Samstag, 27. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Der Eisstoß in Prag 1845, Teil 1

Im neunzehnten Jahrhundert waren die Bewohner der Städte an den großen Flüssen der k. u. k-Monarchie einer regelmäßig im Frühling wiederkehrenden Gefahr ausgesetzt: dem so genannten Eisstoß. Eisplatten die sich auf den Flüssen in einander verkeilten, stauten große Wassermengen zurück, die die flussaufwärts gelegenen Stadtteile überschwemmten. In der Kaiserstadt Wien war der Eisstoß der Donau ein jedes Jahr wieder mit Angst erwartetes Ereignis, aber auch in anderen Städten der Monarchie kam es immer wieder zu Überflutungen. Am 3. April 1845 berichtet die Wiener Zeitung:

Böhmen. Prag, 28. März. Am 27sten um 6 Uhr Früh hat sich endlich die ungewöhnlich starke Eisdecke, welche seit vollen sechzehn Wochen die Moldau bedeckte, gehoben und in Bewegung gesetzt. Das lange und bange erwartete Schauspiel lockte unzählige Zuschauer herbey. Beyde Brücken und der Franzensquai waren mit Schaulustigen übersäet, besonders zwischen der zehnten und eilften  Stunde, um welche Zeit das Eis oberhalb des Podkals sich in Bewegung gesetzt hatte. Die ganze Moldaufläche, so weit man sie von der Brücke aus stromauf- und stromabwärts übersehen konnte, bildete eine schwimmende Masse dichtaneinander gedrängter Eisschollen. […] Das Ausbleiben der Prager Zeitungen läßt besorgen, daß der Eisstoß unterhalb Prags ins Stocken gerathen, und dadurch ein Aufstauchen der Moldau herbeygeführt worden ist.

In den folgenden Tagen wird klar, dass die Befürchtungen der Redaktion der Oesterreichisch Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung berechtigt waren. Mit einer Verspätung von einer Woche berichtet die Wiener Zeitung von der größten Flutkatastrophe seit 1784. [Fortsetzung folgt]

Quelle: Karin S. Wozonig: Netzwerke der Wohltat und der Literatur. Das Album zum Besten der durch die Ueberschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten. In: Hanna Bergerová, Renata Cornejo, Ekkehard Haring (Hg.): Festschrift zum 15. Gründungsjubiläum des Lehrstuhls Germanistik. Ústí nad Labem 2005. S. 248-254

Dienstag, 23. März 2010 von Karin S. Wozonig
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Lenau im Wohltätigkeitsalbum

Private Wohltätigkeit war ein wichtiger Aspekt bürgerlichen Selbstverständnisses im 19. Jahrhundert. Nach Naturkatastrophen wie z.B. einem Eisstoß wurden Sammlungen initiiert, Kunstgegenstände versteigert und literarische Alben aufgelegt.

Eines dieser Alben war:

Herausgegeben wurde es von Friedrich Witthauer (1793–1846), Journalist und Herausgeber der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Er war einer der ersten Förderer von Betty Paoli, deren frühen Gedichte in dieser Zeitschrift unter ihrem Namen „Betty Glück“ erschienen. Als Frl. Betty Glück ist sie auch in der Liste der Pränumeranten, die mit ihrer Ankaufszusage den Druck solcher Wohltätigkeitsalben ermöglichten, verzeichnet.

Neben Gedichten von Paoli, Grillparzer, Anastasius Grün und zahlreichen anderen Biedermeier-Autorinnen und -Autoren findet sich in dem Album auch die Vertonung des Lenau-Gedichts „Die Drey Zigeuner“ von Joseph Fischhof (1804-1857), Liedkomponist und Briefpartner von Robert Schumann, Giacomo Meyerbeer und Franz Liszt.

Montag, 8. Dezember 2008 von Karin S. Wozonig
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Das biedermeierliche literarische Taschenbuch

Das literarische Taschenbuch, eine periodisch (ein Mal jährlich) erscheinende Publikation, die üblicherweise Prosa- und Versbeiträge (Gedichte, Reiseberichte, Erzählungen, Versepen, Epigramme, historische Darstellungen etc.) vereinte, mit Bild- und Musikbeilagen und manchmal mit einem Kalendarium bereichert war, durfte in keinem bürgerlichen Biedermeierhaushalt fehlen. […]

Die Aufmachung der literarischen Taschenbücher prädestinierte diese Publikationen für Geburtstags-, Namenstags- und Weihnachts- bzw. Neujahrsgeschenke, letzteres wurde durch Veröffentlichungstermine pünktlich zum Weihnachtsgeschäft unterstützt. Die üblichen Formate in der Blütezeit der literarischen Taschenbücher waren das Kleinoktav und das Oktav. Oft wurden die Taschenbücher in mehreren Ausstattungen angeboten: in aufwendigen Varianten mit Schuber, Ledereinband und Kolorierung und in einfacheren, billigeren Aufmachungen, womit eine breite Leserschaft erreicht wurde. […]

Diese Reduktion auf das Dekorative entspricht durchaus dem bürgerlichen Bild des Weiblichen und kann als Tribut an die Leserinnen gesehen werden, Anton Schlossar spricht von „Damennippes-Litteratur“ […] (Aus: Karin S. Wozonig: Spanischer Skandal im österreichisch-ungarischen Almanach. Betty Paolis Novelle „Merced“ im literarischen Taschenbuch Iris, 1845. In: Aussiger Beiträge 2 (2008), S. 39-49)