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Österreichischer Buchpreis: Friederike Mayröcker für fleurs.
Die Meldung: Friederike Gösweiner, der ich gern zugehört habe, bekommt den Debütpreis für ihren Roman „Traurige Freiheit“.
Österreichischer Buchpreis: Friederike Mayröcker für fleurs.
Die Meldung: Friederike Gösweiner, der ich gern zugehört habe, bekommt den Debütpreis für ihren Roman „Traurige Freiheit“.
Heute und morgen findet in Wien ein Grillparzer-Symposium statt. Aus diesem Anlass und als Kommentar zum vorherigen Blogpost gibt es hier wieder einmal Grillparzer-O-Ton:
Notwendiger Gegensatz
Ist Prosa der Sinn im Beweisen und Lehren,
Kann Dichtkunst den Unsinn wohl kaum entbehren.
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 3. Gedichte III, S. 196
In Vorbereitung auf meinen verflossenen Gastauftritt beim literarischen Kamingespräch „tea for three“ (Dank an Daniela Strigl und Klaus Nüchtern für die Einladung!) habe ich das Buch „Verbannt!“ von Ann Cotten gelesen, eine wilde Geschichte mit einer auf eine Palme gebrachten Protagonistin mit Persönlichkeitsstörung und mit dem personifizierten Internet, das, wie könnte es anders sein, ein Kabel ist; aber nicht irgendeines, sondern eines, das einem letscherten Soletti ähnelt.
Das alles ist in Pseudo-Spenser-Strophen verfasst, oder auch nicht, wie es der Autorin gerade einkömmt. Auf jeden Fall reimt sie viel, und was sich reimt, ist gut. Allerdings reimt sie auch ziemlich viel nicht und das ist auch nicht schlecht. Thematisch bewegt sich dieses Versepos sehr behände zwischen Plastikmüll, Medienschelte, Kapitalismuskritik und Massentierhaltung – und noch einigem anderen.
Das Buch eignet sich sehr gut für das solitäre Lautlesen und für das Vorlesen in geselliger, Wortwitz schätzender Runde. Hier meine Lieblingsstellen, dem Metadiskurs entnommen:
„Macht also besser gleich Bier aus den jungen Dichtern!
Malzapparate gibt es schon zuhauf.
Macht Bier auch aus den Kritikern und Kunstrichtern!
Lasset sie kommen, stampfet sie und sauft!“
„Ein Wort haut das andere, dieses haut zurück, und dann
kommen noch mehr dazu.“
Soviel zum Buch, das von der Autorin selbst herzerwärmend illustriert wurde und eine lohnende Lektüre ist.
Dank des Salons „Musenküsse“ von Eva Geber und Verena Dürr weiß ich, dass Ann Cotten außer schreiben und zeichnen auch noch singen kann. Und dazu möchte ich sagen: Sollten Ann Cotten und ihre Schwester Lucy (sie spielt Cello und als Combo sind sie „dental princes“) in Ihrer Nähe einen Auftritt haben, lassen Sie alles liegen und stehen und gehen Sie hin. Sie werden es nicht bereuen.
Wieder bekomme ich die Gelegenheit, öffentlich über Betty Paoli zu sprechen. Diesmal wird es konkret um die wechselvolle Beziehung zu Adalbert Stifter gehen. Wobei „wechselvoll“ nicht ganz stimmt, denn es hat genau genommen nur einen deutlichen Wechsel in der Verbindung der beiden gegeben: von „überschwänglich zugetan“ zu „ohne Kontakt“. Woran mag das gelegen haben? Auch darauf versuche ich eine Antwort zu geben in meinem Vortrag bei der Tagung Stifters Welten: Wien.
Als Ergänzung zu Marie von Ebner-Eschenbachs klugem Ausspruch zum Thema Zigarren gibt es heute ein Gedicht von einem Bekannten Betty Paolis, nämlich von Ernst Freiherr von Feuchtersleben (1806-1849), dem Experten für Psychosomatik.
