagen, und da jeder Mensch doch wenigstens eine gute Seite hat, die man loben darf, und dies Lob, wenn es nicht übertrieben wird, aus dem Munde eines verständigen Mannes Sporn zu größerer Vervollkommnung werden kann, so ist das Wink genug für den, der mich verstehn will. … Wahrer Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen, nicht erkünsteln, aber sie wirken, wie das Umschweben eines höhern Genius, wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht erregend.

Mittwoch, 23. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Der Konstruktionscharakter von Natur

Ein Thema des Salongesprächs über die Natur im Buch, das mitzugestalten ich vorige Woche das Vergnügen hatte, war die Frage danach, wieviel an unseren Naturvorstellungen kulturell gemacht ist. In der FR von gestern findet sich ein Interview mit dem Historiker Joachim Radkau, in dem er dieser Frage nachgeht. Unter anderem meint er:

Ich denke, es müssen mehr Human- und Kulturwissenschaftler an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, die sich über den Konstruktionscharakter von Natur bewusster sind. Natur gibt es ja wirklich, aber wenn wir von Natur reden, dann meinen wir zumeist ein Konstrukt, das wir im Kopf haben – was durchaus auch seinen praktischen Wert hat: Man geht sensibler mit ihr um.

Das finde ich auch. Und ein beträchtlicher Teil dieses Konstrukts basiert auf literarisierter Natur – oder ist literarisierte Natur.

Dienstag, 15. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Wiederholte Lektüre

Zur Zeit lese ich wieder einmal „Über den Umgang mit Menschen“ von Knigge. Dieses übrigens in der elektronischen Form auf meinem OYO, einem E-Book-Reader, der aufgrund der desaströsen Kommunikationspolitik des Verkäufers, der Thalia-Buchhandelskette, auf Facebook abgewatscht wird. (Da hat jemand seine PR-Hausaufgaben nicht gemacht. Mein OYO funktioniert tadellos und hat keinerlei Makel, aber natürlich ist mir meine Zeit zu schade, das auf Facebook kundzutun.)

In loser Folge werde ich in diesem Blog Fundstücke aus „Über den Umgang mit Menschen“ präsentieren. Ich beginne mit einer Ausführung zum richtigen Ton in der Konversation, auch zu lesen als Negativbeispiel zum Thema Bewertung der Wichtigkeit des eigenen Berufs.

Ein Professor, der in der literarischen Welt eine nicht gemeine Rolle spielt, meint in seiner gelehrten Einfalt, die Universität, auf welcher er lebt, sei der Mittelpunkt aller Wichtigkeit, und das Fach, in welchem er sich Kenntnisse erworben, die einzige dem Menschen nützliche, wahrer Anstrengung allein werte Wissenschaft. Er nennt jeden, der sich darauf nicht gelegt hat, verächtlicherweise einen Belletristen; einer Dame, die bei ihrer Durchreise den berühmten Mann kennenzulernen wünscht und ihn desfalls besucht, schenkt er seine neue, in lateinischer Sprache geschriebene Dissertation, wovon sie nicht ein Wort versteht; er unterhält die Gesellschaft, welche sich darauf gefreut hatte, ihn recht zu genießen, bei der Abendtafel mit Zergliederung des neuen akademischen Kreditedikts, oder, wenn der Wein dem guten Manne jovialische Laune gibt, mit Erzählung lustiger Schwänke aus seinen Studentenjahren.

Mittwoch, 9. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Ökogespräch

Der monatliche Salon „Kaffeehausgespräche“, den ich gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Detlef Thofern veranstalte, wird im Februar im Zeichen des Ecocriticism stehen. Zumindest, wenn es nach mir geht (man weiß bei einem Salon ja nie so genau, was die Gäste daraus machen werden). Mich treibt seit geraumer Zeit die Frage um, welchen Einfluss literarisierte Natur auf das Natur-Verständnis des Lesers/der Leserin hat. Noch interessanter wird es bei literarischen Naturkatastrophen. Ist zu erwarten, dass jemand, der einen Roman liest, in dem es um die Folgen der menschengemachten Klimaveränderung geht, sein Auto abschafft? Mir ist kein Fall bekannt.

