Biedermeier als Parodie
Das Grimmsche Wörterbuch weiß zum Begriff „Parodie“ zu sagen:
umbildung einer bekannten ernsten dichtung mit beibehaltung ihrer form ins scherzhafte oder spöttische, dann auch im übertragenen sinne (aus griech. parōdía neben-, gegengesang, dann umdichtung allgemein bekannter und berühmter gedichte, so dasz bei geringer veränderung der worte statt des erhabenen ein gemeiner und lächerlicher sinn hervorgeht.)
Aus dem Biedermann (vir bonus) ist mit wenigen literarischen Griffen ein Biedermeier zu machen und die begriffliche Gratwanderung entspricht der so bezeichneten Epoche.
Rudolf Rodt hat nicht nur an der parodistischen Epochenbezeichnung mitgewirkt, sondern auch ernste Dichtung mit Beibehaltung ihrer Form ins scherzhafte umgebildet. Während der „Taugenichts“ von Eichendorff spätromantisch-freudig „nach Italien, nach Italien!“ läuft, wo er das gute Leben findet und wo Goethes „Mignon“ von Zitronenblüten und Gold-Orangen träumt, „wohnt“ in Rodts Italien die mehrdeutige Pomeranze. Und so sieht der sehnsüchtige Wanderlustige aus Rodts Gedicht „Wanderlust“ (1849) Kalifornien:
Aber jetzt! nach Kalifornigen
Jagt es mir den Sinn den zornigen,
Der schon längst dahin geschwärmt:
Wo die goldnen Adern ziehen,
Durch die schweigenden Prairieen,
Und der Sakramenter lärmt –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!Nach Kalifornigen, nach Kalifornigen
Fang ich an das Lied von vornigen,
Wo der ew’ge Dollar rollt,
Wo es gelber wird und gelber,
Wo des Wandrers Adern selber
Wandeln sich in flüssig Gold –
Alter, dahin muß ich ziehn!Dahin, wo bei Tropenhitze
Auch in der geringsten Pfütze
Noch ein echter Goldfisch irrt;
Wo die Quellen, die gefrieren,
Sich zu Gold statt Eis fixiren,
Wenn es jemals Winter wird –
Dahin, Alter, möcht ich ziehn.Dort wo unter jeder Scholle
Von Dukaten eine Rolle
Schlummernd uns entgegen lacht;
Wo das Silber ist Lappaligen,
Wo der Mensch mit Viktualien
Glänzende Geschäfte macht –
Dahin, Alter, laß mich ziehn! –