Rauchlied
Laßt uns unsre Pfeifen stopfen!
Alles in der Welt ist Rauch;
Herzen, die vor Wonne klopfen,
Bange Herzen, sind es auch.
In den lieben blauen Wölkchen
Blasen wir die Grillen weg;
Sind wir doch ein eignes Völkchen,
Ohne Arbeit, ohne Zweck;
Hören nicht des Mißmuths Flüstern,
Der nur fern von Rauchern schleicht;
Hören bloß der Blätter Knistern,
Wie das Feuer durch sie streicht;
Riechen nicht, wie weis’re Männer,
Schon von fern Verrätherluft;
Riechen nur als Kräuterkenner,
Unsres lieben Krautes Duft.
Unsre Feinde müssen weichen,
Dampf und Qualm sind unser Schutz;
Unser Trost bei bösen Streichen
Ist: auch wir sind nicht viel nutz.
Drum, die Götter zu versöhnen,
Zündet ihnen Opfer an!
Zwischen des Gesanges Tönen
Dampft mit Andacht himmelan!
Die gescheite Schriftstellerin Betty Paoli fordert bei der Beurteilung geistiger Produkte Geschlechtsblindheit:
Unweibliche Idee? Wie ihr doch thöricht sprecht!
Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht?
Als man für die Wiener Weltausstellung 1873 im Rahmen der Präsentation von „Frauen-Arbeiten“ auch eine Abteilung für die „literarische Production von Frauen“ plante, ereifert sich Paoli in einem Brief an Marie von Ebner-Eschenbach:
[Ich ärgere mich] über den hirnverbrannten Einfall, die von Frauen herrührenden literarischen Werke a parte zusammenzustellen, d. h. daraus eine Art von Ghetto zu machen. Ein Buch muß gut sein. Ist es dieß, so ist es vollkommen gleichgültig ob es einen Mann oder eine Frau oder eine Maus zum Verfasser hat. Und ist es schlecht, so wird es um kein Haar besser, wenn der Autor mit einem Bart wie Graf Edmund Zichy gesegnet ist.
Mehrfach wurde in diesem Blog der Dichter-Beamte Cajetan Cerri erwähnt, ein Betty-Paoli-Verehrer, der die Dedikation an die Stelle setzte, an der es ihm deutlich an Talent fehlte. Wie er das im einzelnen machte und worin seine eigenen lyrischen Leistungen bestanden, lässt sich in dem Aufsatz „Friedrich Hebbel und Cajetan Cerri. Mit einer unbekannten Widmung an Hebbel“ von Walter Hettche nachlesen (Hebbel-Jahrbuch 71/2016). Walter Hettche stellt Cerris systematisches Anbiedern an die literarische Szene und die Literaturgeschichte durch Widmungen und Motti sehr informativ und durchaus amüsant dar.
Cerris ungeniertes textliches Anschmiegen an bedeutende Dichter kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er selbst in der unteren Liga der Almanachverseschmiede spielt – im Gegenteil. Seinem „Franz Grillparzer gewidmet“ in der Gedichtsammlung Glühende Liebe (1850) schickt er z.B. ein Gedicht hinterher, das nicht nur den Bescheidenheitstopos bedient, sondern außerdem recht typisch Cerri ist:
Ich weiß, es sollten diese schlichten Klagen
Es kaum versuchen sich zu Dir zu heben,
Denn kühne Adler sollten nur es wagen
Zum Sonnenstrahl im stolzen Flug zu schweben.Doch sieh‘, der Sturm, der an dem Blätterrauschen
Der Eichen nur gewohnt – er mag’s doch leiden
Muß er auch manchmal dem Geflüster lauschen,
Das ihm engegentönt vom Blatt der Heiden.D’rum zürn‘ auch du dem Lied nicht, das sich leise
Zu dir erschwingt, du mächtiger Sangesstreiter:
Denk‘ an des Vögleins schlichte Abendweise –
Du hörst ihr zu – und gehst dann lächelnd weiter.