Mittwoch, 2. Februar 2011 von Karin S. Wozonig
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Soziobiologie und Literatur

Nach meiner Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Hypochondrie und Literatur widme ich mich wieder der evolutionsbiologisch interessierten Literaturwissenschaft. Es handelt sich dabei um einen Trend in der Literaturwissenschaft, der gelegentlich erfreulich eigentümliche und originelle Formulierungen hervorbringt. Diese sind Ergebnis des Versuchs, Literatur mit biologischer Evolution zu erklären. Um das zu bewerkstelligen, erzählen Literaturwissenschaftler die populärwissenschaftlichen Erzählungen der Soziobiologie (also der Biologie des Sozialverhaltens „produzieren und rezipieren von Literatur“) mit eigenen Worten nach. Das kann dann so klingen:

Wir müssen für jedes Verhalten, das sich unter irgendwelchen Umständen über lange Zeit hin in wiederkehrenden Situationen als direkt oder indirekt reproduktiv erfolgreich erwiesen hat, die Verhaltensmöglichkeit in uns vermuten. […] Tatsächlich gibt es noch andere Wünsche, etwa in der Sonne zu sitzen, bei Freunden, in der Nähe hübscher Mädchen oder attraktiver Knaben, und über allem gibt es dann auch den Super-Wunsch, keinen unnötigen Ärger zu haben – all dies sind evolutionär begründete und verankerte Wünsche oder Instinkte oder Triebe oder, wie man am korrektesten sagen würde, Adaptationen, Anpassungen an bestimmte wiederkehrende Umwelt-Herausforderungen. […] Die Polyphonie der Adaptationen (‚Triebe‘) oder auch ihre Kakophonie ist auf Entscheidungen angewiesen, und die Grundstruktur dieser Entscheidungen entstammt dem Bereich der jeweiligen Kultur und der mit ihr verknüpften individuellen Erfahrung.  (Karl Eibl: Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen. [zum ganzen Text auf literaturkritik.de])

Dienstag, 25. Januar 2011 von Karin S. Wozonig
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Bestseller von einst

Die nächste Nummer des Jahrbuchs des Forum Vormärz Forschung wird sich dem Thema „Wissenskulturen“ widmen. Ich werde dazu beitragen und befasse mich daher seit einiger Zeit wieder mit dem Arzt und Dichter Ernst von Feuchtersleben. Sein Buch mit dem Titel „Zur Diätetik der Seele“ war ein Bestseller seiner Zeit. Dem „Büchlein“ liegt „manch bitt’re Selbsterfahrung“ zugrunde, schreibt der Autor in einem Vorwort. Die Seelendiätetik soll vor Hypochondrie und Melancholie bewahren. Es gibt einige sehr konkrete Anweisungen in dem Text, vor allem sollte man sich nach Feuchterslebens Ansicht ein Vorbild an Goethe nehmen. Andere Autoren hingegen sind zu vermeiden:

Hypochondrie, entgeistete, grämliche, affadirende Hypochondrie ist die Amme der modernen Literatur, und man wird nächstens, zur richtigen Beurtheilung unserer jüngsten Dichter, des Arztes statt des Recensenten bedürfen. […] Solche Dichter ziehen dann natürlich ihr Publikum nach, – und da jetzt fast Alles Publikum ist, Alles von Literatur singen und reden will, – so begreift sich, wie nöthig es ist, daß man diese literarischen Interessen in einer diätetischen Schrift bespreche, wenn man noch einen Theil des Publikums vor dem Gräuel der Hypochondrie retten will. Es gehört also zur Diätetik der Seele, daß wir, weil wir die soi-disants Young’s und Byron’s unserer Tage doch nun einmal kaum überzeugen werden, daß sie vorerst was Rechtes lernen sollten, – es gehört, sage ich, zur Seelendiätetik, daß wir sie jammern lassen sollen.