Am 13. Juli gibt es wieder ein Kaffeehausgespräch, in dem es um einen österreichischen Autor gehen wird, nämlich um Adalbert Stifter (1805-1866). Statt aller weiteren Rechtfertigung, warum ausgerechnet er, sei hier ausnahmsweise Goethe zitiert:
In der Poesie gibt es keine Widersprüche, diese sind nur in der wirklichen Welt, nicht in der Welt der Poesie. Was der Dichter schafft, das muss genommen werden, wie er es geschaffen hat. So wie er seine Welt gemacht hat, so ist sie. Was der poetische Geist erzeugt, muß von einem poetischen Gemüt empfangen werden. Ein kaltes Analysieren zerstört die Poesie und bringt keine Wirklichkeit hervor. Es bleiben nur Scherben übrig, die zu nichts dienen und nur inkommodieren. (Goethe, 1806)
Wenn man, so wie ich, beim neunzehnten Jahrhundert schon bei simpler Sachlage vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, ist ein komplizierter Charakter wie Franz Grillparzer ein praktisch unerschöpflicher Quell. Er war ein revolutionärer und konservativer, misstrauischer und wahrheitsliebender, widerständiger, geistreicher, undiplomatischer Gerechtigkeitsfanatiker. Das ist unter anderem an seinen Epigrammen abzulesen, von denen ich in diesem Blog in loser Folge einige zitieren werde.
Glückwunsch an den Herrn Hofkonzipisten *** bei Erhaltung des Lilienordens
Wie passend schmückt dich der Lilie Zier,
Sie wird zum symbolischen Zeichen an Dir.
Wie ähnlich seid ihr euch beide!
Wer denkt nicht an das, was die Bibel spricht:
»Die Lilie, sie ackert und spinnet nicht
Und prangt doch in köstlichem Kleide«.
Verständlichkeit
Gar sehr verschieden ist des Lesers Recht,
Nimmt Verse er verschiedner Art zu Handen.
Versteht er deine nicht, so sind die Verse schlecht.
Wenn meine – nun! hat er sie nicht verstanden.
Hegel
Was mir an deinem System am besten gefällt?
Es ist so unverständlich als die Welt.
Hieronymus Lorm, über dessen Buch „Wien’s poetische Schwingen und Federn“ (1846) ich vor kurzem berichtet habe, ist mit vielen österreichischen Autoren gar nicht zufrieden. Ihr politisches Engagement in der Zeit vor der 48er-Revolution lässt in seinen Augen deutlich zu wünschen übrig. Bei manchen von ihnen kommt noch dazu, dass sie eigentlich prädestiniert dafür wären, eine eigenständige österreichische Literatur auf hohem Niveau zu begründen. Franz Grillparzer gehört zu diesen talentvollen Österreichern, aber statt das Volk zu begeistern, schreibt er nur eine kümmerliche Schicksalstragödie. Unsterblich hätte er werden können, ein Shakespeare Österreichs, das österreichische Theater könnte mit Grillparzer der „bestimmte kernhafte Ausdruck einer von politischem Ernst durchdrungenen Nationalität“ sein – aber nein, Grillparzer ist auch noch beleidigt, dass die Wiener sein philosophisches Lustspiel nicht lustig finden und zieht sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Sehr ärgerlich, findet Lorm, aber auch:
Man möchte wieder in Mitleid um ihn vergehen, wenn man ihn trauernd ruhen sieht auf den Ruinen einer Poesie, der eine deutsche Unsterblichkeit aufbehalten gewesen wäre.
Wie Grillparzer dann doch noch der Klassiker Österreichs wurde und welche Relevanz schulische Erfolge für diese Karriere hatten, werde ich bei einem Kaffeehausgespräch am 10. Juni erörtern, zu dem Sie, liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, herzlich eingeladen sind. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.